• Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel ist der Sitz der Europäischen Kommission.
  • P. Martin Maier SJ ist Beauftragter für Europäische Angelegenheiten im Jesuit European Social Centre.
  • Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel ist der Sitz der Europäischen Kommission.
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Wie sauber müssen künftige EU-Kommissare sein?

Heute beginnen die Anhörungen der EU-Kommissare vor den Ausschüssen. Gegen mindestens fünf gibt es Vorwürfe der Bestechung oder Korruption. Vertrauen ist der Politik ganz wichtig, warnt Jesuitenpater Martin Maier SJ. Wenn Politiker eigene Interessen über das Gemeinwohl stellen, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit.

Gegen den belgischen Kommissionskandidaten laufen Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht, dem polnischen Kandidaten wird vorgeworfen, sich als EU-Abgeordneter persönlich bereichert zu haben und auch beim spanischen Kandidaten gibt es Ungereimtheiten.

EU-Experten können sich nicht erinnern, dass jemals so vielen Kommissionskandidaten mögliche Rechtsverstöße vorgeworfen wurden. In mindestens einem Fall ermittelt derzeit das unabhängige Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF. Auch gegen die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst, gibt es Anschuldigungen. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag überprüft, Unstimmigkeiten bei Beraterverträge im Verteidigungsministerium unter von der Leyen.

Der Jesuit Martin Maier SJ, Europa-Beauftragter seines Ordens in Brüssel beim "Jesuit European Social Centre" (JESC), sieht in den Korruptions- und Bestechungsvorwürfen gegen die Kommissionskandidaten einen Verfall der politischen Kultur. Dieser stehe im globalen Kontext. "Weltweit wurden politische Führer gewählt, gegen die es von vornherein Bedenken gab", so Maier. Als Beispiele nennt er die Donald Trump, den Präsidenten der Philippinen, Rodrigo Duterte, oder Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro.

"Ganz wichtig in der Politik ist Vertrauen", so Maier. Es setze jedoch Glaubwürdigkeit voraus und da liege das Problem: "Politiker werden nicht als glaubwürdig erlebt." Aus christlicher Perspektive sei Politik der Dienst am Gemeinwohl. "Wenn Politiker durch Bestechlichkeit dem Gemeinwohl schaden, entsteht eine Glaubwürdigkeitskrise", so Maier. In vielen Gesprächen hat Maier die Erfahrung gemacht, dass das Misstrauen gegenüber der Bürokratie in Brüssel verbreitet ist. "Es ist Gift für das Vertrauen in die Institutionen der Europäische Union, wenn vorne Leute stehen, gegen die es begründeten Korruptionsverdacht gibt."

Kommende Woche beginnen die Anhörungen der künftigen EU-Kommissare im Europaparlament. Drei Stunden lang wird jeder Kandidat von den EU-Abgeordneten zu seiner Eignung für das Amt befragt. Die Ermittlungen, die gegen einige Kommissionskandidaten laufen, werden nicht abgeschlossen sein. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, forderte deshalb klare Kriterien, wie mit Korruptions- und Bestechungsvorwürfen bei Kandidaten umzugehen ist. "Kann jemand Kommissar werden, gegen den ermittelt wird?", fragte er. Für ihn gelte auch die Unschuldsvermutung.

Vom christlichen Standpunkt aus seien die zehn Gebote der Maßstab, sagt Maier. "Und da steht unter anderem drin, du sollst nicht stehlen oder du sollst nicht lügen." Andere Maßstäbe kommen aus der Sozialethik, etwa das Prinzip des Gemeinwohls oder der Solidarität.

"Bestechlich zu sein oder krumme finanzielle Geschäfte zu machen, ist Schädigung des Gemeinwohls und ein Verstoß gegen das Solidaritätsprinzip", so der Jesuit. Politiker verlören ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie eigene Interessen über das Gemeinwohl stellen. "Ich würde dann bezweifeln, dass diese Person für eine Führungsposition geeignet ist."

Und was, wenn Politiker Besserung geloben? Auf der persönlichen Ebene sei Vergebung zwar ein zentraler Wert im Christentum, so Maier. Doch bei einer politischen Führungsposition gehe es über das Persönliche hinaus. "Wenn jemand in grober Weise straffällig geworden ist, dann ist er meiner Ansicht nach nicht mehr geeignet, eine herausgehobene politische Führungsposition wahrzunehmen", sagt Maier. Denn Politiker sollten auch Vorbilder sein. "Das scheint mir schwierig, wenn jemand wirklich straffällig geworden ist."

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat bereits erste Konsequenzen gezogen. Er stimmte dafür, die rumänische Kommissionskandidatin, Rovana Plumb, und den ungarischen Kandidaten Laszlo Trocsanyi wegen potenzieller Interessenkonflikten von den Anhörungen auszuschließen.

Bei Plumb gibt es Ungereimtheiten wegen mehrerer Kredite. Trocsanyi steht wegen einer Anwaltskanzlei in der Kritik. Der EU-Abgeordnete Sven Giegold begrüßt die Entscheidung des Rechtsausschusses. "Europa kann sich keine Skandal-Kommissare leisten", so Giegold. Nur integre Persönlichkeiten ohne Interessenkonflikte könnten das Vertrauen in Europa stärken.

Den EU-Abgeordneten rät Maier, sich sehr gut vor den Anhörungen zu informieren und gründlich nachzufragen. Er fügt jedoch hinzu: "Es gibt auch die Möglichkeit, dass Anschuldigungen nicht zutreffend und nicht begründet sind." Auch die Unschuldsvermutung müsse gelten. Und dann zitiert Maier noch einen Satz aus dem Evangelium: "Die Wahrheit wird euch freimachen."

Von Franziska Broich (KNA)

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