Jesuiten 2016-1

Von der Frage zur Antwort Ein Blick auf den Gesetzeslehrer: „Ein Gesetzeslehrer stand auf. Er sagte, um ihn zu versuchen: Lehrer was habe ich zu tun um unendliches Leben zu erben?“ Lk 10,25 Dem Gesetzeslehrer bin ich dankbar: Er hat Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter entlockt. Und er liefert uns in der Seelsorge Tätigen zusammen mit dem begnadeten geistlichen Begleiter Jesus die Modelleinheit eines Gesprächsführungskurses. Ob die Absicht des Gesetzeslehrers geradlinig ist oder nicht – Jesus geht wertschätzend auf ihn und seine Frage ein: „Wie komme ich zu ewigem Leben?“ Jesus erliegt nicht der Versuchung, einen schnellen Rat zu geben. Mit einer Rückfrage (ganz ignatianisch) holt er sein Gegenüber da ab, wo es sich auskennt – in der Thora: „Wie liest du?“ In der Antwort der Gottes- und Nächstenliebe bestärkt Jesus ihn. Von dieser gemeinsamen, ressourcenhaltigen Überzeugung aus führt er weiter: Es geht nicht nur ums Lesen, sondern ums Leben! Der Gesetzeslehrer bleibt mit seiner nächsten Frage auf der theoretischen Ebene: „Wer ist mein Nächster?“ Jesus lässt ihn die Antwort selbst finden, statt sie mundgerecht zu geben. Was jemand in der Tiefe selbst erkannt und gefunden hat, hält länger – auch ihn selbst. Zunächst holt Jesus sein Gegenüber vom Kopf herunter und führt ihn mit einer Erzählung ins wirkliche Leben mit Haut und Herz. In einer Gegenfrage formuliert er dann die Frage des Gesprächspartners um und verändert dessen Perspektive: „Wem werde ich Nächster – als Helfender?“ Dem Gesetzeslehrer ist die Haltung der getanen Barmherzigkeit in den Blick gekommen. Er sieht nach dem Gespräch mehr, als er erfragt hat. Vielleicht sieht er jetzt auch hin ... Claudia Valk Vom Bild zum Erleben Durch diese Ausgabe begleitet uns ein Bild von Vincent van Gogh. Er versucht auf seine Weise, dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter nahe zu kommen. Er bietet dem Betrachter die Möglichkeit den dargestellten Personen zu begegnen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen: „Was hat dich dazu bewegt? Wie fühlt sich das jetzt an?“ Das Bild möchte noch einen Schritt weiter gehen. Es kann keine Antwort ohne persönliche Suche geben. Es wäre zu platt, wenn es nicht in die Tiefe des eigenen Lebensentwurfes führen würde. Die Frage steht im Raum: „Und wo stehst du? Wie triffst du auf die Menschen Tag für Tag auf den Pfaden, die du zurücklegst? Begegnest du ihnen? Kennst du ihr Gesicht? Kommen sie dir nahe und werden zum Nächsten?“ Van Goghs Bild kann die Augen öffnen und auch das Herz. Denn es geht im Gleichnis um die große und entscheidende Sache des Lebens, die Liebe. Claus Pfuff SJ 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2016

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