Jesuiten 2017-3

Wir kommen, wohin wir schauen Wir leben in einer Gemengelage verschiedener Spannungen: gesellschaftliche Polarisierungen, für manche ein Spießrutenlauf am Arbeitsplatz, ein Crash der Kulturen, der Generationenkonflikt. Und von den Nachrichtendiensten wird mit bester Aufmachung von Unheilsbotschaften um Zuschauer geworben. Wie ist da Gelassenheit und Orientierung, ein Weg begründeter Hoffnung zu finden? „Endlich!“ So ist auf einem Grabstein am Lainzer Friedhof vor den Fenstern des ORF in Wien zu lesen. Man muss innehalten. Diese Aussage hinterfragt das eilige Getriebe der großen Stadt, auf die man vom Friedhof aus blicken kann. Endlich! Hieß der Verstorbene so? Wollte jemand, dass endlich Schluss ist mit einem beschwerlichen Leben? Freute sich eine Person, endlich angekommen zu sein, da drüben, im Land der Verheißung? Oder einem von uns war es wichtig, den Hinterbliebenen zu sagen: „Bedenkt, alles ist endlich in dieser Welt. Das ist die entscheidende Perspektive!“ Der Hl. Ignatius, der Ordensgründer der Jesuiten, nützt diese Perspektive, um zu richtigen Entscheidungen zu kommen. Hat nicht auch Jesus einst immer wieder unvermutete und erstaunliche Antworten gefunden, wenn er mit Fragen in die Enge getrieben wurde? Der Blick auf seinen Vater, die ganz andere Perspektive, hat ihn zum Beispiel im Umgang mit der Ehebrecherin und in der Frage nach der Steuer für den Kaiser einen „dritten Weg“ entdecken lassen. Der „Blick in die Ewigkeit“ hilft, um sich nicht auf Vergängliches zu fixieren, auf Dinge, Menschen oder Ideologien. Diese Perspektive setzt frei für neue Wege und für das Wesentliche. Gelassenheit kann wachsen und Klarheit für den nächsten guten Schritt. Ein Bauchgefühl will uns in unserer westlichen Gesellschaft weismachen, dass die Polarisierungen zunehmen, die Konflikte schärfer werden, die Welt vielleicht sogar auf einen Abgrund zusteuert. Das Gegenteil ist der Fall, wie Bill und Melinda Gates zu Recht behaupten: „Nach nahezu allen Maßstäben ist die Welt heute besser als je zuvor.“ Für uns und andere ist es hilfreich, die Fakten konkreter, wahrer in den Blick zu nehmen. Vor allem auch zu sehen, wie viel im Alltag so selbstverständlich läuft und gut ist. Das sind die eigentlichen Wunder! Dabei ist es nicht nötig, die Spannungen zu harmonisieren oder gar zu leugnen. Möge uns ein Geist leiten, der uns das Glas halb voll sehen lässt, bevor wir mit den anderen heulen, dass es doch halb leer sei. Mir persönlich ist in den vergangenen Jahren Vers 8 aus Psalm 16 besonders wichtig geworden: „Ich habe mir den Herrn beständig vor Augen gestellt, weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht.“ Im 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

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