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Weltbischofssynode in Rom: „Was da entstanden ist, war begeisternd“

Mit dem Synodalen Weg hat Papst Franziskus eine neue Form des Miteinanders in der katholischen Kirche angestoßen. Pater Clemens Blattert SJ durfte die Dynamik als Mitarbeiter der Weltbischofssynode hautnah miterleben. Er ist begeistert von dem Neuen, das durch das Miteinander von Klerikern und Laien, Frauen und Männern aus der ganzen Welt und verschiedenen christlichen Kirchen entsteht. Gut, dass der „römische Spirit“ nicht auf Rom beschränkt ist, findet Pater Blattert.

Von Clemens Blattert SJ

Wo das Miteinander gelingt, sind Menschen glücklich. Das glückliche Zusammenleben von Menschen im Kleinen wie im Großen ist aber keine Selbstverständlichkeit. Durch Enttäuschungen, Missverständnisse, Eigeninteressen, Ignoranz, Streit und vieles mehr zerfallen Gemeinschaften. Es braucht Menschen, die sammeln, Verantwortung übernehmen und sich für den Aufbau von Gemeinde einsetzen.

Ein wesentlicher Auftrag, der ins Stammbuch der katholischen Kirche geschrieben ist, lautet: Dienst an der Einheit. Kirche soll im Kleinen wie im Großen zum gelingenden Miteinander beitragen. Sie soll Sauerteig sein. Da die Kirche nicht im luftleeren Raum existiert, sondern von den Menschen unserer Zeiten und Gesellschaften geprägt ist, sind die Dynamiken des Auseinanderdriftens, der Polarisierung, des Zerfallens in ihr genauso spürbar.

Der Synodale Weg: Gemeinsam vorangehen

Papst Franziskus schlägt aus dem Geist der Kirche eine Form vor, die helfen kann, unsere widersprüchliche Welt zu lieben und sie positiv mitzugestalten: „Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet. Was der Herr von uns verlangt, ist in gewisser Weise schon im Wort ‚Synode‘ enthalten. Gemeinsam voranzugehen – Laien, Hirten und der Bischof von Rom –, ist ein Konzept, das sich leicht in Worte fassen lässt, aber nicht so leicht umzusetzen ist.“ (Ansprache anlässlich der 50-Jahr-Feier zur Errichtung der Bischofssynode 2015)

Fast zehn Jahre nach dieser programmatischen Rede ist ein weltweiter Gemeinschaftsprozess angestoßen worden. Von 2021 bis 2022 fanden weltweite Konsultationen statt, an denen sich jede und jeder beteiligen konnte. Es folgten 2023 und 2024 zwei Sitzungsperioden der Weltbischofsynode in Rom, die schon allein durch die Fotos der katholischen Kirche ein neues Gesicht gegeben haben. Der Papst hat in der katholischen Kirche eine große Reform angestoßen. Hier in Deutschland ist von dieser Reformbewegung bisher noch nicht viel spürbar.

Der „römische Spirit“ versetzte in Begeisterung

Zur Einordnung der bisherigen Reformschritte: Konnten bis 2018 nur Bischöfe und einzelne Ordensleute an einer solchen Synode teilnehmen, waren bei der Jugendsynode 2018 zum ersten Mal 50 Gäste dabei, die alles mithören durften und Rederecht hatten. Bei der Synode 2023 und 2024 waren über 100 Personen, die nicht Bischöfe waren, stimmberechtigt. Mehr als die Hälfte dieser 100 Personen waren Frauen.

Diese Veränderungen allein hätte die Mehrheit der Teilnehmenden an der Bischofssynode sicherlich noch nicht in Begeisterung versetzt. Der „römische Spirit“ nährte sich wesentlich von der Methode des Miteinanders. An runden Tischen saßen die Teilnehmenden in gemischten Kleingruppen: Männer, Frauen, Laien, Kleriker, von möglichst vielen Kontinenten, jeweils eine Person aus einer anderen christlichen Kirche. Außerdem sah die Methode vor, dass jede Person, unabhängig vom Stand, dieselbe Redezeit hatte. Alle durften sprechen und alle sollten zuhören. Beständig bemühte man sich um eine geistliche Atmosphäre. Es ging nicht darum, dass eine Person die anderen von ihrer Position überzeugt, sondern durch die einzelnen Beiträge etwas Neues entstehen kann.

Hin zur co-verantwortlichen Kirche

Und was da entstanden ist, war begeisternd. Es bildete sich eine lernende Kirche, eine Kirche, die sich auf einen Prozess einlässt, eine Kirche, die partizipativ – oder besser gesagt: co-verantwortlich – vorangeht. Eine Gemeinschaft, die es schafft, Polarisierungen zu überwinden und zu einem neuen Miteinander zu finden, bei dem die Individualität und die kulturellen Unterschiede nicht zerstört wurden.

Diese synodale Vorangehensweise hat einen großen Freiraum eröffnet, der einerseits positiv ist, aber von vielen auch als Überforderung erlebt wurde. Was sollen wir jetzt machen? Es sagt uns niemand, was richtig und falsch ist. Wir müssen selbst Verantwortung übernehmen. Aber genau das ist die Intention von Papst Franziskus. Menschen sollen als reife Akteure des Evangeliums suchen, wie die synodale Transformation in die jeweilige Kultur hineinbuchstabiert werden kann.

Raushalten geht nicht

Die Methode der Weltsynode zeigt eine weitere Herausforderung: sich auseinandersetzen. Man kann sich nicht raushalten. Die synodale Methode fordert von allen Beteiligten, besonders den Hierarchen und den „stillen“ Teilnehmenden, dass sie ihre Gedanken, Gefühle und Anliegen mutig ins Wort bringen. Ein synodales Miteinander braucht das Zuhören. Dieses impliziert aber auch, eine angemessene Weise des Sprechens zu lernen, die nicht den anderen niederdrückt, verurteilt, abwertet. Es ist ein Sprechen, das Vertrauen wagt und miteinander in Beziehung tritt, mutig seinen Standpunkt formuliert und diesen in innerer Freiheit wieder loslässt. Wenn wir miteinander streiten, zuhören, sprechen, uns berühren lassen, wird das Neue sichtbar, vielleicht auch auf überraschende Weise. Dahinter steht der Glaube, dass sich Gottes Wirken zeigt und seine Führung im gelingenden Miteinander deutlich wird.

Der „römische Spirit“ wirkt auch bei uns

Ich selbst hatte im Oktober 2024 die Gelegenheit, als Mitarbeiter der Weltbischofssynode diese neue Dynamik der katholischen Kirchen erleben zu dürfen. Es war wirklich faszinierend, was da möglich wurde. Dieser Geist ist aber nicht auf Rom beschränkt. Im Kleinen ist er hier bei uns auch erfahrbar. In diesen verunsichernden Zeiten, in denen sich viele Selbstverständlichkeiten auflösen, auch Dinge, die uns sehr wertvoll und ans Herz gewachsen sind, entsteht Neues. Neues, das sich vertraut nach dem Evangelium Jesu anfühlt. Neues, das Menschen verbinden und aus Sackgassen herausführen kann. Neues, das zeigt, wie Kirche ihren Auftrag, Gemeinschaft aufzubauen, neu verstehen und eine ganz neue Relevanz für unsere Zeit bekommen kann.

Lassen Sie uns im Kleinen wie im Großen für ein gelingendes Miteinander Sorge tragen. Es wird uns alle ein Stück glücklicher machen.

Zur Person:

Clemens Blattert SJ

P. Clemens Blattert SJ stammt aus Wellendingen (Bonndorf). 2003 trat er in den Jesuitenorden ein und wurde 2009 zum Priester geweiht. Sechs Jahre war er Studentenpfarrer in Leipzig. 2015 übernahm er die Verantwortung für die Berufungspastoral des Ordens und initiierte die Zukunftswerkstatt SJ in Frankfurt/M. Seit 2022 widemet er sich dem Aufbau des Berufungscampus in Sankt Georgen. Außerdem ist er Geistlicher Rektor der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk und Direktor des Zentrums für Berufungspastoral der Deutschen Bischofskonferenz.

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