Die folgenden Vorträge griffen den Aspekt "Theater" auf.
Sie zeigten die vielfältigen Verknüpfungen von religiöser Unterweisung und Politik, konfessioneller Polemik und Herrscherlob.
Die Missionswissenschaftlerin Prof. Dr. Claudia von Collani (Universität Würzburg) sprach über "Fern und doch so nah. Japanische Helden auf Straubings Bühnen". Sie zeigte anschaulich die Verbindung zweier Welten anhand der Missionen auf der japanischen Insel Kyushu unter dem Shogunat der Tokugawa (ab 1603). Die Missionsarbeit litt in Japan unter dem "Futterneid" verschiedener christlicher Orden - ähnlich wie im Heiligen Römischen Reich. Daneben spielten wirtschaftliche und machtpolitische Auseinandersetzungen unter den Territorialfürsten eine wesentliche Rolle bei der problematischen Christianisierung. Das Theater der Jesuiten konnte jedoch hilfreich sein. Wie erhaltene Periochen zeigen, wurden die Stoffe immer selbständiger und variantenreicher aufgefächert.
Herzergreifende Geschichten aus der Christenverfolgung, für die Collani Beispiele lieferte, demonstrierten auf europäischen Bühnen Erfolge in der Missionsarbeit. In dem besonders blutrünstigen Drama "Pietas trium regum filiorum erga parentes suos in Japonia", das 1687 in Straubing aufgeführt wurde, wird z. B. eine Belohnung für die Aufdeckung eines Mordes ausgesetzt. Drei Brüder losen untereinander, wer sich schuldig bekennen soll, um das zum Überleben der Familie nötige Geld zu erhalten, und denunzieren den Verlierer, den jüngsten Bruder, als angeblichen Mörder. Der Richter erkennt den Schwindel, ist gerührt und schenkt dem Angeklagten die Freiheit. Solche Stoffe zielten auf eine dreifache Moral, wie Collani darlegte: die Bedeutung des Martyriums, die Pflicht zu kindlicher Dankbarkeit sowie den mangelnden Nutzen von Ketzerei. Diese Lehren waren auch im Straubinger Publikum wirksam.
Prof. Dr. Werner Drobesch (Universität Klagenfurt), Spezialist für innerösterreichische Geschichte in der Epoche der Gegenreformation, behandelte "Das Klagenfurter Jesuitentheater - eine Kulturinstitution im Dienste der pietas Austriaca". Er beschrieb die schwierige Anfangssituation der Societas Jesu in Kärnten, die in einer weitgehend reformierten Region zu wirken begann. Drobesch wies eindrucksvoll nach, wie das Theater - neben dem Gymnasium und der Universität - den politischen Interessen des Landesfürsten dienstbar gemacht werden konnte und der Landesfürst vice versa die Anliegen der Jesuiten zu den seinen machte. Hier galt, was der Tiroler Dichter Nikolaus Avancini SJ formulierte: "Was auf der Bühne dargestellt wird, ist voller Atem und Leben, was nur gelesen wird, ist Gerippe." Entsprechend diente das Theater der Verschmelzung kirchlicher Ziele und landesfürstlicher Politik. Legenden wie das ehrfürchtige Verhalten Rudolfs I. gegenüber einem Priester beim Versehgang exemplifizierten die "Pietas Austriaca" als wirkmächtige habsburgische Herrscherideologie, die von der Societas ausformuliert und unterstützt wurde.
Dr. Martina Egger (Innsbruck/Schwaz) gab im Rahmen ihrer Dissertationsvorbereitung einen Überblick über das Wirken der Societas Jesu in Tirol, vor allem im Bereich der Volksmissionen. Bildung und religiöse Unterweisung der Landbevölkerung waren vor der Ankunft der Jesuiten auf sehr geringem Niveau; so sprach ein Kurat von Tux im Zillertal von den "Wilden in Tirol". Die Topographie erschwerte alle katechetischen Maßnahmen in den entfernt liegenden Dörfern zusätzlich. Unterstützend wirkten hingegen die weit verbreiteten, teilweise älteren Bruderschaften; schon im 14. Jh. gab es in Brixen eine Heilig-Geist-Bruderschaft. Auf Initiative der Jesuiten wurden in Tirol allein zehn Franz-Xaver-Bruderschaften gegründet, und in Innsbruck existierte eine "Todesangst-Bruderschaft", die das Sterben erleichtern sollte.
Prof. Dr. Thomas Gärtner (Universität Osnabrück) präsentierte das bei der Gründungfeier der Osnabrücker Jesuitenuniversität aufgeführte Bibeldrama "Salomon redivivus" (1630). Die auf Grund des Schwedeneinfalls nur ein Jahr lang tätige Hochschule entfaltete bemerkenswerte propagandistische Aktivitäten zur Förderung der Gegenreformation, darunter Theateraufführungen. Gärtner, der sich in den letzten vier Jahren im Rahmen eines Forschungsprojekts mit der Osnabrücker Jesuitendichtung beschäftigt hat, stellte die aktuellen zeitgeschichtlichen Bezüge des Dramas heraus. Neben konfessioneller Polemik, die in den Chorliedern katholische Landesherren zu Heilsbringern und protestantische Theologen zu Ausgeburten der antiken Unterwelt stilisiert, ist die Idealisierung Salomons zum typologischen Vorgänger eines guten Landesherrn zentrales Anliegen: Der weise Salomon wird nicht nur durch den Tempelbau, sondern auch als eifriger Schüler, der von David geprüft wird, und als Gründer einer Schule szenisch charakterisiert.
P. Peter Leutenstorfer SJ (St. Blasien), der als Übersetzer und Regisseur von acht Theaterstücken der Gesellschaft Jesu hervorgetreten ist, führte die Japan-Thematik fort. Er beschrieb und kommentierte das wohl von Franz Keller SJ verfasste Drama "Ioannes Iapon" (Premiere Konstanz 1663). Obwohl der Stoff auf historischen Fakten basiert (die Nikolaus Trigault SJ 1612-1620 in seiner Geschichte der Japan-Mission publizierte), waren bestimmte Motive (ein sprechendes Haupt, der Apostat Michael, ein Blitze schleudernder Christus) dazu bestimmt, Affekte im Betrachter zu erregen. Die Moral war für jedermann einsehbar: Apostasie lohnt sich nicht. Leutenstorfer wies auf Parallelen in der zeitgenössischen Malerei hin, z. B. ein Altarbild in der tschechischen Marienwallfahrtskirche Svatý Hostýn, auf dem die Gottesmutter Blitze auf ein Türkenlager schleudert.