• An der deutschen Grenze, ist das Titelblatt des Simplicissimus 1902 überschrieben: "Jedes Jahr müssen wir einmal so thun, als ob wir hinein wollten. Sonst merken sie, daß wir schon längst bei ihnen zu Hause sind."

Vor 100 Jahren wurde das Jesuitengesetz aufgehoben

Auf dem Höhepunkt des "Kulturkampfes", als der Streit zwischen dem Deutschen Kaiserreich und der katholischen Kirche eskalierte, wurden die Mitglieder der Gesellschaft Jesu, die als Speerspitze des Papstes und damit als Reichsfeinde galten, mit dem Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872 des Landes verwiesen und ihnen jede Tätigkeit im Deutschen Reich verboten.

Die deutschen Jesuiten waren gezwungen, ins "Exil" auszuwandern. Die Ausbildung des Ordensnachwuchses musste in den Niederlanden, teilweise auch in Großbritannien erfolgen. Viele Jesuiten gingen in die Mission - nach Dänemark und Schweden oder in die USA, Südbrasilien, Indien, Rhodesien und Japan.

Trotz der offiziellen Beendigung des Kulturkampfes 1887 blieb das Jesuitengesetz noch drei Jahrzehnte in Kraft. Schon 1904 war das Verbot etwas abgemildert worden, so dass einzelne Jesuiten wieder ihren Aufenthalt in Deutschland nehmen konnten. Tatsächlich hielten sich 1917 bereits 130 Jesuiten innerhalb des deutschen Reichsgebietes auf, allerdings zumeist einzeln oder in kleinen Gruppen, da Ordenshäuser bis dahin noch verboten waren.

Die Katholiken, die sich während des Konflikts mit der preußisch-protestantischen Obrigkeit als Bürger zweiter Klasse empfanden, bemühten sich danach, ihre Treue zum Vaterland umso deutlicher unter Beweis zu stellen. Den beginnenden Ersten Weltkrieg sahen daher auch die deutschen Jesuiten als Chance, durch einen vorbehaltlosen Dienst an der "gerechten Sache" die letzten Zweifel an ihrer "nationalen Zuverlässigkeit" zu beseitigen.

Die Empfindungen und Ideale, von denen die meisten Jesuiten damals erfüllt waren, schildert ein zeitgenössischer Roman von Johannes Mayrhofer, eines ehemaligen Jesuiten. Erzählt wird, wie Kaiser Wilhelm II. ein Lazarett besucht und dabei von einem verwundeten französischen Gefangenen attackiert wird. Gerettet wird der Kaiser, indem ein junger Jesuiten-Sanitäter sich dazwischen wirft und anstelle des Deutschen Kaisers stirbt. Von den 987 in Europa wirkenden Mitgliedern der Deutschen Provinz standen im Ersten Weltkrieg 513 im Feld, darunter 181 im aktiven Militärdienst, 181 Patres in der Militärseelsorge, 151 in der Krankenpflege.

Infolge des "nationalen Schulterschlusses" wurden die Widerstände gegen eine Aufhebung des Jesuitengesetzes auf protestantischer Seite schwächer. Reichskanzler Bethmann Hollweg, der noch zu Beginn des Krieges gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes war, suchte jetzt durch sein Entgegenkommen die katholische Zentrumspartei für seine Politik zu gewinnen. Am 19. April 1917 trat der Bundesrat mit knapper Mehrheit (31 von 58) dem Reichstags-Beschluss von 1913 auf völlige Aufhebung des Jesuitengesetzes bei.

Während evangelische Kreise ausgerechnet im 400. Jubiläumsjahr der Reformation von einer Brüskierung sprachen und einen Bruch des konfessionellen Friedens und eine Störung des "Burgfriedens" durch" rücksichtslose Erfüllung konfessioneller Sonderwünsche" sahen, hielt sich der Protest in Grenzen. Die kirchenferne Presse betrachtete das Jesuitengesetz überwiegend als überlebt. Umgekehrt propagierten die Jesuiten den Fall des Gesetzes als einen Akt nationaler Solidarität und Einheit, die auf religiöser Toleranz und Parität beruhe.

Es dauerte nicht mehr lange, bis dass am 24. August 1919 die Weimarer Verfassung in Kraft trat, die im Artikel 124 das Grundrecht der Vereinsfreiheit für alle Zwecke, die nicht mit dem Strafrecht in Konflikt kommen, verkündete. Mit ihr ging, nicht nur für die Jesuiten, sondern auch für die katholischen Orden in Deutschland insgesamt, eine Epoche zu Ende: die der mühsamen Behauptung und allmählichen Durchsetzung gegen das klassische Staatskirchentum mit seinen herkömmlichen Aufsichtsrechten. Jetzt waren die Orden frei vom Staat; ihre Niederlassungen bedurften keiner staatlichen Genehmigung mehr.

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