Jesuiten 2017-2

8 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2017 n JOSEF Sind Träume Schäume? Während er noch darüber nachdachte, erschien ein Engel des Herrn im Traum (Mt 1,20) Ich träume selten. Ich neige auch nicht dazu, Träumen eine allzu große Bedeutung zu geben. Kürzlich träumte ich von einem ehemaligen Mitschüler, den ich seit 35 Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich hatte auch nicht mehr oder nur selten an ihn gedacht. In dem Traum überraschte er mich mit einer Nähe, die uns vor langen Jahren zeitweilig zu Freunden gemacht hatte. Ich vergaß den Traum und setzte mich am nächsten Tag an meine EMailBox. Da sprang mir eine Mail seines jüngeren Bruders in die Augen. Er teilte mir mit, dass sein Bruder vor einigen Tagen gestorben sei; sein Bruder habe immer wieder gelegentlich meinen Namen erwähnt; deswegen sollte ich das wissen. Ich war sehr überrascht und hatte das sichere Gefühl, hier den Fall eines Traumes zu haben, der nicht nur Schaum ist, sondern mich an einem tatsächlichen Ereignis außerhalb des Innenraums meiner Psyche teilhaben lässt. So öffne ich mich für den Gedanken, dass Träume tatsächlich auch Hinweise enthalten können, Botschaften, über deren Subjekt ich nichts Definitives sagen will, die aber einen ähnlichen Charakter wie biblische Träume haben: Josef wird in einem Traum gewarnt. Ich wurde auch einmal in einem Traum gewarnt. Die Ortskirche hatte beschlossen, eine große Auftaktversammlung für die Adveniat-Sammlung des Jahres zu veranstalten und dazu alle Schülerinnen und Schüler an katholischen Schulen zu einer Auftaktveranstaltung an einem Schultag vormittags einzuladen. Ich war von dem Sinn der Veranstaltung vollkommen überzeugt und fand es eine tolle Idee, mit allen Schülerinnen und Schülern zu dieser Auftaktveranstaltung zu gehen. Entsprechend informierte ich auch das Kollegium und die Elternschaft. Nach einigen Tagen kamen die ersten Fragen: Müssen wir dahin gehen? fragten die Schüler. Die Lehrer und Lehrerinnen fragten mich Ähnliches: Was sollen wir den Schülern antworten, wenn sie uns fragen, ob wir dahin gehen müssen? Ich hatte das Gefühl, dass die Lehrer selbst ihrerseits die Frage nicht nur für die Schüler stellten, sondern auch für sich selbst. Ich war irritiert und verärgert, weil ich dachte, es sei eine Selbstverständlichkeit, an dieser sinnvollen Veranstaltung teilzunehmen. Nachts hatte ich einen Traum. Da ich von 1963-1966 in der Sowjetunion lebte, kannte ich die großen Umzüge zum Festtag der Oktoberrevolution und zum 1. Mai, in denen Schulklassen am KutusowskijProspekt entlang bis zum Roten Platz gingen und Fähnchen schwangen. Im Traum erschienen mir nun die Schülerinnen und Schüler „meiner“ Schule mit Fähnchen des Kollegs und von Adveniat, und ich sah

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