Jesuiten 2017-3

Polarisiert 2017/3 ISSN 1613-3889 Jesuiten

© jock+scott/ photocase.com Ausgabe September/2017 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Wie dialogfähig ist unsere Gesellschaft? 4 Visionen und Tunnelblick in der Flüchtlingsfrage 5 Polarisierungen in Ungarn 6 Die Identitätsfalle 8 Auf Gott gepolt – ganz schön verrückt 10 Bei sich sein 12 Einander retten 13 Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen 14 Ignatius, der Kardinalshut und die Kirchenpolitik 16 Nur unter Spannung fliegt der Pfeil 18 Gräben überbrücken 20 Wir kommen, wohin wir schauen Geistlicher Impuls 22 Geistlich kämpfen Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien / DVD 29 Ai-un Vorgestellt 30 Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom 33 Autoren dieser Ausgabe Die besondere Bitte 34 Den Geist der Unterscheidung wachhalten 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Polarisierungen scheinen zuzunehmen – weltweit, in Europa, aber auch innerhalb vieler Länder. Die Anzeichen sind unschwer zu erkennen: Entgegengesetzte Sichtweisen prallen aufeinander, Emotionen kochen hoch, Debatten werden hitzig, nicht selten hört man Ideologievorwürfe von beiden Seiten. Schnell ist man an einem Punkt, an dem man scheinbar nur noch die beiden extremen Pole und den trennenden Graben dazwischen sehen kann. Wer mit der Situation unzufrieden ist, scheint lediglich die Wahl zu haben, das Unvereinbare künstlich zu harmonisieren („Wollen wir letztlich nicht alle das Gleiche?“) oder auf den eigenen Standpunkt ängstlich zu verzichten. Die Grundthese in dieser Ausgabe der JESUITEN ist eine andere: Wir glauben, dass polarisierte Situationen zum Leben gehören und grundsätzlich fruchtbar gemacht werden können. Sie können uns lehren, die Wirklichkeit auf neue und tiefere Weise wahrzunehmen, auch wenn solche Prozesse oft schmerzhaft sind; und sie haben auch das Potenzial, inhaltlich voranzubringen. Deshalb liegt der Schwerpunkt im ersten Teil auf dem Sehen: Wir haben die Autoren gefragt, wo sie Polarisierungen wahrnehmen und welche Fragen sich ihnen von dieser Wahrnehmung her stellen. Im zweiten Teil geht es um spirituelle Grundhaltungen, die helfen können, Spannungen und Polarisierungen anzunehmen und fruchtbar zu machen. Gerade die ignatianische Spiritualität lebt von einer Dynamik, die sich aus Spannungsfeldern ergibt. Die Bildmotive greifen diesen Gedanken auf: Die von Berliner Künstlern unter dem Namen jock+scott veröffentlichten Fotos entstanden durch die Technik der Doppelbelichtung, bei der zwei Fotografien übereinander gelegt werden. So konstruieren bekannte Formen überraschende visuelle Zusammenhänge. Gegensätze kommen zusammen – und bilden Neues. Es ist, als lägen in ein und demselben Bild mehrere Blickwinkel vor. Und im Blick auf diese Multiperspektivität wird einem plötzlich bewusst, dass man selbst eine Perspektive hat, aus der man nur bedingt heraustreten kann – so dass sich mindestens zwei Fragen stellen: Was zeigt das Bild eigentlich? Und wo stehe ich selbst? Wir wünschen Ihnen in diesem Sinne eine anregende Lektüre! Stefan Hofmann SJ Fabian Moos SJ Patrick Zoll SJ 1 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Wie dialogfähig ist unsere Gesellschaft? Pegida und die Herausforderung des Rechtspopulismus Gesellschaft und Medien scheinen sich einig zu sein: Pegida ist ein lokales Phänomen – menschenverachtend, religions- und fremdenfeindlich. Es handelt sich um eine Gruppe, „die die Uhren im modernen Deutschland stoppen will“. Man höre „Parolen, die an die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte erinnern“, weil „der Wutbürger fürchtet, sein Land zu verlieren“. Die wissenschaftlichen Institute und Kultureinrichtungen Dresdens fürchten um den Ruf ihrer Stadt. Schon wer mit Pegida den Dialog sucht, wertet den Rechtsextremismus auf. Aber wie ist es zu verstehen, dass 25.000 Menschen auf die Straße gingen und den „Rattenfängern“ folgten? Pegida fand ihren Anfang nicht in der Asyldebatte, sondern war eine Reaktion auf Solidaritätskundgebungen für die in Deutschland verbotene PKK. Die zeitgleich stattfindende Asyldebatte führte allerdings dazu, dass die montäglich seit Mitte Oktober 2014 organisierten Spaziergänge in der Dresdner Bevölkerung schnell Resonanz fanden. Die Teilnehmerzahl wuchs in wenigen Wochen auf mehr als 25.000 an. Gegenwärtig ist eine Gruppe von ca. 2.500 Demonstranten übriggeblieben, die sich immer noch regelmäßig trifft, sich aber zunehmend radikalisiert hat. Als Moderator der „AG 13. Februar“, einer Arbeitsgemeinschaft der Stadt, die versucht, mit der Organisation einer Menschenkette dem rechtsextremistischen Missbrauch des Datums der Zerstörung der Stadt 1945 zu begegnen, hatte ich Pegida von Beginn an registriert. In der Sitzung am 13. November 2014 informierte die Oberbürgermeisterin über eine angemeldete Demonstration der „Besorgten Eltern“, einem Bündnis gegen liberalen Sexualkundeunterricht. Reden würde der Rechtspopulist Jürgen Elsässer. Außerdem wurde über Pegida berichtet, die noch relativ unbedeutend drei Spaziergänge abgehalten hatte. Gegen die „Besorgten Eltern“ wollten die anwesenden Vertreter von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen etwas unternehmen. So gab es am 15. November dann zwei Veranstaltungen, die schnell zu einer großen vor der Bühne der „Besorgten Eltern“ zusammenflossen. Elsässer begrüßte alle Anwesenden mit dem Satz: „Schön, dass Sie in Dresden wieder die Montagsde- 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Wir müssen miteinander reden, wir haben ein Problem!

monstrationen installiert haben!“ Danach schaukelte sich das Demonstrationsgeschehen schnell auf. Am 15. Dezember kamen mehr als 15.000 zu Pegida. Die Hoffnung, dass aufgrund der Weihnachtszeit und der Witterung die Demonstrationen versiegen würden, wurde nicht erfüllt. In dieser Situation beschloss ich, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. An drei aufeinanderfolgenden Abenden lud ich zu Veranstaltungen ein. Erwartet wurden zwischen 50 und 150 Teilnehmern. Es kamen jeweils mehr als 500. Das für mich Erstaunlichste war, dass im Publikum jene waren, die ich seit mehr als 30 Jahren aus den Kultureinrichtungen der Stadt kenne. Ein Drittel bekannte sich dazu, dass sie zu Pegida gingen, und die jüngeren Leute dazu, dass sie dagegen waren. Nachträglich bin ich gefragt worden, ob wir Polizeischutz erhalten hätten. Im Gegenteil, die Veranstaltungen verliefen äußerst friedlich, es wurde lange diskutiert und im Anschluss kamen jeweils 60 bis 70 Personen zu mir mit der Aufforderung: „Wir müssen miteinander reden, wir haben ein Problem!“ Eine Gesellschaft, die ihre Dialogfähigkeit verliert, verliert ihre Demokratiefähigkeit. Wir haben doch schon größere Spannungen ausgehalten, warum irritieren uns jene so stark? Liegt es daran, dass unsere Narrativ der offenen, kulturell indifferenten, pluralen, sexuell und religiös beliebigen Gesellschaft infrage gestellt wird? Joachim Klose 3 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT © jock+scott/photocase.com

4 Visionen und Tunnelblick in der Flüchtlingsfrage Wie blickt man heute auf den Herbst 2015, als so viele Menschen Zuflucht in Deutschland suchten und fanden? Ich denke bis heute, dass den Deutschen nichts Besseres hätte passieren können. Viel im Herzen verborgene Empathie wurde zur Tat. Mit Jesu Worten ausgedrückt: Viele konnten sich Schätze im Himmelreich sammeln. Es war schön zu sehen, wie die letzten 23 Jahre Frieden nach den Balkanflüchtlingen das Land noch großherziger gemacht haben. Merkels „Wir schaffen das“ war tatsächlich Ausdruck einer beinahe kollektiven Stimmung. Da fühlte sich mancher weitblickende Zeitgenosse, nur weil er dabei nicht mitmachen konnte, überhört. Etwa der Soziologe Hans Joas, der sich zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt sah. Vielleicht gab es im Herbst 2015 tatsächlich zu viel Konformismus in der politischen Kultur. Vielleicht hätte sich Deutschland auch besser mit seinen Nachbarn abstimmen sollen. Zwei Jahre später ist die Willkommenseuphorie weitgehend verflogen. Wir haben nun eine ganz andere Verengung des Spektrums zulässiger Meinungen. Der Mainstream schaut nicht mehr so genau hin auf die Flüchtlingsfrage. Er geht darüber hinweg, dass EU-Mitgliedsländer ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Er forscht nicht nach, was in Italien mit abgeschobenen Flüchtlingen passiert, geschweige denn in Griechenland oder der Türkei. Er hat sich an die Todesmeldungen im Mittelmeer gewöhnt. Er verweigert vor der Wahl die Bundestagsdebatte, ob anerkannte Geflüchtete möglichst schnell ihre Familien nachholen dürfen. Die Hilfsbereitschaft im Land ist geblieben, sechs Millionen Menschen aller Altersstufen engagieren sich weiterhin für Flüchtlinge. Doch sind sie in den Medien weit weniger präsent. Sie haben keine starke politische Stimme mehr. Das hat den Vorteil, dass man ihre Stimme nicht mehr monopolisieren kann. Es hat den Nachteil, dass kaum mehr nach großen politischen Lösungen gegriffen wird. Man hat genug Sorge, dass diese eine afghanische Familie, die man persönlich kennt, nicht unter die Räuber fällt. Was, wenn ich damit nicht zufrieden bin? Der Freund des barmherzigen Samariters ist der Prophet, der ein Zeichen setzt, dass Gott das Ruder übernimmt, und der die Schönheit des Samaritertums strahlen macht. Ich suche und erwarte ein weiteres öffentliches Zeichen, wie es im Herbst 2015 zu sehen war. Matthias Rugel SJ SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Polarisierungen in Ungarn Die ungarische Gesellschaft ist in mehrfacher Hinsicht stark polarisiert. Es gibt keinen nennenswerten Dialog zwischen Regierung und Opposition. Zwar ist die Opposition zahlenmäßig klein, dafür ist sie dank der Medien lautstark auf nationaler und internationaler Ebene präsent. Sie ist jedoch gleichzeitig zutiefst gespalten. Die jetzige Regierung repräsentiert seit 2010 unverändert die Mehrheit, und es gibt keine echte Alternative zu ihr. Der Großteil der Bevölkerung hält die Berichterstattung der internationalen Medien über Ungarn für einseitig, voreingenommen und unglaubwürdig. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass die ungarische Provinz der Jesuiten versucht, ein Zeichen der Einheit zu sein. Sie konzentriert sich in ihrer Kommunikation auf die grundlegenden gesellschaftlichen Werte und bemüht sich, verschiedene Experten im Dienste des Gemeinwohls an einen Tisch zu laden. Als ihre besondere Aufgabe betrachtet sie die Förderung einer respektvollen DialogKultur. Anfang 2017 wurde darum eigens das „Institut der Gesellschaftlichen Reflexion“ gegründet. Erst kürzlich hat das Institut ein Dokument veröffentlicht, in dem sich 28 Autoren zu den gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen in Ungarn äußern. Im Herbst organisiert das Institut in Budapest drei größere Konferenzen über dieses Thema. In der Frage der Migranten und Flüchtlinge gibt es auch eine starke Polarisierung. Die Politik der kontrollierten Einwanderung, die in vielen Ländern als natürlich gilt, wird auch von der Mehrheit in Ungarn akzeptiert. Die Gegner dieser Politik sind eher diejenigen, die in der Tagespolitik ihre eigenen Parteiinteressen verfolgen: Für sie sind die Migranten und Flüchtlinge eher Mittel zum Zweck im politischen Spiel. Die wahre Frage ist, wie diese schwierige Situation auf menschenwürdige Weise gehandhabt werden kann. Der ungarische Jesuiten-Flüchtlingsdienst wurde 2015 gegründet. Er kümmert sich um Flüchtlinge, die in Ungarn bleiben wollen, deren Papiere in Ordnung sind und die tatsächlich auf Hilfe angewiesen sind. Des Weiteren arbeitet er mit den deutschen Jesuiten und deren Projekten zusammen. Seine Aufgabe in Bezug auf die ungarische Bevölkerung ist es, die christliche Antwort in der Flüchtlingsfrage konsequent zu vertreten. Das steht im Zusammenhang mit der stark gespaltenen Meinung über den Papst. Viele Katholiken sind unwillig, Franziskus in der Migrationsfrage zu folgen. Die ungarische Provinz sieht da eine „Sendung”, zum Wohle der Einheit der Kirche zu arbeiten. Szabolcs Sajgó SJ 5 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Die Identitätsfalle Ich kann gleichzeitig Halb-Inder, deutscher Staatsbürger, Einwohner von Amsterdam, Christ, Jesuit, Priester, Philosophiestudent, Freund von guter Rockmusik und Liebhaber griechischer Kochkunst sein. So oder ähnlich kann ich mich beschreiben, wenn ich dem Ansatz des indischen Ökonomen Amartya Sen folge, der Identität als plural begreift. In seinem Buch „Die Identitätsfalle“ beschreibt er auf sehr persönliche Weise, wie uns unsere Identitäten prägen. Dabei können verschiedene Aspekte je nach Situation und Kontext mal mehr, mal weniger wichtig sein. Wenn ich eine Messe feiere, ist es den mitfeiernden Christen vermutlich weniger wichtig, wie meine CD-Sammlung aussieht. Und wenn ich beim Griechen eine Pizza esse, werde ich wohl nur selten mit dem Kellner über die Philosophie Wittgensteins ins Gespräch kommen. Amartya Sen glaubt dabei an die Freiheit der eigenen Entscheidung: Ich muss selbst wählen, wann ich welchem Aspekt meiner Identität den Vortritt gebe. Der kleine Amartya ist gerade einmal elf Jahre alt, als er erlebt, dass Identität auch tödlich sein kann. Ein Muslim, mit Namen Kader Mia, ist gerade auf dem Weg zur Arbeit, als er von Hindu-Extremisten angegriffen und lebensgefährlich verletzt wird. Er sucht im Garten der Sen-Familie nach Hilfe, die ihn schnellstmöglich ins Krankenhaus bringt. Doch wenig später erliegt er seinen Verletzungen. Auch Kader Mia hatte eine plurale Identität: Doch an diesem Tag wurde er von seinen Peinigern auf seine religiöse Identität reduziert und somit zum Feind. So kann Gewalt entstehen. Auch in den Niederlanden habe ich erlebt, wie Populismus Menschen auf einen Aspekt ihrer Identität verkürzt. „Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?“ fragt Geerd Wilders seine Zuhörer, die zurückrufen: „Weniger!“ In diesem Moment vergisst das aufgestachelte Publikum, dass Marokkaner auch Familienmütter und Familienväter, Musiker und Tänzer, Kassierer im Supermarkt und Rechtsanwälte sind. Populismus polarisiert und macht sich dabei sehr oft die „Identitätsfalle“ zunutze, über die Amartya Sen schreibt. Auch mir kann es manchmal so ergehen, wenn ich als Jesuit in einer säkularisierten Umgebung an meiner Promotion schreibe. Dann bin ich sehr schnell „der Jesuit“ oder „der Katholik“ – werde also auf einen Aspekt meiner Identität reduziert. In meinem Fall führt das zum Glück nicht zu Diskrimination, sondern in der Regel zu Neugier und Dialog – was mich sehr freut. Gewalt entsteht aber dann schnell, wenn die Person, die auf einen bestimmten Aspekt ihrer Identität reduziert wird, sich darauf versteift und radikalisiert. Dann gibt es keine Neugier mehr untereinander – und Dialog wird unmöglich. Es existieren nur noch Fronten. 6 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Eventuell ist auch Sens Begriff einer pluralen Identität noch nicht komplex genug. Nicht immer haben wir die Wahl, wer wir sein wollen oder welchem Aspekt unserer Identität wir Vortritt geben möchten. Und sicherlich ist mir mein Christsein auch wichtiger als meine Vorliebe für griechisches Essen – nicht nur in der Sonntagsmesse, sondern im Allgemeinen. Aber in einem hat der Nobelpreisträger Recht: Wenn wir wieder die Vielfalt in unseren Mitmenschen sehen lernen, entdecken wir eventuell auch Gemeinsamkeiten. Und wenn wir uns dieser Gemeinsamkeiten bewusst bleiben, sind wir weniger anfällig für populistische Rhetorik à la Geerd Wilders. Das ist noch keine Garantie für ein friedliches Zusammenleben, aber ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung! Matthias Kramm SJ © jock+scott/photocase.com

8 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Auf Gott gepolt – ganz schön verrückt Es gibt Entdeckungen im Leben eines Menschen, die alles verändern. Auch im Leben Abrahams gab es einen solch einschneidenden Moment. Es war nicht der, in dem er zum ersten Mal einen Anruf Gottes verspürte. Nein, mit diesem Gottesimpuls änderte sich zunächst gar nichts. Den musste er erst an sich herankommen lassen. Aber dann, als Abraham sich entschloss, diesem Anruf, ja diesem Gott zu trauen, da änderte sich alles. Mit dieser Entscheidung hatte er die Kompassnadel seines Lebens auf Gott eingestellt. Diese Entscheidung hat Folgen: Abraham zieht weg aus seinem Vaterhaus, er wandert herum, immer horchend auf die Zeichen Gottes, und er ist sogar bereit, seinen einzigen Sohn zu opfern, wenn das Gottes Wille sein sollte. Sein Leben bekommt eine ganz andere Richtung, nachdem er sich auf Gott eingelassen hat. Was also passiert in diesem Moment, in dem ein Mensch seine Kompassnadel auf Gott einstellt? Die Veränderung, die er bewirkt, ist elementar: Der Mensch hat einen verlässlichen Pol gefunden, nach dem sich sein Leben immer wieder neu ausrichtet. Von nun an ist der Mensch weder selbst der Pol, an dem sich alles orientiert, noch muss er sich ständig einen neuen Pol suchen, weil der alte nicht mehr taugt. Im ersten Fall wäre der Pol ja immer dort, wo ich selbst bin. Wie sollte ich da Orientierung auf ein Ziel hin finden? Es gibt kein Gegenüber. Im zweiten Fall verlagern sich die Pole, je nachdem, woran man sich gerade ausrichtet: im jugendlichen Mut an der Clique, in der Karrierephase an Erfolg und Geld, nach dem Karriereknick am Widerstand gegen das Establishment. Im ersten wie im zweiten Fall wählt der Mensch letztlich das, was ihm gerade gefällt. Ganz anders, wenn jemand sein Leben auf Gott ausrichtet. Dann lässt er sich auf einen Pol ein, der wirklich einen Gegenpol zum eigenen Sein bildet, auf einen Pol, der zur Unterscheidung aufruft. Jedes Tun, jede Entscheidung, die der Mensch fällt, muss nicht nur vor ihm selbst bestehen, sondern auch vor Gott. Die entscheidenden Fragen lauten dann: Was führt mich zu Gott, was will mich von ihm trennen? Was will ich selbst und was will Gott? Was verhilft mehr zum Leben in Fülle, mir und dem Nächsten, und was engt ein und tötet? Diese Fragen wiegen schwer. Durch Gott ist der Mensch der eigenen Beliebigkeit entzogen. Er ist herausgefordert, Verantwortung zu übernehmen vor dem, der größer ist als er selbst. Ganz schön verrückt. Cosima Kiesner CJ Gott– ein Pol, der zur Unterscheidung aufruft © jock+scott/photocase.com

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Bei sich sein Von wegen „bei sich sein“: Die Exerzitien fördern Exzentriker. Aber nicht im Sinne inszenierter Verhaltensauffälligkeit und gewollter Originalität, sondern im Wortsinn: Die Exerzitien leiten dazu an, außer sich zu sein, ja, geradezu vermessen die Welt mit dem Blick Gottes anzuschauen. Der Jesuit soll also alles andere als „bei sich“ sein. Und doch erlebe ich in meinem Bemühen um eine Verständigung zwischen Christen und Muslimen, wie wichtig es ist, sich auf sich selbst zu besinnen und bei sich zu bleiben, und dies in zweifacher Hinsicht. Da ist erstens die Empörung, die so viele Diskussionen prägt. Die Empörung ist außer sich, beim skandalösen Geschehen und bei den Bildern, die nicht aus dem Kopf gehen – deren Verursacher oftmals genau diese Empörung mit eingeplant haben. Nicht, dass einer gefühllosen Abgeklärtheit das Wort geredet werden soll. Empörung kann auch ein Ausdruck des Mitgefühls sein. Sie kann emotionalen Druck aufbauen und zur Durchsetzung konkreter politischer Ziele helfen: Der tunesische Diktator Ben Ali wäre ohne die Empörung über die verzweifelte Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi nicht gestürzt worden. Doch Stéphane Hessels Plädoyer „Empört Euch!“ ist zumindest zweischneidig: Denn Empörung will keine Diskussion, sondern Zustimmung. Sie will keine andere Sicht auf die Dinge, sondern Berücksichtigung der eigenen. Sie will Einigkeit – oder eben Gegnerschaft. Empörung kann polarisieren in „Wir“ und „die Anderen“ – wobei der, der sich empört, immer auf der richtigen Seite steht. Hier hilft es, aus dem „Außer-sich“ der Empörung zu sich zurückzukehren, sich abzuwenden von den skandalisierenden Bildern, den dauererregten und doch so hilflosen Nachrichten und nach seinem eigenen Standpunkt zu fragen. Bei sich zu bleiben braucht eine gewisse Askese – nicht des Nachdenkens und der Information, aber der dauernden Aktualität und des steten Dabeiseins. Zweitens heißt bei sich zu sein, sein Verhalten nicht grundsätzlich durch das reale oder imaginierte Verhalten des Anderen bestimmen zu lassen. Die Forderung nach Wechselseitigkeit hat einen guten Ort im politischen Handeln. So hat Christian Wulff zu Recht seinen Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ durch den Satz erSCHWERPUNKT 10 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Christ zu sein heißt, bei sich zu bleiben, indem man beim Anderen ist.

gänzt: „Und das Christentum gehört zur Türkei.“ Der vorausschauende Blick auf das Verhalten des Anderen kann aber auch zur Blockade führen. Ich erlebe immer wieder den Hinweis, dass man ja durchaus bereit sei, Muslimen offen zu begegnen, aber das sei ja leider nicht möglich, weil sie einen selbst als Ungläubige betrachteten, weil es ihnen nur um die Durchsetzung gesellschaftlicher Dominanz ginge oder weil ihnen die taktische Verstellung erlaubt sei. Einmal davon abgesehen, dass dies im Großteil nicht meiner Erfahrung entspricht, ist dieses Denken immer beim Anderen. Demgegenüber hilft es, sich auf sich selbst zurück zu besinnen: Wie will ich das Zusammenleben gestalten? Was gebietet mir mein Glaube? Was sehe ich im Anderen? Der syrische Mönch Jacques Mourad hat sehr beeindruckend erzählt, wie er in der Zeit seiner Verschleppung durch den IS seine Gefängniswärter langsam dadurch aufgebrochen hat, dass er sich immer wieder am Leben und Beispiel Jesu orientierte – sicherlich eine radikale Form, bei sich zu bleiben. Aber sie zeigt: Christ zu sein heißt, bei sich zu bleiben, indem man beim Anderen ist. Alle echten Exzentriker können aufatmen. Tobias Specker SJ 11 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT © jock+scott/photocase.com

Einander retten „Richtet nicht vor der Zeit; wartet, bis der Herr kommt, der das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird. Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten.“ Diese Menschen wertschätzende Anregung des Heiligen Paulus (1 Kor 4,5) begleitet mich seit vielen Jahren. Zu oft schon griff meine erste Einschätzung zu kurz oder ich war zu schnell mit einer Reaktion. Wenn ich wirklich von innen her mehr verstanden hätte, warum der andere sich gerade so verhält, so nervig, innerlich verloren oder überhaupt so komisch ist (selbst diese Beschreibungen stehen in der Gefahr, lediglich meine Urteile zu sein), dann hätte ich ihn sicher leichter annehmen können. Ignatius empfiehlt, „dass jeder gute Christ bereitwilliger sein muss, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle angebrachten Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette.“ Hier ist das Pauluswort in ein aktives Beziehungsgeschehen übertragen. Ich gehe nicht nur davon aus, dass ich den Anderen verstehen und annehmen könnte, wenn ich mehr wüsste, sondern ich trete mit ihm so in Kontakt, dass sich das nach Möglichkeit zeigen und zwischenmenschlich ereignen kann. Gelebtes Interesse am Anderen lohnt. „Respektvolle Neugierde“ hilft weiter – uns beiden. Dazu passt auch eine Empfehlung, die Ignatius 1546 den Mitbrüdern gibt, die zum Trienter Konzil gesandt sind: „Ich wäre langsam im Sprechen, indem ich das Hören für mich nutze: ruhig, um die Auffassungen, Gefühle und Willen derjenigen, die sprechen, zu verspüren und kennenzulernen, um besser zu antworten oder zu schweigen.“ Freilich darf nicht alles „gerettet“ oder zu allem geschwiegen werden: menschenverachtendes Verhalten, gemeine Verletzung, berechnende Lüge. Ignatius wurde öfter mal fälschlich angeschuldigt, z.B. den rechten Glauben zu verbiegen, Menschen in die Irre zu führen, Frauen zu lebensgefährlichen Pilgerschaften anzustacheln. In solchen Fällen war es ihm durchaus wichtig, dass eine offizielle Instanz den Sachverhalt anschaut und zeitnah ein Urteil fällt. Klarheit schätzte er. Aber er hatte auch den mutigen Willen zur immer schwierigen Herausforderung, die Wahrheits- und die Beziehungsebene so weit wie möglich zusammenzuhalten. Thomas Hollweck SJ 12 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen Streiten können als christliche Tugend „Streitet miteinander so, wie ich mit euch gestritten habe.“ Das hat Jesus nicht gesagt. Aber streiten konnte er und trägt Streit und Zwietracht sogar in die Familien hinein. Er wird zornig, als er sieht, dass man aus dem Jerusalemer Tempel ein Shopping-Center und Bankinstitut gemacht hat, in dem sich alles nur ums Geld dreht. Voller Wut wirft er die Marktstände und Tische um und jagt die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel. Jesus, wie ihn die Evangelien beschreiben, war nicht nur ein friedlicher Mensch. Von ihm lässt sich viel darüber lernen, wie man miteinander konstruktiv streiten kann. Denn Christ-Sein heißt nicht, zu allen Menschen lieb und freundlich zu sein! Jesus hat bei einem Streit die schwierigen und heiklen Punkte klar und deutlich angesprochen. Er konnte meisterhaft andere konfrontieren. Dabei hat er nicht auf das Amt oder die Funktion eines Gegners geschaut, sondern sich auf die Sache bezogen, um die es ihm ging. In Auseinandersetzungen erkannte er die Fallen, die seine Gegner ihm stellten. Jesus beendete Streitgespräche, die nicht auf Klärung, sondern Kompromittierung zielten. Beginnend etwa mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde in der Kirche das einfühlsame und wertungsabstinente Zuhören als Königsweg der Seelsorge neu entdeckt. Von Jesus können wir lernen, dass empathisches Zuhören allein nicht ausreicht und Einfühlsamkeit nicht auf Kosten der Klarheit gehen darf. Auf der anderen Seite ist eine Konfrontation nur dann konstruktiv, wenn die Chance besteht, dass der andere sie auch annehmen kann. Jesus war authentisch. Ein authentischer Mensch versteckt sich nicht hinter Floskeln und Masken. Er ist in der Lage, seine Gefühle und Absichten zu klären und zu entscheiden, was davon er zeigen und sagen will. Dann kann er sich selektiv und authentisch „offenbaren“. Umgekehrt kann der andere aufgrund dessen sicher sein, dass kein zu großer Unterschied besteht zwischen dem, wie ein Mensch sich ihm zeigt, und dem, was tatsächlich in ihm vorgeht. Und ein Letztes: Auf wie vielen Schauplätzen kann man zugleich streiten? Jesus ging sorgfältig mit seinen Kräften um und wusste klug zu entscheiden, wofür er sie aufwandte und wofür nicht. Damit allerdings kommt man nie an ein Ende. Auseinandersetzung und Streit gehören lebenslang zum Leben, ob man will oder nicht. Hermann Kügler SJ 13 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

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Ignatius, der Kardinalshut und die Kirchenpolitik Als sich im Sommer 1552 abzeichnete, dass Papst Julius III. dem Anliegen Kaiser Karls V. nachkommen würde und Franz Borja, einen Jesuiten aus dem spanischen Hochadel, zum Kardinal machen wollte, war für Ignatius sofort klar: Er würde alle Hebel in Bewegung setzen, um die Gefahr eines solchen Kardinalshutes zu verhindern. Sein beständiges Anliegen war es, „mit großer Sorgfalt die Ehrsucht auszuschließen, die Mutter aller Übel in jedweder Gemeinschaft.“ Die ersten Gefährten legten in den Ordenssatzungen fest, „keine Prälatur oder Würde zu erstreben noch der Wahl ihrer Person für ein derartiges Amt, soweit es an ihnen liegt, zuzustimmen“. Dennoch kamen Ignatius Zweifel, was den „Hut“ für Borja anbelangte. Neben dem befürchteten geistlichen Schaden kamen ihm auch andere, positive Gründe, die es nahelegten, nicht einzuschreiten. Der Brief an Borja, in dem er sein inneres Ringen offen mitteilt, berichtet detailliert: In seinem Anliegen zu finden, was mehr zur Ehre Gottes dienen würde, ließ Ignatius drei Tage lang Gebete halten und Messen feiern. Lange Zeit kommt ihm der Gedanke: „Was weiß da ich, was Gott unser Herr tun will?“ Erst am dritten Tag findet er „zu dem ruhigen und sanften Urteil, die Sache, soweit sie an ihm liege, zu verhindern“. Sonst könne er keine gute Rechenschaft vor Gott ablegen. Nach diesem Bericht formuliert Ignatius einen Gedanken, der mir für jede kirchenpolitische Polarisierung sehr hilfreich zu sein scheint. Er schreibt: „Gleichwohl hielt und halte ich fest: Wenn es der Wille Gottes ist, dass ich mich darin einsetze und sich andere für das Gegenteil einsetzen, so gäbe es keinen Widerspruch. Denn es kann sein, dass der gleiche göttliche Geist mich dazu aus den einen Gründen und andere aus anderen zum Gegenteil bewegt, so dass verwirklicht wird, was der Kaiser angezeigt hat: Gott unser Herr möge in allem tun, wie es immer sein größerer Lobpreis und Ruhm ist.“ Ignatius’ Deutung seiner Auseinandersetzung um den Kardinalshut hat kirchenpolitisch vermutlich nicht viel Aufsehen erregt. Sie würde auch heute nicht genügen, wenn es darum geht, die verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen „progressiven“ und „konservativen“ kirchlichen Positionen geistlich anzugehen. Dennoch: Würde uns der Gedanke des Ignatius angesichts der einen oder anderen innerkirchlichen Polarisierung nicht gut anstehen? Stefan Hofmann SJ SCHWERPUNKT 15 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT © jock+scott/photocase.com

Nur unter Spannung fliegt der Pfeil Ein Plädoyer für Spannungen Darf ich Ihnen Karl vorstellen: Permanent erreichbar, immer auf dem Sprung, viel Anspannung – wenig Entspannung. Er hat ordentlich Stress, und Konflikte sind keine Mangelware. Was ihm aber fehlt ist Entspannung. „Einfach mal wieder einen ruhigen Abend erleben“, so lautet der Wunsch Nr. 1. Ich begegne oft solchen Menschen. Im Gespräch wird schnell deutlich: Möglichkeiten zur Entspannung gibt es, sie werden nur nicht genutzt. Karl füllt freie Minuten mit Surfen im Internet oder Fernsehen, ordnet Bücher um oder bereitet andere Dinge vor. Ich frage dann immer, warum er die freien Zeiten der Entspannung nicht nutzt, und dann wird klar: Sie fördern Dinge zutage, die man lieber vermeidet: endlose Gedankenketten, fiktive Streitgespräche, Zweifel an Job, Beziehungen oder an sich selbst … Wie Karl suchen viele Menschen lieber den Stress im Beruf und in der Freizeit, weil sie so die Beschäftigung mit der Innenwelt vermeiden können. Doch was – vielleicht sehr verborgen – in uns arbeitet, verschwindet durch das Ausweichen nicht. Es bleibt, nur unerledigt. Spannungen lassen sich nicht einfach aussitzen. Es wäre auch naiv zu glauben, dass es ein spannungsfreies Leben gibt. Spannungen brauchen Aufmerksamkeit. Spannungen geben Identität: Es gibt Naturtalente. Menschen, die – wieso auch immer – entspannt, heiter und verbunden mit anderen durchs Leben gehen und denen es gelingt, Spannungen zu integrieren. Andere müssen dies lernen und üben. Wir Jesuiten üben dazu beispielsweise im Noviziat die fünf Prioritäten von Franz Jalics: 1. Ausreichend schlafen, 2. Auf den Körper achten (Ernährung, Bewegung), 3. Beten und in der geistlichen Ausrichtung bleiben, 4. Zeit für Mitmenschen haben, 5. Arbeiten. Dabei achten wir die Reihenfolge! Zudem sind bei uns Jesuiten Spannungsfelder im Selbstverständnis des Ordens grundgelegt. Wir schätzen das Denken und Leben in Spannungsfeldern. Jesuiten sollen Männer des Gebets sein, denen Kontemplation und Spiritualität am wichtigsten sind. Gleichzeitig setzen wir für unsere apostolische Arbeit alle Kraft und alle Mittel ein. Wir sollen disziplinierte Männer ohne übermäßige Bindung an weltliche Werte sein und doch aktiv in der Welt engagiert. Jesuiten sollen Männer von Leidenschaft, Intelligenz, Initiative und Kreativität sein – und doch gehorsam gegenüber unseren Oberen. Einfach – ist nicht immer gut: Wir Jesuiten leben in keinem einfachen Orden und pflegen das Miteinander so sehr wie den 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Individualismus. Jesuitische Spiritualität wirkt dann am besten, wenn Spannungspole lebendig und deutlich spürbar sind: Wenn unterschiedliche Meinungen zutage treten, ist das eben nicht nur Konflikt. Im Gegenteil! Im „Nebeneinander leben lassen“ von Meinungen und Zielen entsteht Raum für Kreativität, lebensnahe Lösungen und Reife. Das ist sogar nützlich: Entscheidungen lassen sich selten auf ein Entweder-Oder reduzieren. Wir brauchen Spannungen! Ich glaube, das gilt für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft, die so gerne auf Gleichmacherei und Harmonie aus ist: Wir müssen neue Lust daran finden, Spannungen von ihrer Stigmatisierung zu lösen und sie als Motor zu betrachten. Dass Menschen unterschiedlich sind, aus je anderen Perspektiven denken und leben, ist keine Gefahr, sondern eine Wachstumsvoraussetzung. Und genau deshalb wünsche ich mir für unsere Gesellschaft etwas von dieser pragmatischen, neugierigen und offenen Haltung, die uns Ignatius geschenkt hat. Papst Franziskus mutet der Kirche in einigen Fragen solche Prozesse zu. Das auszuhalten ist nicht einfach. Aber es lohnt sich. Auch für Karl. Johann Spermann SJ 17 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT © jock+scott/photocase.com

Gräben überbrücken „Welches Kleid wird sie wohl tragen?“ Keine Frage hörte ich öfters im Vorfeld des von mir initiierten Fachgesprächs zum Thema „Steuergerechtigkeit & Armut“ zwischen Sahra Wagenknecht und Erzbischof Ludwig Schick im CPH Nürnberg. Die Veranstaltung war ohne Bewerbung ruckzuck ausgebucht und der Große Saal mit 280 Leuten aus allen Schichten und unterschiedlichsten weltanschaulichen Hintergründen brechend voll. Zu meiner politischen „Advocacy“ (Anwaltschafts-)Arbeit gehört seit jeher, dass ich versuche, mit verschiedensten Gruppen ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es meine Erfahrung, dass es gewöhnlich schwer ist, positiv über „Gerechtigkeit“ zu diskutieren, denn darunter versteht ein Arbeitgeber etwas anderes als ein Gewerkschafter, ein Millionär etwas anderes als die alleinerziehende Mutter. Umgekehrt ist es oft verblüffend einfach, sich mit Menschen verschiedenster Herkunft auf vorhandene „Ungerechtigkeit“ einigen zu können. Ist aber dies erst mal geschehen, kann man auch leichter Mehrheiten für erforderliche Verbesserungen finden. Mit meinen Forschungsergebnissen zum Thema „Steuergerechtigkeit & Armut“ habe ich nach 35 Jahren Arbeit in diesem Feld erstmals das Problem, dass ein solcher übergreifender Dialog nicht möglich ist. Während SPD, Grüne, LINKE und ÖDP an einem Austausch interessiert sind, weichen AfD, FDP, CDU und CSU dem Thema aus – Vertreter letzterer sogar mit dem Hinweis, dass in Deutschland keine „richtige Armut“ existiert und die Steuerquellen ohnehin sprudeln. Wozu dann am Thema Vermögensungleichheit rütteln? Dass der Anstieg von Wahlmüdigkeit, Populismus und Sündenbockdenken und daraus erwachsende Demokratie- und Mitbestimmungsdefizite ebenso Symptome für die bestehende Ungleichheit in Deutschland sein könnten, wie die weltweit anschwellende Migration in Richtung Europa ein Symptom für globale Ungleichheit ist, wird entweder nicht gesehen oder geleugnet. Wenn aber nun kein konstruktives Gespräch möglich ist, bleibt als Option die Provokation. Etwa jene, dass ein katholischer Erzbischof und eine sozialistische Politikerin sich bei einem solchen, im Ton respektvollen und nachdenklichen Fachgespräch in vielen Punkten einig sind und Gruppen und Parteien auffordern, drängende Probleme nicht zu verdrängen, sondern sie den Bürgern zu erläutern und sich der Suche nach dauerhaften Lösungen zu stellen. Dabei gab es keinesfalls nur „Konsenssoße“, sondern die unterschiedlichen Hintergründe wurden deutlich: Hier die Katholische Soziallehre mit der Spannung zwischen Person und Gemeinwohl, dort das Vertrauen auf starke staatliche Institutionen und Regulierung. Dazwischen Übereinstimmung bei 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

der Forderung von besserer Bezahlung im Niedriglohnsektor, der Ablehnung eines bedingungslosen Grundeinkommens, nach entschiedener Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, Rahmenbedingungen, die armen Ländern nützen … Ein solches Fachgespräch erregt Nachdenklichkeit beim Publikum, es wird nach außen transportiert in der medialen Berichterstattung und den Berichten eines jeden Einzelnen zurück in seinen Ämtern, Berufen oder Familien. Dann kann es helfen, bei der Wahrnehmung und Behandlung der Gegenwartsprobleme einen Schritt voran zu kommen. Manchmal kann also Neugier auf das Kleid einer Politikerin ein Mittel dazu sein, Brücken zwischen unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen zu bauen – und wie man sieht, bewies Sahra Wagenknecht mit der Wahl ihrer Garderobe zu diesem Anlass sehr großes Feingefühl. Jörg Alt 19 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Foto: Jörg Alt Die Veranstaltung kann online gesehen werden unter https://youtu.be/EGeaixUpyT8 Sahra Wagenknecht (re.) auf dem Podium mit Erzbischof Ludwig Schick und Dr. Siegfried Grillmeyer (CPH)

Wir kommen, wohin wir schauen Wir leben in einer Gemengelage verschiedener Spannungen: gesellschaftliche Polarisierungen, für manche ein Spießrutenlauf am Arbeitsplatz, ein Crash der Kulturen, der Generationenkonflikt. Und von den Nachrichtendiensten wird mit bester Aufmachung von Unheilsbotschaften um Zuschauer geworben. Wie ist da Gelassenheit und Orientierung, ein Weg begründeter Hoffnung zu finden? „Endlich!“ So ist auf einem Grabstein am Lainzer Friedhof vor den Fenstern des ORF in Wien zu lesen. Man muss innehalten. Diese Aussage hinterfragt das eilige Getriebe der großen Stadt, auf die man vom Friedhof aus blicken kann. Endlich! Hieß der Verstorbene so? Wollte jemand, dass endlich Schluss ist mit einem beschwerlichen Leben? Freute sich eine Person, endlich angekommen zu sein, da drüben, im Land der Verheißung? Oder einem von uns war es wichtig, den Hinterbliebenen zu sagen: „Bedenkt, alles ist endlich in dieser Welt. Das ist die entscheidende Perspektive!“ Der Hl. Ignatius, der Ordensgründer der Jesuiten, nützt diese Perspektive, um zu richtigen Entscheidungen zu kommen. Hat nicht auch Jesus einst immer wieder unvermutete und erstaunliche Antworten gefunden, wenn er mit Fragen in die Enge getrieben wurde? Der Blick auf seinen Vater, die ganz andere Perspektive, hat ihn zum Beispiel im Umgang mit der Ehebrecherin und in der Frage nach der Steuer für den Kaiser einen „dritten Weg“ entdecken lassen. Der „Blick in die Ewigkeit“ hilft, um sich nicht auf Vergängliches zu fixieren, auf Dinge, Menschen oder Ideologien. Diese Perspektive setzt frei für neue Wege und für das Wesentliche. Gelassenheit kann wachsen und Klarheit für den nächsten guten Schritt. Ein Bauchgefühl will uns in unserer westlichen Gesellschaft weismachen, dass die Polarisierungen zunehmen, die Konflikte schärfer werden, die Welt vielleicht sogar auf einen Abgrund zusteuert. Das Gegenteil ist der Fall, wie Bill und Melinda Gates zu Recht behaupten: „Nach nahezu allen Maßstäben ist die Welt heute besser als je zuvor.“ Für uns und andere ist es hilfreich, die Fakten konkreter, wahrer in den Blick zu nehmen. Vor allem auch zu sehen, wie viel im Alltag so selbstverständlich läuft und gut ist. Das sind die eigentlichen Wunder! Dabei ist es nicht nötig, die Spannungen zu harmonisieren oder gar zu leugnen. Möge uns ein Geist leiten, der uns das Glas halb voll sehen lässt, bevor wir mit den anderen heulen, dass es doch halb leer sei. Mir persönlich ist in den vergangenen Jahren Vers 8 aus Psalm 16 besonders wichtig geworden: „Ich habe mir den Herrn beständig vor Augen gestellt, weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht.“ Im 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

Schloss Javier in Nordspanien gibt es ein beeindruckendes Kreuz, vor dem schon der Hl. Franz Xaver gebetet hat. Christus am Kreuz, der lächelt, so als wollte er sagen: „Fürchte dich nicht, ich habe die Welt besiegt!“ Es macht einen großen Unterschied, ob ich ständig auf die negativen Ereignisse und scheinbar unlösbaren Konflikte in Gesellschaft und Welt fixiert bin oder auf den Herrn schaue und mich von ihm her neu zu den Ereignissen und Fragen verhalten kann. Der Blick auf den lächelnden Christus schenkt neue Gelassenheit und Orientierung. Sein Leben und seine Botschaft gewinnen Leuchtkraft, nähren begründete Hoffnung in den Wirrnissen des Lebens. Darum schaue ich gerne in meinem Beten und immer wieder mitten im Alltag auf diesen „lächelnden Christus“. Denn: „Was wir im Auge haben, das prägt uns, dahinein werden wir verwandelt. Und wir kommen, wohin wir schauen.“ (Heinrich Spaemann) Josef Maureder SJ 21 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT © jock+scott/photocase.com

Geistlich kämpfen „Das Leben ist kein Ponyhof.“ Ein Satz, der sich schon verselbständigt hat. Das Original stammt von der Comic-Künstlerin Sarah Burrini, die jede Woche unter diesem Titel eine Geschichte ins Netz stellt. Ja, auch das geistliche Leben ist kein Ponyhof! Es läuft nicht immer so, wie ich will und wünsche, es ist mitunter anstrengend. Wahrscheinlich hätte ich mir das Wort verboten, doch Gottsucher vor mir scheuten nicht davor zurück, geistliches Leben als Kampf zu beschreiben. Der heilige Benedikt z.B. schreibt in seiner Mönchsregel: „Wir müssen unser Herz und unseren Leib zum Kampf rüsten, um den göttlichen Weisungen gehorchen zu können.“ Der heilige Paulus liefert das passende Equipment dazu: „Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt.“ Und er zählt detailreich auf: Panzer der Gerechtigkeit, Schuhe der Bereitschaft, Schild des Glaubens, Helm des Heils, Schwert des Geistes. (Eph 6,10ff) Hier ignatianisch den Schauplatz bereiten und mich so ausstaffiert im Anprobespiegel betrachten, möchte ich lieber nicht. Selbstverständlich ist Ignatius das Kampfesmotiv auch nicht fremd, er gründet eine Gesellschaft, die „unter dem Banner des Kreuzes Gott Kriegsdienst leisten“ möchte. So unsympathisch mir die Bildwelt ist, gefühlsmäßig stimmt sie: Möchte ich nicht nur nach dem Lust- und Launeprinzip spirituell sein, sondern bestmöglich täglich, dann brauche ich kämpferische Qualitäten. Dann geht es um durchhalten und nicht vorschnell aufgeben; dann muss ich Störmanöver, wichtiger scheinende Dinge aller Art, durchschauen und abwehren; kurz, dann muss ich meinem „inneren Schweinehund“ mit Siegeswillen die Stirn bieten. Natürlich handelt es sich um einen inneren Kampfplatz. Wer dieses innere Bild nach außen projiziert, zettelt Unheil an, das nichts mit Gott zu tun hat, selbst wenn er sich in einem „Heiligen Krieg“ glaubt! Lange Zeit kämpfte ich in meinem geistlichen Leben hauptsächlich um Disziplin. Zudem ging es mir um Sündenvermeidung und Integrität. Mit beidem war ich gut beschäftigt, bis mir ein kleines Büchlein von John Henri Nouwen, „Du bist der geliebte Mensch“, die Augen öffnete. Eine Empfehlung, denn nur so beim Stöbern in einer Buchhandlung hätte ich wohl den Titel gelesen, leicht die Augenbrauen hochgezogen und das Buch liegen lassen. Nouwen hat mich überzeugt: Meine Kampfplätze sind Sekundärangelegenheiten, zuallererst kämpfen wir alle verzweifelt um Liebe! Er schreibt: „Im Laufe der Jahre bin ich zu der Einsicht gekommen, dass die größten Fallen in unserem Leben nicht der Erfolg sind, nicht die Berühmtheit und nicht die Macht, sondern die 22 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT GEISTLICHER IMPULS

Verachtung seiner selbst.“ Stimmt das, dann hat uns eine Welt, deren Motor Konkurrenz ist, am Wickel! Sie fordert unablässig Beweise, dass wir etwas wert sind. Sie treibt uns an, etwas Besonderes, Herausragendes, Imponierendes zu leisten, um uns die Liebe zu verdienen, nach der wir uns sehnen. Alles würde sich ändern, könnten wir Gott wirklich glauben, dass er uns mag, dass wir bedingungslos von ihm geliebt sind. In den Augen Gottes sind wir alle Auserwählte, weil Gottes Liebe keine Konkurrenz kennt. Sein Liebesversprechen nicht durch Selbstzweifel, nicht durch erfahrene Geringschätzung oder Ablehnung in Frage stellen zu lassen, das ist für mich der entscheidende geistliche Kampfplatz geworden! Warum ich es mir immer wieder erkämpfen muss, weshalb ich hier so vergesslich bin, bleibt mir selbst ein Rätsel, aber es ist ein Erfahrungswert: Vergesse ich mein Geliebtsein, stelle ich es in Frage, schwimmen mir die Felle weg! Dann beginne ich, mich zu behaupten und unmöglich zu benehmen. Wer mich nicht mag, kann in der Konkurrenzarena daraus seinen Vorteil ziehen: „Selber schuld! Wer sich so benimmt, darf sich nicht wundern, wenn er ins Abseits gerät!“ Glauben, dass ich geliebt bin. Es ist entwaffnend und befriedet andere Kampfplätze, die weniger wichtig sind. Ach ja, selbstredend, dass dieser Kampfplatz nicht geeignet ist, anderen den Kopf einzuschlagen! Bernhard Heindl SJ © Dvoinik/iStock.com

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Neues aus dem Jesuitenorden Priesterweihe in Stockholm Am 30. September werden Thomas Idergard und Mikael Schink in der St. Eugenia- Kirche in Stockholm von Anders Kardinal Arborelius OCD zu Priestern geweiht. Thomas Idergard (* 1. März 1969) aus Arvidsjaur in Lappland studierte nach seinem seinem Abitur von 1988 bis 1992 Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Umea. Anschließend war er politisch aktiv, darunter drei Jahre als Nationalvorsitzender der schwedischen konservativen Jugend, und arbeitete als PR-Experte in verschiedenen Organisationen. 2009 konvertierte er in die Katholische Kirche und studierte von 2010 bis 2012 Philosophie am Newmaninstitut der Jesuiten in Uppsala. Im September 2012 folgte der Eintritt in den Orden. Im Anschluss an das Noviziat studierte er von 2014 bis 2017 Theologie in London und absolvierte ein Praktikum bei Radio Vatikan in Rom. Nach der Priesterweihe wird er in der Pfarrei St. Eugenia Stockholm und im Newmaninstitut sowie bei der Publikation Signum mitarbeiten. Mikael Schink (* 9. Januar 1983) aus Stock- holm studierte nach seinem Abitur 2002 Französisch und Ingenieurswesen und schloss beide Studien 2007 erfolgreich in Uppsala ab, wo er am Newmaninstitut auch Philosophie studiert hat. Nach seinem Ordenseintritt 2007 folgte ein weiteres Philosophiestudium in München sowie von 2014 bis 2017 das Theologiestudium in London. Ein längeres Praktikum absolvierte er am Newmaninstitut in Uppsala und in St. Eugenia in Stockholm von 2012 bis 2014. In Stockholm hat er mit Jugendlichen und in der Studentengemeinde gearbeitet, und in Uppsala die öffentlichen Veranstaltungen des Newmaninstituts organisiert. Nach der Priesterweihe wird er als Kaplan in St. Lars in Uppsala tätig sein. Thomas Idergard SJ Mikael Schink SJ Lars Anders Kardinal Arborelius OCD

Neues Provinzialat in München Zeitgleich mit dem Amtsbeginn des neuen Provinzials Johannes Siebner SJ am 1. Juni ist das Provinzialat in das neu errichtete Canisiushaus in der Kaulbachstraße 29a in München umgezogen. Mit dem Ortswechsel in die Maxvorstadt von München knüpft der Orden an die Geschichte der damaligen Oberdeutschen Provinz an, die auf einem benachbarten Grundstück bis 1971 ihren Sitz hatte. In die frei werdende Immobilie zog damals von Pullach das Berchmanskolleg mit der Hochschule für Philosophie. Der jetzt nach rund zweijähriger Bauzeit termingerecht abgeschlossene Neubau des Canisiushauses ist ein kombiniertes Wohn- und Verwaltungsgebäude. Die Provinzverwaltung erstreckt sich auf vier Etagen und umfasst rund 40 Prozent der Gesamtfläche. An der Einweihungsfeier am 11. Juli nahmen die Provinzleitung, das Architektenteam mit Sebastian Illig, Vertreter anderer Ordensgemeinschaften sowie zahlreiche Mitarbeiter*innen, Nachbarn und Handwerker teil, die in den vergangenen zwei Jahren zum Gelingen des Projektes beigetragen hatten. Provinzial Johannes Siebner, der die Segnung des neuen Hauses vornahm, würdigte in seinem Grußwort das Engagement seines Vorgängers Stefan Kiechle sowie die Professionalität und den Einsatz von Markus Lichtenwald und Klaus Seitz aus der Provinzverwaltung, die in den vergangenen zwei Jahren fast rund um die Uhr den Bau des Hauses betreut und die Logistik des Umzugs koordiniert hatten. Das Canisiushaus – neuer Sitz des Provinzialats © SJ-Bild

Vielfalt von Kulturen und Begabungen im Canisius-Kolleg (Berlin) Am 8. Juli verließen alle 63 Schüler der 12. Jahrgangsstufe mit dem bestandenen Abitur das Canisius-Kolleg. 14 von ihnen erreichten eine 1,0 im Abitur. Wie jedes Jahr staunt man über die herausragenden Talente, die sich in acht Jahren entwickeln, egal ob auf musischem, sprachlichem, naturwissenschaftlichem oder rhetorischem Gebiet. „Ihr werdet von uns hören!“ Man mag es gerne glauben. Denn sehr viele engagierten sich in hervorragender Weise sozial z.B. für jüngere Schüler in der Jugendarbeit oder als ehrenamtliche Tutoren und für geflüchtete Menschen. Auch Schüler der „Willkommensklassen“ beendeten ihre Vorbereitungszeit auf den Besuch einer deutschen Regelklasse erfolgreich mit dem Erwerb des deutschen Sprachdiploms. Zwei von ihnen belegten den ersten und den zweiten Platz des landesweiten Wettbewerbs „Jugend debattiert für Flüchtlingsklassen“. 14 von ihnen werden ab nächstem Jahr eine Regelklasse des CK besuchen. Wie sehr diese bunte Vielfalt von Kulturen und Begabungen zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen ist, konnte man auf dem Schulfest erleben, das von den Schülern selbst gestaltet wurde. Es ist eine Gemeinschaft, die mitgetragen wird von Alumni, Freunden und Spendern. Sie ermöglichen, Schüler unabhängig vom Gehalt der Eltern aufzunehmen, und junge Menschen auf die Herausforderungen einer globalisierten Welt vorzubereiten, z.B. mit Austauschprogrammen mit französischen, japanischen und afrikanischen Schulen. Sie ermöglichen die Arbeit an der Qualität der Schulen und an der technischen Ausstattung. So können in den Ferien alle Klassenzimmer des CK mit interaktiven Unterrichtsmedien ausgestattet werden – ein wichtiger Meilenstein, um sich mit Schülern gemeinsam den Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu stellen. Nun sind Ferien. Aber 400 unserer Schülerinnen und Schüler werden auch diese zusammen verbringen, auf Sommerlagern der ISG. NACHRICHTEN 26 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Vielfalt von Kulturen und Begabungen © CK © CK

Zentrum für Globale Fragen eröffnet Mit einem Vortrag von Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, ist am 21. Juni das Zentrum für Globale Fragen an der Hochschule für Philosophie in München eröffnet worden. Im Fokus der Arbeit des Zentrums unter seinem Leiter Michael Schöpf SJ steht die akademische Reflexion zu aktuellen Fragen globaler Gerechtigkeit in den Themenbereichen Umwelt und Nachhaltigkeit, Migration sowie Interkulturalität. Das Zentrum verbindet in seinen Projekten die philosophische mit der sozialwissenschaftlichen Analyse und möchte damit auch zur politischen Gestaltung von Lösungen beitragen. Das Zentrum für Globale Fragen ist aus dem Institut für Gesellschaftspolitik hervorgegangen, das seit 1971 an die Hochschule für Philosophie angegliedert war. „Wir brauchen ein grundlegendes Umdenken, das die Würde des Menschen und der Schöpfung in der Bewältigung der globalen Krisen in den Vordergrund stellt und neue Perspektiven der Verantwortung füreinander eröffnet“, so Provinzial Johannes Siebner SJ in seinem Grußwort. „Daran wollen wir uns auch als Jesuiten beteiligen, ganz im Geist der Enzyklika Laudato Si‘ von Papst Franziskus.“ 27 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT Schulfest mit der Big Band des Canisius-Kollegs Michael Schöpf SJ © CK © SJ-Bild/Ender

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