Jesuiten 2021-1

18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Pensioniert – und was kommt dann? Bis 2014 war ich 38 Jahre lang mit viel Freude Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik. Der Übergang vom Arbeitsleben in die Pension fiel mir nicht leicht. Gaben bis zu diesem Zeitpunkt Unterricht, Korrekturen und Konferenzen weitgehend den Rahmen für das tägliche Leben vor, musste ich nun schlagartig den kompletten Tagesablauf selbst gestalten und ihm eine sinnvolle Struktur geben. Auch meine beiden Söhne hatten das Elternhaus in ihr eigenes Leben verlassen; meine Frau war noch berufstätig. Zusätzlich machte ich die Erfahrung, dass ich mich als Mann stark über den Beruf definiere und daher das Ende des Berufslebens eine besondere Herausforderung an mein Selbstwertgefühl darstellt. Glücklicherweise machte ich mir bereits vor der Pensionierung rechtzeitig Gedanken, wie ich die Pensions-Zeit sinnvoll gestalten könnte, denn ich war mir der Herausforderung bewusst. Ich wollte auf jeden Fall weiter mit jungen Menschen zu tun haben: Nachhilfe geben in Mathematik und mich als Tutor für Theologiestudenten engagieren. In einem gleitenden Übergang begann ich im „Weißen Ring“ Opfer von Straftaten zu betreuen und in der Prävention gegen Jugendkriminalität an Schulen und in Jugendgruppen tätig zu sein. Jeder wird entsprechend seinem Naturell das Berufsende unterschiedlich erleben. Die Unterstützung gerade zu Beginn dieser Umstellungsphase durch andere war dabei eine wichtige Hilfe – für mich auch in der geistlichen Begleitung. Der Wegfall der Fokussierung auf die beruflichen, oft hektischen Abläufe im Schulbetrieb schuf mir auch den Freiraum für einen größeren spirituellen Tiefgang, wozu u.a. die Reflexion über den bisherigen und zukünftigen Lebensweg gehörte: · Wofür bin ich dankbar – in meinem vergangenen Berufsleben, in meiner Familie und was ich an geistiger, körperlicher Rüstigkeit habe? · Wie kann für mich „Sendung“ aussehen – Neues beginnen oder Bewährtes in anderer Form fortführen; offen sein dafür, wo ich in meinem Umfeld gebraucht werde? · Wie lerne ich schrittweise loszulassen von Materiellem („Entrümpeln“) sowie im Laufe der Zeit von körperlichen, geistigen Fähigkeiten? · Wie kann eine realistische, vertrauensvolle Beschäftigung mit den „letzten Dingen“ aussehen, u.a. die Regelung des Nachlasses und das Verfassen von Patientenverfügungen?

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