Jesuiten 2013-2

Europa auf dem Weg: Rabanal del Camino Europa ist auf dem Weg. Dies wird uns in den letzten Jahren sehr deutlich, angesichts der Euro- und Finanzkrise. In der gegenwärtigen geschichtlichen Etappe müssen Lösungen gefunden werden für die Finanzprobleme, die das europäische Projekt zu zerstören drohen. In der Konzentration auf die Herausforderungen dieser Wegstrecke vergessen wir aber allzu oft, dass „Europa“ mehr ist als der Euro und Finanzen. Europa ist nicht nur auf dem Weg, Europa selbst ist ein Weg. Welche Französin und welcher Deutsche hätte es etwa vor 70 Jahren nach den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges für möglich gehalten, dass Deutschland und Frankreich nicht nur friedlich nebeneinander koexistieren, sondern wirtschaftlich und politisch auf’s Engste kooperieren? Erfahrungen aus Städtepartnerschaften und Schüleraustausch, aus dem Erasmus-Programm oder Urlauben haben den Weg für eine derartig erstaunliche – und geschichtlich gesehen wohl einmalige – Entwicklung geebnet. Europa steht für einen Weg der Versöhnung und Friedenssicherung. Diese Tatsache hat im letzten Jahr durch die Verleihung des Friedensnobelpreises Anerkennung erfahren. Diese europäische Gründungsidee kann jedoch nicht durch eine nostalgische Erinnerung am Leben erhalten werden. Wo kann man heute konkret erfahren, was „Europa“ über eine gemeinsame Währung hinaus bedeutet? Was „Europa“ ist, lässt sich für mich am besten auf dem Weg, dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela und einem Ort auf diesem Weg, Rabanal del Camino, veranschaulichen. Auf dem Weg nach Santiago begegnet man Engländern, Belgierinnen, Franzosen, Polinnen, Italienern und natürlich auch vielen Spanierinnen. Täglich formiert sich auf dem Weg und in den jeweiligen Pilgerunterkünften ein neues kleines Europa. Ein Europa, das sich geeint weiß durch ein gemeinsames Ziel. Der Weg auf dieses Ziel hin „schweißt“ – in mehrfacher Hinsicht – zusammen. Blasen, Erschöpfung, Sonnenbrand und Hunger sind international und relativieren sprachliche und kulturelle Unterschiede. Auf diesem Weg nun liegt Rabanal. Nahe León befindet sich hier eine kleine Niederlassung der Missionsbenediktiner aus St. Ottilien, die Pilger in ihrem Klostergebäude und einem nahe gelegenen Gäste- und Exerzitienhaus aufnehmen. Als ich mich dort im Januar 2007 mit vier Spaniern, einem Ecuadorianer und einem US-Amerikaner auf die Diakonweihe vorbereitete, war es eisig kalt. Doch selbst in dieser Zeit waren Pilger unterwegs. Im Frühjahr und Sommer ist es dann ein nicht versiegender Strom von Menschen unterschiedlichster Herkunft, Sprachen, Kulturen und wahrscheinlich auch Motivationen. Zusammen mit jesuitischen Helfern kümmern sich die Benediktiner dann um die Pilger. Jeden Abend wird gemeinsam Messe in der Dorfkirche gefeiert, und wer will, kann an den benediktinischen Gebetszeiten teilnehmen. Es ist schon spannend, dass hier 8 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2013 n Europa! © Fulcanelli

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