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Zuviel des Guten

Schon Ignatius musste am eigenen Leibe schmerzhaft erfahren, dass sein spirituelles Grundanliegen, mehr („magis“) mit Gott zu leben, nur allzu leicht missverstanden werden kann. Das Verlangen, mehr tun oder leisten zu müssen, kann die berühmte „Versuchung unter dem Schein des Guten“ sein. Wenn mir meine guten Absichten und Pläne dauerhaft den Schlaf und damit letztlich meine Gesundheit rauben, um sie schließlich umsetzen zu können, dann ist dies ganz sicher nicht im Sinne unseres Schöpfers. Ein Zuviel des Guten ist nämlich nie besser, sondern meistens schlecht. Und was mich permanent überlastet und über meine Kräfte geht, was mir die Motivation entzieht und die Freude an der Berufung raubt, das kann letztlich nicht dem Willen Gottes entsprechen. Die Kunst besteht darin, dies zu erkennen und den Versucher, der sich gerne als „Engel des Lichts“, als Luzifer, verkleidet, zu enttarnen.

Je mehr ich mich also verausgabe, desto mehr muss ich auf die nötige Balance zwischen Arbeit und Freizeit, Aktion und Kontemplation achtgeben. Je mehr zu tun ist, desto mehr ist das regelmäßige Abschalten (offline!) und eine gewisse Distanz notwendig und heilsam. Je länger die „to do“-Liste auf meinem Schreibtisch wird, desto wichtiger ist es, dass ich mir für die Unterscheidung Zeit nehme, was Priorität und was noch Zeit hat, was nebensächlich ist und worin eigentlich die Hauptsache besteht.

Dabei lauern jede Menge Fallstricke: Denn am „Zuviel“ kann man sogar Freude haben, als wenn der Dauerstress und die permanente Überlastung zum eigenen Selbstbild gehört. Vielleicht verbergen sich auch unbewusst andere Motivationen hinter meinem Verlangen, von diesem oder jenem „mehr“ tun zu müssen. Um Gefährdungen und Grenzen früh genug erkennen zu können, ist es ebenso wichtig, um die eigenen Schwachstellen zu wissen, wie auch die Energiereserven und Kraftquellen zu kennen. Es ist ja möglich, weniger Zeit zu arbeiten, ohne gleichzeitig Aufgaben vernachlässigen zu müssen, und Pausen einzulegen, ohne anschließend doppelt so viel tun zu müssen, oder Nein zu sagen, ohne Andere vor den Kopf zu stoßen. Das Sprechen über solche Fragen mit einem guten Begleiter ist immer hilfreich. Geistlich gesehen, hat es auch etwas mit meinem (Klein-)Glauben zu tun, wenn ich meine, alles selbst erledigen zu müssen und es mir schwerfällt, Dinge anderen anzuvertrauen. „Die aber, die dem Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft, sie bekommen Flügel wie Adler. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.“ (Jes 40,31)

Autor:

Martin Stark SJ

Martin Stark SJ ist als Theologe und Journalist 2002 in den Jesuitenorden eingetreten und wurde 2007 zum Priester geweiht. Von 2006 bis 2012 leitete er den Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) Deutschland. Nach seinem Tertiat in Manila/Philippinen war er von 2013 bis 2019 und von 2020 bis 2021 Socius des Provinzials der deutschen Jesuiten. Bis 2022 war er für Kommunikation & Fundraising zunächst für die Deutsche und später für die Zentraleuropäische Provinz der Jesuiten verantwortlich. Seitdem ist er Kirchenrektor von St. Michael in München und Oberer der dortigen Jesuitenkommunität.

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