Jesuiten 2018-3

In der Welt, aber nicht von der Welt Vor fast zehn Jahren hat Papst Benedikt XVI. der Kirche in Deutschland ein Schlagwort hinterlassen: „Entweltlichung“. Sein Kritikpunkt damals: Die Kirche laufe Gefahr, mit sich selbst zufrieden zu sein, sich in der Welt einzurichten und selbstgenügsam zu sein. Eine Gefahr, auf die auch Papst Franziskus immer wieder hinweist. In Evangelii Gaudium schreibt er: „Mir ist eine ‚verbeulte’ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straße hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigene Sicherheit zu klammern, krank ist. Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist.“ (EG 49) Eine Kirche, die zu sehr um sich selbst kreist und keinen Zugang zur Welt findet, macht sich selbst überflüssig. Sie ist „verweltlicht“, wenn sie immer nur besorgt ist, selbst der Mittelpunkt zu sein. Diese Kirche ist dann vielleicht von der Welt, aber nicht in der Welt. Ein Gegenentwurf dazu ist die Kirche, die im guten Sinne „ent-weltlicht“ ist: Ihr Haus ist die Welt, sie ist in der Welt, aber nicht von der Welt. Sie will die Welt verändern und hat ihr etwas zu sagen. Der flämische Arbeiterpriester Ägied van Broeckhoven SJ schreibt in seinem Tagebuch: „Wir müssen also herausfinden, wie die Menschen sich HEUTE nach Gott sehnen aus ihrem ganzen Herzen, ihrem Wesen, ihrem Leben; oder eher, wie Gott den Menschen die Sehnsucht nach ihm eingibt“ (17.10.1964). Die „Welt“ darf der Kirche nicht egal sein und gleichzeitig darf sie nicht in ihr aufgehen. Damit die Welt das Haus der Kirche sein kann, braucht es Kenntnis von der Welt. Um diese Kenntnis zu erlangen, muss sich die Kirche auf die Welt einlassen, wie auch Jesus sich ganz auf diese Welt eingelassen hat, ohne in ihr aufzugehen. In Broeckhovens Worten: „Die Gottessehnsucht in der Welt zu erkennen wird nur aus einer echten Begegnung mit der Welt heraus gelingen: Christi Menschwerdung.“ (25.11.1964). Karl Rahner spricht in Bezug auf die ignatianische Spiritualität von einer „Mystik der Weltfreudigkeit“. Die Welt ist der Ort, wo die Heilsgeschichte erfahrbar wird, so noch einmal Broeckhoven: „Wir haben den Menschen nicht allein die Heilsgeschichte zu verkündigen, wir müssen selber Heilsgeschichte werden, so wie Jesus Heilsgeschichte geworden ist.“ Dag Heinrichowski SJ 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2018 n DIE WELT – UNSER HAUS © deyangeorgiev/photocase.com

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