Am Beginn meiner Entscheidung für ein Leben als Jesuit, steht für mich die biblische Szene, in der Johannes sich weigert, Jesus zu taufen. Seine Erwartung und Vorstellung, dass Jesus ihn taufen müsse, wird durchkreuzt. Es ist Jesus, der getauft werden will, auch wenn das für Johannes jenseits der Vorstellungskraft liegt. Bis heute klingen die entwaffnenden Worte Jesu nach: „Lass es einfach zu!“ (Mt 3, 15).
Nach dem Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Alimaus, einer Suppenküche unweit der berühmten Hamburger Reeperbahn, bin ich ins Priesterseminar nach Frankfurt/Main gezogen. Der fixen Idee, Priester könnte was für dich sein, wollte ich so eine Chance geben. Vier Jahre später, begegnet mir in Exerzitien dann dieser Jesus mit seinem „Lass es zu!“ – plötzlich wird mir klar, dass der Weg mit Gott nie ganz klar ist. Gott ist ein Gott der Überraschungen und er schenkt mir die Freiheit, mich auf seine Überraschungen einzulassen. Auch gegen meine Erwartungen und Vorstellungen, auch wenn es manchmal unbequem ist.
Acht Jahre später, nach Noviziat, einem Einsatz in der außerschulischen Jugendarbeit am Canisius-Kolleg in Berlin und einem theologischen Ausbaustudium am Centre Sèvres in Paris, stehe ich nun vor der Priesterweihe. Jesus und sein „Lass es zu!“ haben mich nicht losgelassen.
Pedro Arrupe SJ (1907-1991), 28. Generaloberer der Gesellschaft Jesu, sagt in einem Interview: „Oft beginnen wir den Herrn dort zu suchen, wo wir ihn gerne hätten, und nicht dort, wo er auf uns wartet.“ Darin steckt eine wichtige Dimension für mein Leben als Jesuit und als Priester: Diese Gegenwart in der Welt zu entdecken und diese Entdeckungen mit anderen Menschen zu teilen, gemeinsam den Blick dafür zu schärfen. In Begegnungen, in der Feier der Sakramente, in den eucharistischen Momenten und Ereignissen des Lebens, auch an Grenzen, dort wo die Kirche und das Evangelium nicht verwurzelt sind. „Das konkrete reale Leben ist der einzige Ort, wo wir Gott begegnen können, und deshalb ist es göttlich einzigartig, jung, frisch und reich, hoffnungsvoll und liebenswert“, schreibt der flämische Jesuit und Arbeiterpriester, Ägid van Broeckhoven SJ, am 26.4.1963 in sein Tagebuch.
„Lass es zu!“ als Vorzeichen bedeutet, mich auf dieses konkrete Leben einzulassen. Auf diesen Gott und seine Kirche, auf die Menschen und auf mich selbst.
„Lass es zu!“ – ein Wort, das mich in Freiheit und Weite führt, zum Gott, der immer größer ist und voller Überraschungen steckt. Diesem Gott, der mich herausfordert und herauslockt, will ich mich anvertrauen.
Du,
den ich nicht kenne,
dem ich doch zugehöre.
Du,
den ich nicht verstehe,
der dennoch mich weihte
meinem Geschick.
Du –
(Dag Hammarskjöld, 19. Juli 1961)