Jesuiten 2017-3

8 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Auf Gott gepolt – ganz schön verrückt Es gibt Entdeckungen im Leben eines Menschen, die alles verändern. Auch im Leben Abrahams gab es einen solch einschneidenden Moment. Es war nicht der, in dem er zum ersten Mal einen Anruf Gottes verspürte. Nein, mit diesem Gottesimpuls änderte sich zunächst gar nichts. Den musste er erst an sich herankommen lassen. Aber dann, als Abraham sich entschloss, diesem Anruf, ja diesem Gott zu trauen, da änderte sich alles. Mit dieser Entscheidung hatte er die Kompassnadel seines Lebens auf Gott eingestellt. Diese Entscheidung hat Folgen: Abraham zieht weg aus seinem Vaterhaus, er wandert herum, immer horchend auf die Zeichen Gottes, und er ist sogar bereit, seinen einzigen Sohn zu opfern, wenn das Gottes Wille sein sollte. Sein Leben bekommt eine ganz andere Richtung, nachdem er sich auf Gott eingelassen hat. Was also passiert in diesem Moment, in dem ein Mensch seine Kompassnadel auf Gott einstellt? Die Veränderung, die er bewirkt, ist elementar: Der Mensch hat einen verlässlichen Pol gefunden, nach dem sich sein Leben immer wieder neu ausrichtet. Von nun an ist der Mensch weder selbst der Pol, an dem sich alles orientiert, noch muss er sich ständig einen neuen Pol suchen, weil der alte nicht mehr taugt. Im ersten Fall wäre der Pol ja immer dort, wo ich selbst bin. Wie sollte ich da Orientierung auf ein Ziel hin finden? Es gibt kein Gegenüber. Im zweiten Fall verlagern sich die Pole, je nachdem, woran man sich gerade ausrichtet: im jugendlichen Mut an der Clique, in der Karrierephase an Erfolg und Geld, nach dem Karriereknick am Widerstand gegen das Establishment. Im ersten wie im zweiten Fall wählt der Mensch letztlich das, was ihm gerade gefällt. Ganz anders, wenn jemand sein Leben auf Gott ausrichtet. Dann lässt er sich auf einen Pol ein, der wirklich einen Gegenpol zum eigenen Sein bildet, auf einen Pol, der zur Unterscheidung aufruft. Jedes Tun, jede Entscheidung, die der Mensch fällt, muss nicht nur vor ihm selbst bestehen, sondern auch vor Gott. Die entscheidenden Fragen lauten dann: Was führt mich zu Gott, was will mich von ihm trennen? Was will ich selbst und was will Gott? Was verhilft mehr zum Leben in Fülle, mir und dem Nächsten, und was engt ein und tötet? Diese Fragen wiegen schwer. Durch Gott ist der Mensch der eigenen Beliebigkeit entzogen. Er ist herausgefordert, Verantwortung zu übernehmen vor dem, der größer ist als er selbst. Ganz schön verrückt. Cosima Kiesner CJ Gott– ein Pol, der zur Unterscheidung aufruft © jock+scott/photocase.com

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