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Zeit für Zeichen der Hoffnung

Die Fenster und Türen öffnen und ins Freie treten, das ist das Bild, das die Apostelgeschichte von Pfingsten zeichnet. In diesem Jahr legt sich noch ein weiteres Motiv dazu: Es ist Noah, der nach 40 Tagen Regen und weiteren 150 Tagen der abebbenden Flut das Fenster seiner Arche öffnet.

Beide Male haben Menschen sich eingeschlossen, um einer Gefahr zu entgehen. Sie haben gebangt und gehofft, waren nah der Verzweiflung, erschöpft und ermüdet ob der vielen Wochen und Monate, die sie nicht frei und unbeschwert ihr Leben leben und ihren Gott loben konnten. In Jerusalem machen die Jünger die Erfahrung von einem Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, der das ganze Haus erfüllte. Im Buch Genesis geht ein Ruck durch die Arche, als sie auf dem Berg Ararat aufsetzt. Noah öffnet das Fenster, streckt seinen Kopf hinaus und hält Ausschau nach Land. Einen Raben schickt er hinaus, dann eine Taube, doch die kehrt wieder zurück. Weitere sieben Tage muss er warten und Geduld aufbringen, ehe er die Taube noch einmal Mal hinauslässt. Seine Hoffnung und seine Sehnsucht gibt er ihr mit auf ihren Flug. Und er wird nicht enttäuscht. Am Abend kehrt sie zurück mit einem frischen Ölzweig im Schnabel. Da wusste er, dass das Wasser auf der Erde abgenommen hatte. Er wartete noch weitere sieben Tage und ließ die Taube hinaus. Nun kehrte sie nicht mehr zu ihm zurück.

Pfingsten 2021 steht unter dem Zeichen der geöffneten Fenster und Türen, unter dem Zeichen der Hoffnung. Unsere Sehnsucht ist groß, wieder von Neuem beginnen zu dürfen. Wir brauchen Geduld und Ausdauer und dieses Gottvertrauen, dass es wieder gut wird.

Im Kleinen Michel in Hamburg haben Menschen Ausschau gehalten nach Zeichen der Hoffnung und haben selber ein Zeichen gesetzt. Sie sind einer Einladung gefolgt, in der es hieß: „Zeit für Zeichen der Hoffnung“ – unter diesem Motto wollen wir in die nächsten Wochen gehen. Wir wissen, dass es für viele momentan alles andere als leicht ist, den Alltag zu meistern, dennoch wollen wir geduldig und irgendwie auch zuversichtlich bleiben.

Jede und jeder nimmt ganz persönlich kleine Hoffnungszeichen wahr, im eigenen Umfeld, in einem aufmunternden Gespräch, in einer unerwarteten Begegnung, bei einem Spaziergang, beim Blättern im Fotoalbum oder beim Hören von Musik, bei der einen oder anderen Überraschung, die ihm durch den Partner, die eignen Kinder oder die Eltern bereitet wird, beim Lesen in der Heiligen Schrift, beim Besuch eines Gottesdienstes, im persönlichen Gebet. Und wir sind es selber, die für andere zu kleinen Hoffnungszeichen werden, dass das Leben weitergeht. Die Freude, das Spiel und die Unbekümmertheit dürfen nicht gänzlich weichen.

Im Kleinen Michel wollen wir versuchen, so ein kleines Zeichen der Hoffnung zu setzen. Unserer Hoffnung wollen wir Flügel verleihen. Wir wollen wie Noah die Luke unserer Arche öffnen und nicht nur eine, sondern am besten 2021 Tauben aufsteigen lassen. Sie sollen erkunden, wo wieder sicheres Land in Sicht ist, wo wir ankern und mit Dankbarkeit hinaustreten dürfen ins Freie zusammen mit unseren Freunden, mit unseren Schwestern und Brüdern.

Neben den geöffneten Fenstern und Türen sind es dort die vielen Tauben, die am Pfingstfest ein Zeichen der Hoffnung setzen und erahnen lassen, dass es der Geist ist, der lebendig macht.

Autor:

Philipp Görtz SJ

Philipp Görtz SJ ist nach dem Theologiestudium und seiner Priesterweihe (2000) 2002 in den Jesuitenorden eingetreten und hat in Pastoralpsychologie promoviert. Er war in der Priesterausbildung und in der Kollegsseelsorge tätig sowie als Internatsleiter. Nach einer Tätigkeit als Jugendkaplan in Wien-Lainz ist er seit 2017 Pfarrer am Kleinen Michel (St. Ansgar und St. Bernhard) in Hamburg.

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