Jesuiten 2018-1

Körper 2018/1 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild: © Cattarina Pons/photocase.com Selbstläufer – so könnte man die Beziehung zu unserem Körper in Worte fassen: Kein großes Nachdenken, und schon bewegen sich Muskelgruppen, bewegen wir uns. Verdauung, Blutzirkulation, Gleichgewicht, Herzschlag – alles läuft wie von selbst. Unser Leib ist uns immer präsent, wir können nicht aus unserer Haut fahren. Und doch gerät er so leicht in Vergessenheit. Er ist so selbstverständlich da, dass er oft weg ist. Diese Spannung greifen die Fotos in diesem Heft auf. Ausgabe März/2018 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Standpunkt 4 Beten mit dem Leib 7 An körperliche Grenzen gehen 8 Lebenszeichnungen 9 #notheidisgirl 11 Du bist, was du isst! 12 Gesundheit – die neue Religion 15 Über die Grenzen des Körpers hinausgehen können 16 Zum Dompteur der eigenen Bedürfnisse werden 18 Mut zur Zärtlichkeit 19 Die Sprache, die Gott nicht verbergen kann 20 Denken & fühlen Geistlicher Impuls 22 Tue deinem Leib etwas Gutes Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare Verstorbene Medien / DVD 29 Theo Schmidkonz: Osterweg Vorgestellt 30 „Stimmen der Zeit“: Aufbruch mit einer neuen Redaktion 33 Die besondere Bitte 34 Autoren dieser Ausgabe 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, mitten in der Fastenzeit erscheint unser erstes Heft in diesem Jahr, und mit Blick auf den Titel haben Sie sich vielleicht gerade gedacht: Interessant, Jesuiten produzieren ein Heft über das Thema „Körper“. Nicht selten wird sich über Geistliche gewundert, wenn sie sich auf dieses thematische Parkett wagen. Der Einwand: Sie hätten wenig Ahnung, worüber sie sprechen, da sie ehelos und keusch leben. Da scheint ein Heft zum Thema Körper etwas deplatziert. Dem möchten wir widersprechen. Bei einem etwas genauerem Blick hinter dieses Vorurteil sieht es zum Glück anders aus. Zunächst ist dazu zu sagen, dass das Thema Körper weit mehr als Sexualität umfasst, was in diesem Heft besonders deutlich wird. Gerade der ignatianischen Spiritualität ist vom Exerzitienbuch her ein Bewusstsein für die Körperlichkeit des Menschen in die DNA geschrieben. So empfiehlt Ignatius bei der Betrachtung einer Bibelstelle, sich diese nicht nur theoretisch vorzustellen, sondern darum zu bitten, die Meditation mit allen Sinnen gestalten zu können, wenn es sein muss: zu erschmecken, zu erriechen, ja regelrecht zu ertasten. Dazu braucht es buchstäblich die körperlich sinnliche Erfahrung. Wir haben uns dabei bewusst für den Titel „Körper“ und nicht für “Leib” entschieden. Beim Titel “Leib” schien es uns, dass dieser häufig auf spirituelle Aspekte enggeführt wird. Wir wollten in unserem Heft etwas weiter denken - und dabei selbstverständlich spirituelle Erfahrungen mit dem Leib nicht ausklammern. Zahlreiche Artikel unserer Autoren zeigen, dass sich mit Blick auf den (eigenen) Körper immer auch ein Blick auf Gott ergibt. Weil das Thema Körper ein sehr individuelles und deswegen ein so vielfältiges ist, haben wir verschiedene Autoren gefunden, die den Facettenreichtum mit ihren Artikeln widerspiegeln. Aus verschiedenen Bereichen des Lebens berichten unsere Autoren von Essen, Bedürfnissen, Gebetserfahrungen, Körperschmuck oder auch Extremerfahrungen und Krankheit. So stehen Freude und Trauer, Bereicherung und Begrenzung teilweise eng beieinander. Auch wenn negative Erfahrungen mit dem Körper zum Alltag gehören, sollte das Positive von Körperlichkeit im Mittelpunkt stehen. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Freude, und vielleicht öffnen wir gemeinsam mit unseren Autoren bei Ihnen den ein oder anderen neuen Blick auf den Körper! Marco Hubrig SJ Clemens Kascholke SJ 1 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER

Standpunkt Bevor wir als Menschen unsere ersten reflektierten Gedankenschritte machen, sind wir als Kleinkinder bereits unzählige Schritte mit unseren Beinen gestolpert und gegangen – haben die Welt erkundet, sind an ihre und unsere eigenen Grenzen gestoßen. Unsere Körper haben sich ganz natürlich in dieser Welt als Zuhause eingerichtet, ohne dass wir dies gesteuert hätten. Ein Autopilot, wenn er nicht durch eine Krankheit gestört ist, der uns unser Leben lang Orientierung und Halt gibt. Jenes selbstverständliche, unbedachte Verhältnis zur Welt verlieren wir zu einem gewissen Teil, je reflektierter der Zugang zu ihr wird. Das Körperliche tritt in den Hintergrund, das Kognitive übernimmt die Regie unseres Erlebens. Dennoch sind beide nicht voneinander loslösbar. Denn wir schaffen mit unserem Auftritt je neu den Mittelpunkt der Welt – just zu unseren Füßen. Letztlich kennen wir es nicht anders, immer dreht sie sich um uns. Jetzt. Hier. Immer. Überall. Der Standpunkt, der Fixpunkt unseres Lebens ist unser Körper mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen; dies zu vergessen oder zu ignorieren wäre fatal für all unsere Lebenskontexte – in der Arbeit und in der Freizeit, in den zwischenmenschlichen Beziehungen, auch in der Ausrichtung auf Gott. Ob wir es wollen oder nicht, unser Leben ist „erdfest“, wie es der Engel Damiel im Film „Der Himmel über Berlin“ charakterisiert, nicht losgelöst aus den Banden von Raum und Zeit. Unser Verdienst, unser Anteil an unserem Dasein ist zunächst einmal verschwindend gering. Anderer Entscheidungen haben uns in dieses Leben hineingetragen. Seien es schlicht und ergreifend unsere Mütter und Väter und umfassender – mit den Augen des Glaubens – gesehen Gott als Schöpfer, der zusammen mit dieser Welt ein jedes unserer Leben in seinen Händen hält. Sich dieser Abhängigkeit immer wieder neu bewusst zu werden, schenkt die Möglichkeit, den unverdienten Schatz des eigenen Lebens und zugleich den kostbaren Wert der Leben unserer Mitmenschen anzuerkennen. Am Beginn des Exerzitienbuches formuliert Ignatius von Loyola prägnant das Programm des menschlichen Daseins: „Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott unseren Herrn zu loben, ihn zu verehren und ihm zu dienen, und so seine Seele zu 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Der Fixpunkt unseres Lebens ist unser Körper, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen steht.

retten.“ (EB 23) Dieser sperrige Satz steht als Notenschlüssel am Beginn der Exerzitien und braucht in dieser zugespitzten Form eine Auslegung. Wenn man die Gesamtperspektive der Exerzitien einnimmt, dann lässt sich das Wort „geschaffen“ dahingehend entfalten, dass der Mensch als Geschöpf Gottes von ihm ausdrücklich gewollt und geliebt ist. Auf diesem Fundament stehend kann sich eine Haltung des Lobens entwickeln – die zu allererst bedeutet, zu danken für das Wunder des eigenen Lebens. Auch findet sich darin jene Zugewandheit zur Welt eingetragen, die das menschliche Leben nicht als ein vorläufiges Jammertal verstehen lässt. Vielmehr ist die Möglichkeit der frohen Pilgerschaft zu Gott ins Menschenleben eingetragen. Wenn sich die Herrlichkeit Gottes im lebendigen Menschen widerspiegelt (Irenäus von Lyon), dann ist die Pflege und Sorge um diese Lebendigkeit im besten Sinne Gottesdienst. Damit wird neben die Seelsorge gleichberechtigt auch die Sorge um den Körper gestellt. So darf gerade eine bewusste Achtsamkeit auf die Bedürfnisse unseres Körpers als Anknüpfungspunkt verstanden werden, sich selbst trotz aller Begrenzungen und Gebrechen als Geschöpf Gottes wahrzunehmen und anzunehmen – um in Dankbarkeit und Freude in unserem Leben vor Gott zu stehen. Clemens Kascholke SJ 3 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER © prokop/photocase.com

4 Beten mit dem Leib Gerne lade ich Menschen dazu ein, auch mit dem Leib zu beten. Viele zeigen Interesse daran, und ihr Gebet wird ganzheitlicher. Bei einigen löst es allerdings Reserve und Verwunderung aus. Sie meinen, Beten vollzieht sich im Geist und im Kopf oder in der Stille des Herzens. Je nach Kultur und Religion wird der Leib unterschiedlich in die religiöse Praxis mit einbezogen. Unsere westliche Kultur und christliche Praxis drohen immer wieder ins rationale und wortlastige Fahrwasser SCHWERPUNKT © markusspiske/photocase.com

zu geraten. Dabei finden sich im Christentum so viele Perlen der Wertschätzung des Leibes auf dem Weg zu Gott. Paulus nennt den Leib den „Tempel des Heiligen Geistes“, und Hildegard von Bingen spricht vom „Leib als Zelt für die Seele“. Teresa von Avila bringt den christlichen Impuls zu achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper auf den Punkt: „Sei freundlich zu deinem Leib, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“. Über den Leib vollzieht sich die Ursprache des Menschen. Diese Körpersprache ist meist sehr ehrlich und aussagekräftig. Im Reden mit dem großen Geheimnis unseres Lebens, das wir Gott nennen, haben Menschen im christlichen Glauben besonders sprechende Gebärden und Gesten entwickelt: das „Stehen“ als Zeichen der Aufmerksamkeit, der Würde, der Auferstehung; das „Knien“ als Zeichen der Demut und Anbetung; das „Liegen“ als Zeichen der Buße und der Hingabe; das „Sitzen“ als Zeichen des Hörens, der Besinnung, des Mahlhaltens. Der christliche Gebetsweg ist gewiss kein Ausstieg aus dem Leib in geistige Sphären. Genauso wenig ist er ein wortloses und beziehungsloses Eintauchen in ein Meer der Ruhe. Der Weg zu Gott kann nicht am Leib vorbeigehen, so wie der Weg Gottes zu uns Menschen leibhaftig geworden ist. Altvater Makarios sagte einst auf die Frage, wie man beten solle: „Es ist nicht notwendig, viele Worte zu machen; es genügt, die Hände erhoben zu halten.“ Auch der Heilige Ignatius, der Gründer des Jesuitenordens, lässt in seiner Lehre vom Gebet immer wieder den Leib mit allen Sinnen ins Spiel kommen. Er weiß: alles, was sich im Leib ausdrückt und den Leib berührt, hat eine besonders prägende Wirkung auf Geist und Seele. Es gibt immer einen engen Zusammenhang und eine Wechselwirkung von geistiger und leiblicher Haltung. Heute sind Übungen und Gebetsweisen mit dem Leib wichtiger Bestandteil eines ganzheitlichen geistlichen Weges, von Exerzitien und Ausbildungskursen. Ich habe eine Abendreihe als Einführung ins leibbezogene Beten entwickelt und bereits mehrmals mit viel Zuspruch durchgeführt. Vier Schritte werden eingeübt: Das Gebet der Sinnes-Wahrnehmung als Weg in die Tiefe. Das kann in der Natur, am eigenen Körper oder ganz in der Stille geübt werden. Dann die Gebetsgebärden der Menschheit als Ausdruck von Begegnung und Liebe. So hat etwa der Heilige Dominikus aus seiner persönlichen Gebetspraxis neun Gebetsweisen mit dem Leib an seine Mitbrüder weitergegeben. Im dritten Schritt wird das Sonnengebet eingeübt. Das ist eine Reihe von leiblichen Gesten für den Morgen, deren Ablauf ganz nach der Dynamik der Exerzitien gestaltet ist. Diese Art des Betens mit dem Leib ist mir besonders lieb geworden. Es öffnet den Leib, den Geist, die Seele für das Licht unseres Lebens, für das Geheimnis in Christus. Und schließlich das Beten mit dem Atem. Es macht heil, weil der Atem des Schöpfers uns belebt und reinigt. Es ist meine Erfahrung: Diese vier leibbezogenen Gebetsweisen können in herausfordernden Zeiten in wenigen Minuten zur Ruhe führen. Und sie öffnen das Herz für die Begegnung mit Gott. Genau dazu ermutigt uns der Heilige Paulus: „Verherrlicht also Gott in eurem Leib“ (1 Kor 6,20). Josef Maureder SJ 5 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER

© suschaa/photocase.com An körperliche Grenzen gehen Wir leben scheinbar immer „körperloser“. In den wenigsten Berufen ist Muskelkraft noch wichtig, selbst Soldaten bedienen meist elektronische Maschinen. Für unsere Arbeit ist es oft egal, wo wir uns gerade körperlich befinden, wir können vieles vom Bildschirm her erledigen. Im Internet kommunizieren wir oft, ohne dass wir körperlich sichtbar sind für unser Gegenüber, unsere Körpersprache verliert an Bedeutung, wir überlassen das Übertragen des Sinnes den Bits und Bytes. Wir spüren unseren Körper immer weniger. Wie eine Revolte gegen diese Entkörperlichung unserer Existenz suchen immer mehr Menschen nach intensiven körperlichen Erfahrungen. Sie betreiben extreme Sportarten, sie gehen an körperliche Grenzen, um den fast verlorenen Körper wieder zu entdecken. Vielleicht sogar noch mehr: um das fast verlorene Selbst wieder zu spüren. Denn wir sind weder körperlose Engel noch Computerprogramme, wir sind Lebewesen aus Fleisch und Blut. Aus Staub sind wir gemacht, sagt die Bibel. Wenn wir das nicht mehr spüren, dann verlieren wir uns selbst aus dem Blick. Mehr als 10 Millionen Menschen rackern sich in Deutschlands Fitness-Studios ab: Sie schnaufen und stöhnen, sie schwitzen und ziehen Grimassen. Und wer das von außen unbeteiligt anschaut, der kann eigentlich nur mit dem Kopf schütteln. Verstehen kann man es nur, wenn man es am eigenen Leib erfährt. Der eigene Körper ist, weil man ihn durchspürt, ein Leib. Und wenn der Geist den Leib voll durchdringt, zum Beispiel in der mentalen Anstrengung, die schon beim Heben eines schweren Gewichtes nötig ist oder erst recht dem Vollenden einer schweren Turnfigur, dann tritt eine Einheit von Materie und Geist auf, die wirklich Glück empfinden lässt. Vergangenheit und Zukunft spielen keine Rolle mehr. Nur die Empfindung des Augenblicks zählt. Es entsteht ein Körpergefühl, eine Leiberfahrung von solcher Intensität, dass die Gedanken zum Stillstand kommen. Das kennt auch die Marathonläuferin oder der Bergsteiger: sich im Rhythmus des Atmens bewegen, von einem inneren Drang nach Selbstüberbietung angetrieben sein, den Willen als „Turbolader“ mobilisieren, wenn es schwierig wird und so immer mehr in eine tiefe innere Ruhe und Gelassenheit eintauchen; die Kupplung treten, um die Maschinerie der Gedanken in den Leerlauf zu schalten. Die geistlichen Yoga Sutren des Patanjali beginnen mit dem Satz: „Yoga ist das zur Ruhe bringen der Gedankenwellen im Geiste.“ Wenn wir unseren Körper in der äußersten Anstrengung und Disziplin geistig durchformen, dann kommen die Wellen der Gedanken zum Stillstand. In strenger körperlicher Disziplin meditierende Mönche vollziehen ähnliches: Funkstille ihrer Gedanken ist zugleich Empfangsbereitschaft für Gott. So können wir den Staub, aus dem wir erschaffen wurden, immer mehr zu „Geiststaub“ wandeln, zu einem „Tempel des Heiligen Geistes“ (1 Kor 6,19). Godehard Brüntrup SJ 7 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER SCHWERPUNKT

8 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Lebenszeichnungen Tätowierungen und Piercings machen jeden und jede von uns einzigartig, geben uns Zugehörigkeit. Sie sind Lebenszeichnungen. Sie erinnern uns nach Jahren an unsere Jugendsünden, an gebrochene Herzen und unsere Familie, unsere Cliquen. Dabei sind derartige Formen von Körperzeichnungen kein Phänomen heutiger Zeit. In der Antike bekamen Sklaven als Erkennungszeichen ein Holzstück ins Ohr. Heute wiederum lassen sich viele junge Menschen ihr Ohr dehnen und stecken sich einen Holztunnel/-stück hinein. So wurden Tätowierungen und Piercings in verschiedenen Formen als Status- oder Gruppenkennzeichen verwendet. Ich hatte und habe in meinem Leben einige Piercings gehabt. Die Narben oder der Schmuck erinnern mich an Tage, in denen ich es einfach haben wollte, weil es alle hatten. An Zeiten, in denen ich einer bestimmten Gruppe zugehörig sein wollte oder daran das ich Körperstellen, die mir nicht als schön vorkamen, verschönern wollte. Meine Tätowierungen kann ich an zwei Händen abzählen und mich an das Wachsen der ersten Idee und die Gedanken dahinter erinnern. Mein erstes Tattoo ließ ich mir gerade volljährig stechen. Es sollte mir Stärke geben. Stärke anderen Menschen gegenüber aufzutreten und dabei ich selbst zu bleiben. Eine Pusteblume mit den Namen meiner Patenkinder ist mein zweites Tattoo. Dieses soll mich immer an die Vergänglichkeit der Zeit erinnern und wie schön es sein kann, Momente mit Leichtigkeit zu nehmen und dabei alles zu genießen. Ein weiteres Tattoo soll mich an meine Herkunft erinnern – dies trage ich in der Nähe meines Herzens. Vor ein paar Jahren setzte ich mich mit einer Tätowierung, die für mich das Böse und Gute im Leben symbolisiert, auseinander. Ich konnte mich viele Monate nicht mit dieser Zeichnung identifizieren. Mein Leben hatte sich verändert. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut und dachte darüber nach, diese Tätowierung verändern oder entfernen zu lassen. Durch die Auseinandersetzung lernte ich meine Haut und die eingetragenen Zeichnungen des Lebens – Narben, Tattoos oder Verfärbungen – als ein Teil von mir zu sehen. Früher wollte ich bspw. meine Wachstumsstreifen an den Beinen übertätowieren lassen. Heute fühle ich mich wohl in und mit meiner Haut. Wir alle sind vom Leben gezeichnet, und bei den meisten Menschen sind diese Zeichen äußerlich nicht sichtbar. Egal ob nur innerlich oder auch äußerlich sichtbar, erscheint es mir wichtig, dass diese Zeichnungen des Lebens so angenommen werden, wie sie sind und als ein Teil des eigenen Lebens akzeptiert werden. Nadja Kurtova

JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER 9 #notheidisgirl Das Model Heidi Klum entwickelte den Hashtag „ichbingntm2018“, um bei den sozialen Medien Instagram und Facebook nach neuen Kandidatinnen für ihre Show „Germanys Next Topmodel“ zu suchen. Das feministische Kollektiv „Vularines“ aus Mönchengladbach rief daraufhin die Gegenbewegung #notheidisgirl in die Welt, um junge Frauen auf die absolut sexistische und verobjektivierte Sicht auf die Frauen in Heidis Sendung aufmerksam zu machen. Idee sei es, ein Foto von sich zu machen, auf dem die Frauen ganz natürlich aussehen und dabei auf einem Zettel ihr Statement schreiben, mit welchem begründet wird, warum sie niemals Heidis Topmodel werden wollen. Um den Hashtag noch weiter zu verbreiten, soll jeder noch fünf weitere junge Frauen durch Verlinkung nominieren, damit auch diese bei #notheidisgirl mitmachen. Für mich als Feministin war klar, dass ich diese Aktion unterstütze. Darum machte ich gleich ein Foto von mir und aus den tausenden Gründen, warum ich nicht bei ‚Germanys Next Topmodel‘ teilnehmen möchte, wählte ich: „weil alle Menschen unabhängig von Aussehen und Leistung gleich viel wert sind“. Ist es nicht absolut fabelhaft, dass sich solche Aktionen ihren Weg bahnen und auf einfache Weise junge Frauen erreichen? Für mich ist es immer wieder traurig und erschütternd zu sehen, dass Mädchen sich tatsächlich dem Druck aussetzen, diesem Schönheitsideal, welches eine Fernsehsendung ihnen vorgaukelt, hinterherzulaufen. Demnach sei nur ein absolut makelloser, durchtrainierter und (natürlich) völlig magerer Körper gut genug. Gut genug für wen eigentlich? Für Heidi Klum? Für „DIE Gesellschaft“? Für das eigene Umfeld? Wie kann sich auch nur ein Mensch das Recht herausnehmen über (die) Frauen zu urteilen? In meiner Überzeugung als Christin, bin ich mir sicher, dass jede (und natürlich jeder!) genau so gut und richtig ist, wie sie ist. Gott hat sich bei jeder von uns etwas gedacht, und das macht uns einzigartig und geliebt. Dafür ist es egal, ob ich dick oder dünn, schwarz oder weiß oder mit oder ohne Makel bin. Macht uns nicht gerade das aus? Jede meiner Falten erzählt eine Geschichte, hinter jeder Narbe verbirgt sich ein Abenteuer, und jedes bisschen Speck an mir ist Folge eines herausragenden Essens, welches ich sicher nicht missen möchte. #notheidisgirl ist ein Anfang für uns Mädchen und Frauen, wieder den Blick auf das wichtigste zu lenken – auf unsere Persönlichkeit. Ein Beginn, uns so anzunehmen, wie wir sind. Die absolute Bestärkung, dass wir alle genau so richtig und gewollt sind. Julia Kösters

11 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Du bist, was du isst Gönn´ Dir was! Nach 22 Jahren als Hauswirtschafterin im Noviziat der Jesuiten scheint mir dies mit eine der wesentlichsten Lektionen zu sein, die junge Leute, die sich auf den Ordensberuf vorbereiten, zu lernen haben. Natürlich wissen sie beim Eintritt bereits, dass Essen glücklich macht und dass die mit der Nahrung aufgenommenen Botenstoffe zur Ausschüttung des Glückshormons Endorphine beitragen. Aber dieses Wissen ist doch sehr im Kopf und noch nicht „eingefleischt“. Fangen wir beim Fast Food an: Schnell soll es gehen, und fettig muss es sein, wie etwa Döner oder Pommes und Ketchup. Dabei ist heute die Slow Food Bewegung am Wachsen, weil man zunehmend einsieht, wie wichtig die zugegebenermaßen zeitaufwändige Zubereitung frischer Lebensmittel und gesellige Nahrungsaufnahme für die physische und psychische Gesundheit ist. Das muss man einüben und mit Erfahrungen lernen. Die von mir oft belächelte Einstellung, man müsse heute bio, regional, saisonal und weniger Fleisch essen, ist durchaus eine sinnvolle Einstellung. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen und nicht allzu überzogen sein. Die Bananen müssen doch stets verfügbar sein, schließlich braucht man sie für das gesunde Müsli. Ich denke, Konsequenz ist angebracht, aber allzu viel Ideologie ist der falsche Weg. „Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Kunst“, hat Francois de Rochefoucauld gesagt. Oder, wie ich es bevorzuge: Du bist, was du isst. Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar. Wer sich an den kleinen Freuden erfreuen kann, die Gott uns über das Essen und liebe Menschen, die es zubereiten können, vermittelt, kann auch die große Liebe des großen Gottes glaubhaft verkörpern und verkünden. Demut soll der Mut sein, sich bedienen zu lassen. Und als Hauswirtschafterin und Köchin stelle ich den Jungs und Patres gerne jeden Tag eine anständige Mahlzeit auf den Tisch. Im gleichen Atemzug macht es mich glücklich, wenn ich Leuten, die noch nie gekocht haben, weil Bücher der wichtigste Teil ihres Lebens sind, das Kochen beibringen kann. Ich finde, die Kochkunst ist für schlaue Jungs (SJ) eine mindestens ebenso wichtige Qualifikation wie Studieren und Beten. Und wenn ich den jungen Nachwuchs-Jesuiten dann am Ende des Noviziats einen meiner Lieblingssprüche mitgebe: „Geht mit Gott, aber geht!“, dann meine ich damit auch: „Denkt dran, dass gutes Essen Leib und Seele zusammenhält und dass ihr mit beiden Beinen auf einem gesunden Fundament stehen müsst!“ Beate Heilmann SCHWERPUNKT © kallejipp/photocase.com

Gesundheit – die neue Religion Viele Menschen glauben heute nicht mehr an den lieben Gott, sondern an die Gesundheit, und alles, was man früher für den lieben Gott tat: Wallfahren, Fasten, gute Werke verrichten, das tut man heute für die Gesundheit. Es gibt Menschen, die leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund, aber auch wer gesund stirbt, ist leider definitiv tot. Es zeigen sich immanente Eschatologien: Das ewige Leben und die ewige Glückseligkeit erwartet man nicht mehr in irgendeinem Jenseits, sondern hier und jetzt: Apokalypse now! Für das ewige Leben quantitativ ist die Medizin zuständig – bei Nichterfüllung Klage, versteht sich. Und für die Ewige Glückseligkeit gibt es die Psychotherapie. Die Sehnsucht nach diesen „Letzten Dingen“ ist ungebrochen und die alte „katholische“ Werkgerechtigkeit feiert hier fröhliche Urstände: Man muss was tun für die Gesundheit, von nichts kommt nichts, wer stirbt, ist selber schuld. Und so rennen die Leute durch die Wälder, essen Körner und Schrecklicheres – und sterben dann doch. Inzwischen hat die Gesundheitsreligion sogar die christlichen Kirchen erreicht. Da gibt es „Heilfasten in der Fastenzeit“, der Pfarrer ist auch noch ganz stolz, die Quote stimmt, die Leute strömen in Massen. In Wirklichkeit ist das aber etwas ganz Anderes: Früher fastete man, um zu verzichten und dadurch vielleicht irgendwann in den Himmel zu kommen. Heute fastet man, um möglichst spät und möglichst gesund in den Himmel zu kommen, was natürlich ein völlig anderer Ansatz ist. Und auch der Ausdruck „Sünde“ hat sein Bedeutungsfeld verlagert. In der Kirche kommt er so gut wie nicht mehr vor, aber im Ernährungsbereich ist er allgegenwärtig, vor allem nach dem Konsum von Sahnetorte: Da habe ich mal wieder ein bisschen gesündigt, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Der Todfeind dieser allgegenwärtigen Gesundheitsreligion ist der Tod, und so tut man buchstäblich alles, um den Tod hinauszuschieben oder vielleicht sogar ganz zu vermeiden: Diätbewegungen gehen wie wellenförmige Massenbewegungen über Land, in ihrem Ernst die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters bei weitem übertreffend. Jede noch so absurde Ernährungsidee wird mit religiöser Ergrif12 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER In ihrem Ernst übertreffen Diätbewegungen die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters bei weitem. © suschaa/photocase.com

fenheit angenommen und mit glühendem Eifer wie eine Offenbarung verteidigt. Es gibt Gesundheitspäpste, radikale Sekten, wie die Veganer, mit Sektenoberhäuptern, die sich benehmen können wie Sau, wenn sie nur unermüdlich gegen Fleischverzehr zu Felde ziehen. Das Ganze ist inzwischen ein gigantisches Geschäft geworden mit Milliardenumsätzen weltweit. Natürlich sind all die Versprechungen kompletter Unsinn, denn man stirbt nach den Plagen pflichtgemäßer Gesundheitskasteiungen leider ebenso wie die anderen, allerdings mutmaßlich ärmer und freudloser. Ganz übel wird es allerdings, wenn naive junge Menschen sehenden Auges aus rücksichtsloser Habgier ins Elend gestürzt werden. Das beste Beispiel dafür ist Heidi Klum. Nachdem Studien ergeben hatten, dass ein Drittel der befragten magersüchtigen Frauen berichten, dass Klums Sendung „Germany’s next Topmodel“ entscheidend für ihre Erkrankung gewesen sei, erklärte der Sender mit vollendetem Zynismus, Übergewicht sei ein viel größeres Problem. Doch hier ist definitiv Schluss mit lustig: Magersucht ist nach wie vor die tödlichste psychische Erkrankung, fünf bis zehn Prozent der jungen Frauen sterben. Wenn Untersuchungen ergeben haben, dass nur vier Prozent der Frauen einen Körperbau haben, der model-geeignet ist, dann macht eine Sendung, die von fast 100% pubertierender Mädchen gesehen wird, 96% dieser jungen Frauen absehbar unglücklich. Die Gesundheitsreligion ist grausam. Manfred Lütz 13 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER

14 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER SCHWERPUNKT Über die Grenzen des Körpers hinausgehen können In der altgriechischen Sprache gibt es das Wortspiel vom Körper als Grab (der Seele): soma sema... So etwas gilt heute als leibfeindliche Vorstellung, als Degradierung des Körpers zur seelenlosen Hülse. Aber als Mensch mit einer Behinderung kann ich diese Erfahrung auch irgendwie verstehen: Der Körper kann zu einer brutalen Grenze werden. Gegenüber der Sehnsucht nach vitalem und im bunten Reichtum heute geradezu entgrenzten Leben sind die körperlichen Grenzen der Behinderung so brutal! Sie schneiden mitten in die Lebensmöglichkeiten hinein. Werfen ihr dunkles Gegenwort von Spastik und Bewegungsunfähigkeit, Erschöpfung und Schmerz in die Waagschale. Und ziehen die Freude am Dasein mitunter (fast) in den „Schmutz“ von Trauer und Verzweiflung. Es ist so wichtig, aber gerade dann Hoffnung zu bewahren, weil sich Grenzen verschieben und ich diese gestalten kann, weil mir so viele Hilfsmittel durch Medizin und Reha-Technik geschenkt sind: Medikamente, ein Pflegebett, ein Rollstuhl … Wie bei einer guten Physiotherapie, die die körperlichen Beschwerden durch Bewegungsübungen, Massagen, Streckung und Beugung zu behandeln versucht, gilt es, die Mitte zwischen guter Anspannung zu finden, die herausfordert, und übertriebener Belastung, die nur riesige Ermüdung provoziert. Wenn man die Balance trifft, lässt sich Versöhnung auch mit dem begrenzten Körper finden. Spitzensportler gehen bis an den Rand körperlicher Grenzen. Sie springen vom zehn Meter Turm im Wirbel der Körperdrehungen, springen über die mehr als sechs Meter hohe Latte. Und doch müssen auch sie letzte Begrenzungen akzeptieren, im Auge behalten. Damit sie nicht zu Opfern des ungezähmten Ehrgeizes und blinden Dopings werden, die ihren Ruhm später mit schweren Beeinträchtigungen bezahlen. Und das Geheimnis ist: Wenn Liebe durch den Magen geht, wie es das Sprichwort verheißt, dann geht Hoffnung durch den ganzen Körper. Der liebevolle Umgang mit dem eigenen Körper, das Maß wirklicher Körperkultur zwischen mutiger Entfaltung und bescheidener Grenzakzeptanz machen diese tiefe Erfahrung von Freude am (auch kranken!) Körper zugänglich. Die Palliativmedizin spricht davon: die vielen kleinen Erleichterungen – Hilfen zur Nahrungsaufnahme, Stillung von Schmerzen, Erleichterung für diejenigen, die nur noch liegen müssen, durch Berührung, Sprechen, Umarmen, einander fühlen… – sie ermöglichen wirklich eine ganz „geerdete“ und zugleich starke, mutige Hoffnung – bis hin zum Glauben an die Auferstehung mit Seele und Leib (Körper): unserer ganzen Person vor Gott. Josef Römelt CSsR © NatalieSchorr/shutterstock.com

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Zum Dompteur der eigenen Bedürfnisse werden „Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“, meinte Sokrates einst mit sich im Frieden seiend. Aber Gott sei Dank: Ganz frei von Bedürfnissen war auch er nicht. Jeder Mensch hat Bedürfnisse - auch große griechische Philosophen. So individuell sie erscheinen, so wesentlich formend sind sie letztlich, weil sie ihre Befriedigung wünschen. Abraham Maslow entwickelte einst eine Pyramide der Bedürfnisse, deren Basis existenzielle Grundbedürfnisse wie etwa Essen und Trinken aber auch Schlafen ausmacht und an deren Spitze die individuellen Bedürfnisse und die Selbstverwirklichung stehen. Erst wenn die Basis befriedigt ist, kann der Mensch zum Ziel gelangen, sich selbst zu verwirklichen. Auch Henry Murray unterscheidet zwischen körperlichen Bedürfnissen und stellt diesen psychogene Bedürfnisse gegenüber. Diese folgen keiner Hierarchie, und jeder von uns hat sie inne. Dazu zählen u.a. Leistung, Unabhängigkeit, Fürsorglichkeit, Ordnung oder Selbstdarstellung, aber auch Unterwürfigkeit, Aggression, Machtausübung und nicht zuletzt sozialer Anschluss oder Sexualität. Interessant, wie Maslow und Murray die Bedürfnisse in zwei Kategorien einteilen: in körperliche und psychische. Da werden die körperlichen gern zu primären Bedürfnissen. Dabei wird vergessen, dass beispielsweise das „psychische“ Bedürfnis der Sexualität ohne Körper recht schwer zu verstehen ist. Auch mag ein Mensch zwar ausreichend Nahrung haben und satt sein - aber wenn er sozial völlig isoliert wird, dann geht er dennoch buchstäblich auch körperlich zu Grunde. So erscheint es mir sinnvoll, diese Trennung zwar aus pragmatischen Gründen vorzunehmen, ihr aber dann keine endgültig praktische Konsequenz zuzurechnen. In meiner Praxis vergleiche ich Bedürfnisse gern mit Gefühlen. Einerseits weil sich Bedürfnisse oft über Gefühle melden. Andererseits, weil sie vieles gemeinsam haben: So wie es Gefühle gibt, die mir angenehm oder unangenehm sind, so gibt es auch Bedürfnisse, deren Ausleben mir angenehm oder unangenehm erscheint. Letztere mögen wir nicht so recht und würden sie am liebsten wegsperren. De16 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Jeder hat Bedürfnisse, die teils wie wilde Tiger wüten.

ckel drauf - Bedürfnis eliminiert. Eingesperrt werden sie schon keinen Ärger mehr machen - und Ärger wäre peinlich, denn am Ende nehmen ihn noch andere wahr, obwohl man doch das Image des stets freundlichen Menschen hat. Aber mit dem Wegsperren ist das so eine Sache. Das ist wie mit einem Tiger, dem man den Rücken zukehrt, um ihn nicht mehr zu sehen, in der Hoffnung, dass auch dieser einen dann nicht mehr sieht und somit weniger gefährlich wird. Nun ja - das genaue Gegenteil dürfte eintreten und der Tiger packt einen von hinten. Einem Gefühl wie auch einem Bedürfnis den Rücken zuzukehren, in der Hoffnung, es würde verschwinden, erscheint daher nicht als sinnvolle Strategie. Es klappt nicht! Stattdessen ist es sinnvoll, dem Tiger buchstäblich in die Augen zu blicken: Jeder von uns hat eine reiche Palette an Bedürfnissen, die teils in uns versteckt sind und teils wie wilde Tiger wüten. Man darf sie liebevoll wahrnehmen und ihnen qualitativen - körperlichen und seelischen - Ausdruck verleihen. Doch aktiv gestalten kann man nur, was man kennen und lieben gelernt hat - gerade auch an sich selbst. Erst dann kann man auch erkennen und aktiv entscheiden, wie, wann und ob man ein bestimmtes Bedürfnis befriedigen möchte. So kann man zum Dompteur seiner Bedürfnisse werden und sagen: „Wie zahlreich sind doch die Bedürfnisse, die ich zu gestalten weiß.“ Marco Hubrig SJ 17 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER © marqs/photocase.com

Mut zur Zärtlichkeit Wie Nähe und Zärtlichkeit gut zu gestalten sind, darüber können wir viel von Jesus selber lernen. Denn er war fähig zu tiefen Gefühlen, drückte sie differenziert und situationsangemessen aus und kannte keine Berührungsängste. Er lässt sich anfassen und spürt, wie dabei „eine Kraft von ihm ausströmt“ (Mk 5,30). Er belehrt die Kindervertreiber eines Besseren (Mk 10,13–16). Er nimmt bei der Hand (Mk 5,41). Er berührt einen anderen mit einem Teig aus Speichel (Joh 9,6). Er lässt sich salben (Joh 12,1–11). Er wäscht die Füße (Joh 13,1–20). Er sucht am Ölberg die Nähe seiner Jünger (Mk 14,32–42). Er lässt seine Wunden berühren (Joh 20,27). Er haucht die Jünger an (Joh 20,22). Er hat beim Friedensgruß die anderen ja wohl umarmt (Lk 24,36). Seine Liebe lässt frei und führt in die Freiheit: „Wollt auch ihr gehen?“ (Joh 6,67), fragt er seine Jünger. Eine eindrucksvolle und anrührende biblische Geschichte ist die Begegnung des Auferstandenen mit Maria von Magdala (Joh 20,11–18). Offenbar will Maria den auferstandenen Christus für sich allein behalten. „Halte mich nicht fest“, sagt Jesus zu ihr, und nicht, wie es in manchen alten Übersetzungen hieß: „berühre mich nicht“. Es geht eben nicht darum, dass sie ihn nicht berühren dürfte. Was sie lernen muss, ist vielmehr: Liebe lässt frei! In dem Moment, wo sie versucht ist zu klammern, muss sie lernen, dass wirkliche Liebe ein Kind der Freiheit ist. Jesus ist – nicht nur, aber auch – ein zärtlicher Mann. Sein Umgang mit den Randgruppen und Ausgestoßenen der Gesellschaft, aber auch sein Umgang mit den Frauen in der Bibel zeigen, dass Gott den Menschen zärtlichliebevoll zugetan ist. Immer wieder neu ist Aufgabe und Herausforderung, menschliche Nähe sowohl in asymmetrischen wie in symmetrischen Beziehungen zuzulassen und zu gestalten. Fünfmal wird im neuen Testament der „heilige Kuss“ erwähnt. „Grüßt einander mit einem heiligen Kuss“ – so beendet Paulus etwa den zweiten Brief an die Korinther (2 Kor 13,12) und schreibt eben nicht: „Grüßt einander mit dem heiligen Händeschütteln“. Und der erste Petrusbrief endet: „Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe“ (1 Petr 5,13). Dass solches in der Kirche irgendwann wieder möglich und nicht auf die Dauer verpönt sei oder unter Generalverdacht steht, ist zu hoffen und zu wünschen. Hermann Kügler SJ 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Jesus ist – nicht nur, aber auch – ein zärtlicher Mann.

Die Sprache, die Gott nicht verbergen kann Ist der Körper das Ehrlichste, mit dem wir uns zeigen können? Es heißt, der Körper lüge nicht. Es heißt, die Körpersprache gehe unseren Worten voraus. Was hat der Körper demnach mit Gott zu tun? Können wir ihn als Ausdruck von Wahrhaftigkeit verstehen und somit als Zugang zum Göttlichen? Am Kleinen Michel in Hamburg versuche ich diesen Fragen in Tanzprojekten, Workshops und Kursen nachzugehen. Können wir den Glauben über unsere Körper erfahren oder anders erleben? Wenn Du eins mit Gott bist, wie zeigt sich der Körper dann? Und wie würde eine bewusste Integration des Körperlichen in die Glaubenspraxis unseren Glauben und die Kirche bereichern? Nach meiner Erfahrung mit vielen Menschen ist der göttliche Hauch in jeder Person sichtbar. Ist der Körper aber eins mit sich und mit Gott, ist er einzigartig wunderbar. Eins sein bedeutet für mich, ganzheitlich gegenwärtig und durchlässig für Gott zu sein. Ich bin, weil ich bin da. Wir sind da. Wie würden wir aussehen, wenn wir einfach da wären? Gegenwärtig zu sein verlangt von mir auch, immer wieder loszulassen – ein Loslassen von Konzepten und ein Eintauchen in das, was wirklich ist. Über Körperübungen und Meditation können wir diese Anwesenheit gut einüben. Jesus hat uns öfters daran erinnert, dass Gottes Wirklichkeit anders sein kann, als wir sie uns vorstellen. Wir sollen wach sein. Wenn wir an Gott glauben, müssen und dürfen wir gegenwärtig sein. Es gibt einen Grund, warum der Körper eine große Fläche besitzt, durch die Gott eintreten kann. Wenn wir gegenwärtig sind, handeln wir aus Gott heraus. Ich halte diesen Aspekt für besonders wichtig, da unsere Gesellschaft dabei ist, ein übereifriges Wettrennen von Wissen, Konzepten und Beweisen anzufordern. Auch innerhalb der Kirche gibt es diese Hierarchien. Wir leben in einer sehr kopflastigen Gesellschaft. Ein Übermaß an Kopf tötet den Körper, weil der Körper versteift. Selbstverständlich geht es um die Einheit von Körper, Geist und Seele. Gebet ist Gebet. Sein ist sein. Ich denke nicht über Gebet. Ich bin Gebet. Ich bete. Dann gehört der Körper zu den ehrlichsten Gesten, mit denen sich Gott durch uns zeigt: radikal & unzensiert. Yasna Schindler 19 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER

Denken & Fühlen „Irgendwie habe ich dabei kein gutes Gefühl“ – ein Argument, das eigentlich gar keines ist. Oder doch? Emotionen, die sich körperlich niederschlagen – das berühmte Bauchgefühl –, lastet etwas Irrationales an. Sie sind nicht leicht objektivierbar und doch betreffen sie unser Innerstes, sorgen dafür, dass es uns gut oder schlecht geht. Dennoch spielen sie oft eine untergeordnete Rolle. Eine als „emotional“ bezeichnete Diskussion ist nicht bei der Sache und es braucht den oder die „Vernünftige“, die distanziert einen Überblick haben kann. Doch diese Trennung von Denken und Fühlen wird beiden Seiten nicht gerecht. Etwas kann sich körperlich zeigen, was sich nicht in Worte fassen lässt. Ich kann versuchen Dinge zu erklären, verständlich zu machen, doch es gibt einen Bereich, den ich nicht mitteilen kann. Und das trifft für das Wichtigste im Leben zu. Warum habe ich mich für diesen Weg entschieden? Was war ausschlaggebend, dass ich diesen Schritt gehen wollte? In den Exerzitien beschreibt Ignatius drei verschiedene Zeiten, in denen man eine Lebenswahl treffen kann. Die erste ist „ohne zu zweifeln noch zweifeln zu können“, die zweite „aus Erfahrung und Unterscheidung“ und die dritte ist eine „ruhige Zeit“ der Erwägung. Als reine Reflexion scheint also nur die letzte zählen zu können, in den beiden anderen fühle ich, was richtig ist. Für diese dritte Wahlzeit gibt Ignatius mehrere Regeln an, die helfen sollen zu einer guten Entscheidung zu kommen. Und obwohl er betont, dass nach intensivem Nachdenken darauf geachtet werden soll, „wohin sich die Vernunft mehr neigt“, hebt er zugleich hervor: „Wer wählt, soll also zuerst in sich verspüren, dass das Mehr oder Weniger jener Liebe, die er zu der Sache hat, die er erwählt, allein um seines Schöpfers und Herrn willen ist.“ Beide Bereiche gehören also zusammen und beide finden ihr Maß in ihrer Ausrichtung. Um was geht es mir? Was sind meine Motivationen und wo schleichen sich Nebenmotive ein, die ich sowohl durch ein scheinbar rationales Argumentieren als auch durch einen Verweis auf ein komisches Gefühl verschleiern kann? In den Exerzitien ist die Liebe das Kriterium, das zu einer wichtigen Entscheidung verhelfen soll. Wenn eine Wahl bestand haben soll, dann reicht nicht allein ein guter Grund, ein gutes Gefühl, sondern es kommt etwas hinzu, was größer ist, für das ich mich mit aller Kraft und allen Kräften einsetzen möchte. Ist das unvernünftig? Nein, aber es lässt sich 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Wenn eine Wahl Bestand haben soll, dann reicht nicht allein ein guter Grund, ein gutes Gefühl.

nicht allein mit der Vernunft erfassen und es birgt ein Risiko in sich. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Wer auf die Liebe in seiner Wahl setzt, der fühlt sich zwar gut, aber er setzt zugleich auf die begründete Hoffnung, dass auch in schwierigen Zeiten die Entscheidung Bestand hat. In einer Partnerschaft liegt der Verweis auf die Liebe nahe, ich erlebe wie es der oder dem anderen geht und ich versuche sie oder ihn zu verstehen, darauf zu reagieren, durch mein Nachfragen oder Schweigen, mein ganzes Verhalten. Manchmal habe ich ein gutes Feingefühl schon entwickelt, aber ich muss immer wieder dazulernen. Ignatius wendet dies auf unsere Beziehung mit Gott an, was er in unterschiedlichen Bildern und Situationen verdeutlicht. Das von ihm bevorzugte Wort ist verspüren (sentir), was ein körperliches Empfinden und eine Wahrnehmung sein kann. So kann ich herausfinden, was mich in meinem Leben weiterführt, wo ich wachsen und mich entwickeln kann. Ignatius schloss seine Briefe mit diesem Wunsch, dass Gott uns die „Gnade gebe, damit wir seinen heiligsten Willen verspüren und ihn vollständig erfüllen.“ Jörg Nies SJ 21 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER © Jala/photocase.com

„Tue deinem Leib etwas Gutes, damit die Seele Lust bekommt, darin zu wohnen.“ Dieses oft zitierte Wort von Theresa von Avila soll am Anfang stehen. Es dient sowohl als Anregung wie auch als Leitfaden. Weniger geht es darum, wie eine Mystikerin, die voll von geistig-geistlichen Dingen erfüllt ist, die zudem die „Launen des Leibes“ bestens kennt und auch bekämpft, wie eine solche Frau für die Rechte des Leibes eintritt. Nicht dahin geht das leitende Interesse, vielmehr auf den Inhalt des Rates selbst. Der Ratschlag, dem Leibe gut zu sein, verrät vorerst ein großes Wissen darüber, wie Leib und Seele miteinander verbunden sind. Zwei Wirklichkeiten, die verschieden, ja gegensätzlich sind, werden im Menschen zueinander geordnet; ja noch mehr, sie durchdringen einander zu einer „gegenstrebenden Harmonie“, so eng und fest, dass jede Regung, sei es die des Leibes oder der Seele, sich auf das Ganze auswirkt. Etwa so: Wo wir dem Leibe etwas Gutes tun, ihm Bewegung oder frische Luft gönnen, da profitiert auch die Seele davon, genauer noch, unser ganzes Dasein. Wir fühlen uns nach solchen Kuren besser in der eigenen Haut. – Aber auch das Gegenteil gilt: Wo wir den Leib missachten oder gar quälen, da leidet alles an uns. Es tritt mich jemand auf den Fuß, da schreit nicht mein Fuß, sondern ich, der Mensch mit Leib und Seele. Nun aber: Nicht bloß wirkt der Leib auf die Seele, sondern auch umgekehrt. Wir leben, aufs Ganze gesehen, nicht bloß von außen nach innen, sondern auch von innen nach außen. Unsere Gedanken, überhaupt geistige und geistliche Tätigkeiten, auch noch die Träume, schwingen in unseren Leib hinein und prägen ihn. Sie kommen in ihm zum Ausdruck, im Leibe ganz allgemein, im Gesicht, dem „Spiegel der Seele“, insbesondere. Mögen diese geistigen Gebilde noch so verschwommen oder abstrakt sein, sie wirken sich, wenn auch oft kaum sichtbar, im Leibe aus. Konkret, wenn auch subtil: In der Art und Weise, wie wir uns im Leib bewegen, wie wir ihn nähren und ihn kleiden, in seiner Wohlgestalt und Harmonie… je nachdem. Leib und Seele, eine Seinsmäßige Einheit! Was dem Leib an Gutem zukommt, ist für die Seele von Vorteil, für den ganzen Menschen. Nicht bloß für sein psychisches Wohlsein, seine innere Harmonie und Ausgeglichenheit, sondern auch – das ist das Neue – für seinen Glauben an Jesus Christus. Der Leib nämlich, so der heilige Paulus, ist nicht bloß eine Stätte der Seele, sondern auch Wohnung des Heiligen Geistes: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, und den ihr von Gott habt“ (1 Kor. 6,19). Deshalb der doppelt begründete Ratschlag, zum Leib gut zu sein, ihn zu lie- 22 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER GEISTLICHER IMPULS

ben, damit dieser Heilige Geist unseren Leib als ‚Wohnung‘ nehmen kann. Er bleibt nicht passiv, im Gegenteil, er wirkt und richtet sich ein, wo immer wir es ihm gestatten, er macht sich unseren Leib zu seiner Wohnung „schmückt diese mit Gold und Silber, so sehr, dass er am Ende selber verlangt, darin zu wohnen“ (Bernhard von Clairvaux). Unser Leib – ein Tempel des Heiligen Geistes. In ihm und durch ihn soll alles Ausdruck finden, was Gott in uns wirkt, sollen die Gaben, die er uns geschenkt hat, sichtbar werden. Auf diese Weise wird der Leib zum Medium, wird zur Bühne, auf der die Geschichte, die Gott mit uns Menschen angefangen hat, gespielt wird. In allen ihren Schattierungen, den Phasen und Abschnitten, den lichtvollen und dunkeln. In ihm soll göttliches Handeln sichtbar und greifbar werden, worauf der hl. Paulus hinweist, wenn er schreibt: „Verherrlicht Gott in eurem Leibe!“ (1 Kor. 6.20). – Grund genug, ihn freundlich zu behandeln und zu lieben. Den eigenen Leib lieben! So, wie er uns gegeben ist, in seiner Gestalt, auch in seinen Launen, seiner Schwachheit, auch da noch, wo er dem Geiste nicht oder nur mühsam gehorcht, wo er uns als ganz ungeeignetes Mittel vorkommt, etwas Heilig-geistliches darzustellen. Auch da ihn lieben! Das ist Auftrag und Herausforderung unseres Glaubens. – Und wie groß dieser Auftrag sein kann, das gibt uns der heilige Thomas zu bedenken, wenn er schreibt, wir sollten den eigenen Leib mit gleich (großer) Liebe lieben, wie wir Gott lieben (Summa theologica II II q. 25 a. 5.). Hans Schaller SJ © emanoo/photocase.com

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Neues aus dem Jesuitenorden Pater Johannes Siebner in Rom: Wie geht Provinzial? Zwei Wochen war Pater Johannes Siebner SJ, Provinzial der Deutschen Provinz, in Rom zum „Colloquium“ für neue Provinziäle. Diese Zeit ist ein Rahmen für Austausch unter den Provinziälen, die im vergangenen Jahr neu ernannt wurden, dem Generaloberen P. Arturo Sosa und der Generalskurie. Pater General Sosa, dem diese Einführung wichtig ist, nahm einen Großteil des Colloquiums aktiv daran teil. Die Gruppe: 13 Provinziäle der Provinzen Nordwest-Afrika, von den Antillen, Ecuador, Paraguay, Venezuela, Canada, Bombay (Mumbai), Hazaribagh (im Nordosten Indiens), Vietnam, Irland, Kroatien, Ungarn, und eben Deutschland. Schon die Zusammensetzung war für Siebner etwas Besonderes: „Es ist ein Privileg, Weltkirche at it´s best.“ Auf dem Programm stehen Austausch, Gespräch, gemeinsames Gebet, Hören und Erzählen. Neben dem Generaloberen waren zahlreiche Mitarbeiter der Generalskurie beteiligt, berichtet Siebner: „Ihre Botschaft: wir sind hier in Rom aus zwei Gründen: erstens und vor allem, um dem Generaloberen zu helfen und dann zweitens für Euch, die Höheren Oberen vor Ort. Und es stimmt: der ‚Apparat‘ nimmt sich selbst nicht wichtig, alle stellen sich in den Dienst.“ Als besonderes Erlebnis der zwei Wochen empJohannes Siebner SJ mit Papst Franziskus kurz nach der Morgenmesse in der Casa Santa Marta. © L‘Osservatore Romano

fand Siebner die Morgenmesse mit Papst Franziskus in Santa Marta und die kurze persönliche Begegnung mit ihm im Anschluss an die Messe. „Seine Herzlichkeit berührt und seine Einfachheit, der Humor und die Ernsthaftigkeit. Die ‚Freude am Evangelium‘, von der er stets spricht, strahlt er aus – das ist ansteckend.“ Canisius-Kolleg stellt muslimische Kopftuchträgerin ein Das Canisius-Kolleg in Berlin hat Europaweit Aufsehen erregt, weil es eine Kopftuch-tragende Muslimin eingestellt hat. „Wir haben uns bewusst für diese Kandidatin entschieden“, unterstrich der Rektor des katholischen Gymnasiums, Jesuitenpater Tobias Zimmermann, in mehreren Interviews im Dezember. Sie habe im Bewerbungsverfahren am meisten überzeugt. „Wir wissen, dass wir mit dieser Entscheidung einen Pflock eingeschlagen haben. Wir wollten es so.“ Wenn dies der Anfang einer offenen Debatte über Religion in unserem Land wäre, „dann wäre ich glücklich“, sagte der Rektor. Es sei ein wichtiger Beitrag zur Integration von Frauen, die faktisch ein Berufsverbot haben. Nach dem umstrittenen Neutralitätsgesetz von Berlin dürfen bestimmte staatliche Bedienstete u.a. Lehrer keine Kleidungs- und Schmuckstücke tragen, die demonstrativ für eine religiöse oder politische Position stehen. Das Gesetz gilt für staatliche, nicht aber für katholische Schulen wie das Canisius-Kolleg. Grünes Licht für das Bauprojekt „Heinrich-Pesch-Siedlung“ Aus der Idee einer Sozialsiedlung namens Heinrich-Pesch-Siedlung kann Realität werden. Die Pläne wurden bei einer Informationsveranstaltung der Öffentlichkeit und im Bauausschuss der Stadt Ludwigshafen vorgestellt. Dabei stießen sie auf große Zustimmung. Alle Parteien haben im Ausschuss einstimmig für das Projekt gestimmt. Das „Dorf“ soll auf einer Fläche von zehn bis zwölf Hektar entstehen, die sich im Besitz des Trägervereins des Heinrich-Pesch-Hauses (HPH) und der Gesamtkirchengemeinde Ludwigshafen befindet. Die Grundidee war eine Sozialsiedlung, Wohnungen für Menschen in prekären Situationen. Um einer Ghettoisierung entgegenzuwirken und um TeilJohannes Siebner SJ mit dem Generaloberen P. Arturo Sosa SJ (sechster v.l.) und den anderen Neu-Provinziälen. © SJ-Bild 25 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER

habe an der Gesellschaft zu ermöglichen, braucht es ein Stadtviertel, das alle Bevölkerungsgruppen umfasst, betonen Experten. Geplant sind 450 Wohneinheiten für bis zu 1500 Bewohner. Bestandteile des Dorfes sollen auf jeden Fall ein Begegnungshaus und ein Quartiersmanager sein. Angedacht sind außerdem eine Kindertagesstätte und möglicherweise eine Grundschule. Neue Medienplattform im Vatikan Im Zuge der vatikanischen Medienreform ist Mitte Dezember ein neues Medium an die Stelle von „Radio Vatikan“ getreten. Unter dem Titel „Vatican News“ (www. vaticannews.va) berichten die verschiedenen zuvor getrennt arbeitenden Medien nun gemeinsam. Begonnen wurde mit zunächst sechs Sprachen, neben Italienisch sind das Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Deutsch. Nach den ersten Monaten ist Pater Bernd Hagenkord, der bisherige Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan und nun Chef vom Dienst der neuen gemeinsamen Redaktion, zufrieden: „Der Umstieg hat sich gelohnt. Es hakt und holpert immer mal wieder bei der Umsetzung, aber das ist letztlich ein gutes Zeichen, wir wandeln uns und debattieren und kommunizieren. Das Ergebnis ist schon besser als vorher. Und es wird noch besser.“ Im Auftrag des Generaloberen koordiniert Pater Hagenkord auch die Aktivitäten der knapp 20 in den Vatikanmedien beschäftigten Jesuiten. Diakonweihe und letzte Gelübde bei den Jesuiten Drei junge Jesuiten wurden im Februar in Berlin zu Diakonen geweiht worden. Der Berliner Erzbischof Dr. Heiner Koch spendete Clemens Kascholke SJ (München), Sebastian Maly SJ (Berlin) und Jörg Nies SJ (Rom) die Weihe in der vollbesetzten Kirche St. Canisius in Berlin-Charlottenburg. Zwei Monate zuvor haben in München Patrick Zoll SJ und Holger Adler SJ ihre letzten Gelübde abgelegt. Zoll versucht die Feier als eine Art „Silberhochzeit“ mit dem Orden zu übersetzen. „Nach einer langen Zeit des Zusammenlebens sagt man noch einmal ‚Ja‘ zueinander.“ Zoll ist Dozent für Metaphysik und Politische Philosophie an der Hochschule für Philosophie in München. Nach nun fast 20 Jahren Ausbildung zum Jesuit folgen also die endgültigen, die letzten Gelübde. Bei der Feier hat Zoll die drei Versprechen (Armut, Keuschheit und Gehorsam) aus den ersten Gelübde wiederholt, und ein viertes Gelübde ist hinzugekommen – der Papstgehorsam. Am 19. März legt P. Trieu Quoc Nguyen SJ in Nürnberg (18 Uhr Sankt Klara) ebenfalls seine letzten Gelübde ab NACHRICHTEN 26 JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Das Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen.

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