Jesuiten 2018-1

14 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER SCHWERPUNKT Über die Grenzen des Körpers hinausgehen können In der altgriechischen Sprache gibt es das Wortspiel vom Körper als Grab (der Seele): soma sema... So etwas gilt heute als leibfeindliche Vorstellung, als Degradierung des Körpers zur seelenlosen Hülse. Aber als Mensch mit einer Behinderung kann ich diese Erfahrung auch irgendwie verstehen: Der Körper kann zu einer brutalen Grenze werden. Gegenüber der Sehnsucht nach vitalem und im bunten Reichtum heute geradezu entgrenzten Leben sind die körperlichen Grenzen der Behinderung so brutal! Sie schneiden mitten in die Lebensmöglichkeiten hinein. Werfen ihr dunkles Gegenwort von Spastik und Bewegungsunfähigkeit, Erschöpfung und Schmerz in die Waagschale. Und ziehen die Freude am Dasein mitunter (fast) in den „Schmutz“ von Trauer und Verzweiflung. Es ist so wichtig, aber gerade dann Hoffnung zu bewahren, weil sich Grenzen verschieben und ich diese gestalten kann, weil mir so viele Hilfsmittel durch Medizin und Reha-Technik geschenkt sind: Medikamente, ein Pflegebett, ein Rollstuhl … Wie bei einer guten Physiotherapie, die die körperlichen Beschwerden durch Bewegungsübungen, Massagen, Streckung und Beugung zu behandeln versucht, gilt es, die Mitte zwischen guter Anspannung zu finden, die herausfordert, und übertriebener Belastung, die nur riesige Ermüdung provoziert. Wenn man die Balance trifft, lässt sich Versöhnung auch mit dem begrenzten Körper finden. Spitzensportler gehen bis an den Rand körperlicher Grenzen. Sie springen vom zehn Meter Turm im Wirbel der Körperdrehungen, springen über die mehr als sechs Meter hohe Latte. Und doch müssen auch sie letzte Begrenzungen akzeptieren, im Auge behalten. Damit sie nicht zu Opfern des ungezähmten Ehrgeizes und blinden Dopings werden, die ihren Ruhm später mit schweren Beeinträchtigungen bezahlen. Und das Geheimnis ist: Wenn Liebe durch den Magen geht, wie es das Sprichwort verheißt, dann geht Hoffnung durch den ganzen Körper. Der liebevolle Umgang mit dem eigenen Körper, das Maß wirklicher Körperkultur zwischen mutiger Entfaltung und bescheidener Grenzakzeptanz machen diese tiefe Erfahrung von Freude am (auch kranken!) Körper zugänglich. Die Palliativmedizin spricht davon: die vielen kleinen Erleichterungen – Hilfen zur Nahrungsaufnahme, Stillung von Schmerzen, Erleichterung für diejenigen, die nur noch liegen müssen, durch Berührung, Sprechen, Umarmen, einander fühlen… – sie ermöglichen wirklich eine ganz „geerdete“ und zugleich starke, mutige Hoffnung – bis hin zum Glauben an die Auferstehung mit Seele und Leib (Körper): unserer ganzen Person vor Gott. Josef Römelt CSsR © NatalieSchorr/shutterstock.com

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