Jesuiten 2010-2

24 Jesuiten Aktuell Aktuell Mitten im Sturm Der Sturm,den die Enthüllungen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt an Schulen des Jesuitenordens ausgelöst haben,hält an. Am 27.Mai legte Ursula Raue,die Beauftragte des Ordens, ihren Bericht in München vor,der einen ersten,aber noch nicht abschließenden Überblick der bisherigen Untersuchungen enthält.Er ist im Internet einsehbar unter <www.jesuiten.org>. Am 25.März hatten sich in Bonn – Bad Godesberg die Rektoren,Schul- und Internatsleiter des Aloisiuskollegs, des Canisius-Kollegs und des Kollegs Sankt Blasien getroffen.Neben dem Informationsaustausch über die bisherigen Erfahrungen und Aktivitäten ging es vor allem um die Frage nach der Verantwortungskette,die die Opfer,aber auch dieVerantwortlichen heute bedrängt:Wie konnte es sein, dass schwerwiegende sexuelle und sadistische Missbräuche an Jesuitenschulen möglich waren, und dass die Täter immer wieder versetzt wurden?Wie war es möglich, manchmal geradezu offensichtliche Symptome von Übergriffigkeit und Gewalt zu übersehen? Weiterhin befassten sich dieVerantwortlichen mit Fragen der Prävention.Alle Kollegien arbeiten zur Zeit an einer Präventionskonzeption,um den Schutz der Jugendlichen an unseren Schulen und Internaten zu stärken. Eine wichtige Station auf demWeg der ordensinternen Aufarbeitung war das diesjährige Provinzsymposion in der Osterwoche inVierzehnheiligen. Drei Tage lang sprachen rund 170 Jesuiten in großem Ernst und schonungsloser Offenheit über Gewalt, Missbrauch von Vertrauen und die praktischen Konsequenzen für die Zukunft.Dabei ging es nicht darum,einzelne Sündenböcke ausfindig zu machen,sondern gemeinsam zu begreifen.Manche Mitbrüder sprachen von einer „kopernikanischenWende“ von der Institutionsperspektive zur Opferperspektive.Andere schilderten den für sie schmerzlichen Prozess des Lernens.Trauer, Zorn und auch das Gefühl der Überforderung kamen zur Sprache.Dem Symposion lag zudem ein offener Brief von Missbrauchsbetroffenen vor,der noch einmal drängend die Frage nach derVerantwortung stellte und zugleich die Fragen nach Hilfe und auch finanzieller Anerkennung des zugefügten Leides erhob. Am 23.April nahm Pater Dartmann alsVertreter der Ordensgemeinschaften am „RundenTisch“ teil,der auf Einladung der Bundesregierung in Berlin stattfand.Parallel dazu ist es inzwischen auf der Seite der Missbrauchsopfer zur Einrichtung von „Eckigen Tischen“ gekommen. In Bonn und Berlin wurden Vertreter des Ordens an diesen Tisch eingeladen.Auch Angehörige der Opfer waren als Gäste dabei.„Aufklärung, Hilfe und Genugtuung“ sind die drei Stichworte,unter denen die Erwartungen des „Eckigen Tisches“ an den Orden zusammengefasst sind. Dabei kommt seitens der Opfer am „Eckigen Tisch“ eine deutlich Skepsis gegenüber dem „Runden Tisch“ zum Ausdruck. Daraus ergibt sich die Erwartung,der Orden möge in diesen Fragen eigenverantwortlich und vor allem schneller entscheiden. Der Sturm hat sich nicht gelegt.Es lebt aber auch die Hoffnung,dass die Aufdeckung der Wahrheit uns hilft,neu und vertieft zu unserer Sendung zu finden,den Seelen zu helfen. Nicht alles,was war,war schlecht.Überhaupt nicht! Aber alles,was war,liegt unter einem dunklen Schatten,wenn wir uns nicht der schmerzlichen Seite derWahrheit stellen. Bitte helfen Sie uns mit Ihrem Gebet dabei.■ Klaus Mertes SJ

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