Jesuiten 2010-1

März 2010/1 Jesuiten 25 Im Schreiben eines Betroffenen stand zu lesen: „DieVorfälle,wie sie jetzt an die Öffentlichkeit gelangen,mussten damals unentdeckt bleiben, weil einem damals niemand geglaubt hätte.“ Wir sind – ich will es vorsichtig sagen – heute dabei,eine Kultur des Hinschauens und des Hinhörens zu entwickeln,wie sie vor 30 oder 40 Jahren vielerorts undenkbar war. Warum hat der Orden so lang geschwiegen? Und wie gehen Sie selber auf Menschen zu,die missbraucht wurden? Schweigen undWegschauen erfüllen mich mit Scham.Was hier menschliches Versagen von Leitungspersonen im Einzelfall war und was strukturell falsch lief,wird in einem weiteren Schritt zu klären sein.Fest steht:Wenn wir uns heute den Anliegen der Opfer öffnen wollen, kommen wir nicht umhin,unsere eigene Schuld einzugestehen und Täter, Mitwisser und Verantwortliche mit den Konsequenzen daraus zu konfrontieren. Die Opfer habe ich mehrfach im Namen des Ordens um Entschuldigung gebeten.Darüber hinaus sind wir ihnen zunächst einmal Aufklärung schuldig.Daran arbeiten wir derzeit konkret.Was darüber hinaus geht,kann ich jetzt noch nicht sagen.Wir müssen uns da auch unsere eigene Sprachlosigkeit eingestehen. Wie wird der Orden weiter verfahren,wenn es in den Medien ruhiger um diesesThema geworden ist? Die Auffassung,der Skandal sei von den Medien erzeugt,habe ich nie geteilt.Der Skandal ist der Missbrauch selbst.Die Medien haben vielmehr unser Angebot zu einer offenen und transparenten Kommunikation weitgehend positiv angenommen. In gewisser Weise, hoffe ich, dass das Sprechen jetzt auch dadurch möglich geworden ist,weil wir in den letzten Jahren das Gesicht der Schulen verändert und an einer Pädagogik gearbeitet haben, die derartigeTaten hoffentlich zukünftig erschwert und die sichtbar macht,dass wir zuhören wollen,wo Menschen an unserer Schule Unrecht und Leid geschieht.Viele Reaktionen von ehemaligen Schülerinnen und Schülern und von Eltern,die uns in diesenTagen Mut zusprechen,bestätigen mich in dieser Hoffnung. Dennoch werden wir zunächst einen wirklich umfassenden Überblick über das Geschehene schaffen müssen.Dann wird man die bestehendenVerfahren daraufhin überprüfen,ob sie geeignet sind,heute so schnell und effektiv wie möglich auf Verdachtsfälle einzugehen. Und wir werden nachdenken müssen,wie wir mit Blick auf die Zukunft noch stärker als bisher präventiv tätig werden können,etwa in der Ausbildung,Begleitung und Supervision,aber auch durch eine mögliche Benennung von Ombudspersonen vor Ort. Ich hoffe,dass uns diese Ereignisse bestärken auf einemWeg der Offenheit, Kritik zu hören, Not zu hören und nicht einfach alles mit Schweigen zu übergehen,was nicht in unser (Selbst-)Bild passt.■ Das Gespräch führte Thomas Busch Pater Provinzial Stefan Dartmann SJ im Gespräch mit Thomas Busch Foto: Klausmann

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