Jesuiten 2021-1

schwach stark 2021/1 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild Collage © joseyyo estudio „Starkschwach“ oder „schwachstark“ – freilich sind das Wörter, die es noch gar nicht gibt. Der Duden jedenfalls kennt sie nicht. Trotzdem gibt es solche Momente im Leben: Dann, wenn wir uns vor Trauer kaum rühren können und die Tränen uns wieder Kraft geben. Dann, wenn eine Narbe nicht mehr an eine Operation oder einen Unfall erinnert, sondern mit einem Tattoo ein spannendes Duett bildet. Dann, wenn eine Rollstuhlskaterin nicht mehr ihre Einschränkung sieht, sondern sich auf die nächste Herausforderung freut. Dann, wenn sich Unschlüssigkeit im Gebet zu Klarheit wandelt. Stärke und Schwäche liegen weitaus näher zusammen, als wir oft denken. Genau das zeigen die Bilder in diesem Heft. Stefan Weigand Diese Druckerzeugnis wurde klimaneutral hergestellt, d.h. die mit der Produktion quantifizierten CO2-Emissionen werden durch Klimaschutzzertifikate kompensiert. Ausgabe März/2021 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Konkurrenz 4 D ie Welt ist unfair 6 Schwächen des Pädagogen!? 8 V eränderung ist möglich 11 I gnatius – seine Verletzlichkeit und Schwäche 12 Beichten – Zusammenspiel von Schwäche und Stärke 14 Stärke zulassen auf dem Weg der Musik 16 „Projekt Lebensmitte“ 18 Pensioniert – und was kommt dann? 20 Eine Zeit der Herausforderung im Krankenhaus Geistlicher Impuls 22 Ehrlich bedürftig Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien/Buch 29 Erfüllt leben. Ein ignatianisches Fitnessbuch Vorgestellt 30 Die Sorge für das gemeinsame Haus 33 Die besondere Bitte 34 Autoren dieser Ausgabe 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Wenn ich schwach bin, bin ich stark! Liebe Leserinnen, liebe Leser, was ist Ihre Stärke? Was ist Ihre Schwäche? Wie gehen Sie mit Ihren Stärken und Schwächen um? Der Apostel Paulus verbindet in seinem zweiten Brief an die Korinther auf paradoxe Weise die Eigenschaften von Stärke und Schwäche – „wenn ich schwach bin, bin ich stark!“ Mit diesen Worten drückt Paulus aus, dass er sich in der Annahme seiner Schwäche für Christus öffnet und aus ihm seine Stärke gewinnt. Im vergangenen Jahr wurden wir aufgrund der COVID-19-Pandemie auf ungewohnte Weise mit unserer Schwachheit und Verletzlichkeit konfrontiert. Zugleich sind viele Menschen über sich herausge- wachsen und haben im Einsatz für andere unter der Gefahr ihres Lebens Stärke bewiesen. In diesem Heft beschreiben Menschen aus der Perspektive verschiedener Lebenssituationen und Tätigkeiten, wie sie mit ihrer Schwachheit und Stärke umgehen. Vielleicht können Sie im Anschluss an die Lektüre des Heftes wie der Apostel Paulus einen anderen Blick auf Ihre Stärken und Schwächen einnehmen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen! Christian Braunigger SJ Clemens Kascholke SJ 1 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

Konkurrenz Eine gute Freundin von mir surft schon seit dreißig Jahren. Als ich sie kennenlernte, wollte ich unbedingt auch so toll surfen können wie sie. Es hat mich wahnsinnig motiviert, die Dinge zu lernen, die sie schon konnte. Ich bin ihr nachgefahren, sie hat mir nützliche Tipps gegeben und ich konnte mir viel bei ihr abschauen. Schritt für Schritt habe ich versucht, immer mehr an ihr Level heran zu kommen. Mit der Zeit bemerkte ich aber, dass wir einen völlig unterschiedlichen Stil bevorzugen. Sie fährt gern Boards und Segel, mit denen ich nicht gut zurechtkomme, ich mag andere Manöver als sie und setze andere Fahrtechniken ein. In mancher Hinsicht musste ich mich also von meinem Vorbild trennen und meinen eigenen Weg finden. Eine Zeitlang habe ich dies als Konkurrenzsituation erlebt, bis ich – auch mit Hilfe von anderen Vorbildern – meinen eigenen Style entwickelt hatte. Windsurfen ist eine Einzelsportart, es geht nicht darum, was richtig ist, sondern was für mich auf dem Wasser funktioniert und Spaß macht. Konkurrenz erlebe ich nicht nur beim Surfen, sondern auch an Land gerate ich immer wieder in Situationen und an Menschen, die mich herausfordern. Da spielen Gefühle von Unsicherheit, Eifersucht, Neid und Ver- sagensängste eine Rolle. Ich kenne das von beiden Seiten, aus der Perspektive der Unter- wie der Überlegenen. Beides fordert heraus, damit gut umzugehen. Das eine nicht verbittert oder intrigant, das andere nicht selbstgefällig und überheblich zu werden. Was ich hier für mein Leben vom Surfen lernen konnte, war: Mich an anderen zu orientieren und mich gelegentlich mit ihnen zu messen, tut gut – mich dauernd an ihnen zu messen nicht! Von der lateinischen Wortbedeutung concurrere her hat Konkurrenz gar nichts mit dem Kampf zu tun, an den wir schnell denken, sondern bedeutet lediglich »miteinander laufen«. Es geht eher um einen gemeinsamen Weg, um persönliches Wachstum. Sich messen mit und sich messen an ist also nicht dasselbe! − Sich mit jemandem[…] Den eigenen Maßstab zu finden, nennt man christlich die eigene Berufung entdecken. Eine Berufung haben nicht nur »besondere« oder »fromme« Menschen wie die Propheten in der Bibel oder Ordensleute. In jedem Menschen steckt tief verborgen eine besondere Berufung und eine einzigartige Leidenschaft. Wir müssen ihr nur auf die Spur kommen. Das Finden dieser persönlichen Berufung oder Bestimmung ist Lebensaufgabe, die Suche danach zugleich die beste Lebensstrategie. Vielleicht hast du dich schon mal spontan Gott nahe oder einfach am richtigen Platz gefühlt? Dann warst du wahrscheinlich schon sehr nahe an dem dran, zu dem du berufen bist und auch deine besonderen Talente und Fähigkeiten mitbekommen hast. Das kann etwas sehr Einfaches und ganz Alltägliches sein: Menschen, die ihren 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

Job lieben, ein musikalisches oder sportliches Talent, die Fähigkeit, andere zu trösten, ein strahlendes Lächeln, bei dem anderen das Herz aufgeht, oder einfach eine gute Freundin sein zu können. Die persönliche Berufung liegt nicht auf der Ebene deines Tuns, sondern auf der Ebene des Seins. Sie ist dein persönlicher Maßstab und zeigt sich in deiner unwiederholbaren Einmaligkeit. Der Windsurfer Boujmaa Guilloul hat mal in einem Interview auf die Frage, warum er als Profi an vielen Wettkämpfen nicht teilnehme, geantwortet, er wolle gar nicht der beste Windsurfer der Welt und besser als die anderen sein. Er wolle vielmehr für sich selbst der beste Windsurfer sein, Spaß da draußen haben und seine Limits immer weiter pushen. Immer mehr werden, wer wir wirklich sind, und ein Leben führen, das sich nach Fülle anfühlt. Ignatius drückt es so aus: »Nur wenige ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich seiner Führung rückhaltlos überließen.« Das Gefühl von innerer Stimmigkeit kann helfen, dem Leitmotiv des eigenen Lebens auf die Spur zu kommen. Was tue ich gern? Wann fühle ich mich wohl? Wo bin ich ganz bei mir? Es verändert sich viel, wenn ich annehme, dass ich goldrichtig und gottgewollt bin (vgl. Ps 139). Freude an dem, was man tut, ist also sowohl bei der Suche nach der eigenen Berufung als auch bei der Suche nach dem eigenen Surfstil ein guter Wegweiser. Aus: Esther Göbel „Surf&Soul. Mit Gott die Wellen des Lebens reiten“, Herder 2020 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK 3 © Viktoriia Hnatiuk iStock.com

Die Welt ist unfair Sie sind in einer wildfremden Stadt. Keiner spricht Ihre Sprache. Trotzdem müssen Sie von A nach B kommen. Schon schwierig. Jetzt stellen Sie sich das gleiche vor, wenn Sie eine beschlagene Brille aufsetzen und sich ein Auge zuhalten. – Das ist ein wenig konstruiert, aber so geht es mir regelmäßig. Ich bin Journalist und stark sehbehindert. Mein Ausweis sagt sogar, dass ich nach Definition „hilflos“ bin, also nicht in der Lage, meinen Alltag ohne fremde Hilfe zu meistern. Trotzdem bin ich als Auslandsreporter regelmäßig alleine unterwegs, auch in Krisengebieten, und habe gelernt mit meiner Behinderung umzugehen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich heute anders leben könnte oder wollen würde. Aber von Anfang: Mein Name ist Renardo Schlegelmilch, ich bin 1988 in Eisenach, Thüringen geboren, und von Geburt an sehbehindert. Was genau nicht mit mir stimmt, habe ich selbst nie so ganz verstanden. Als Baby hat man Fotos von mir für ein Lehrbuch gemacht. Der Name meiner Krankheit geht über zwei Zeilen. Wichtig ist nur zu wissen: Ich bin auf dem rechten Auge blind und sehe links irgendwas zwischen zehn und 20 Prozent. Wie kommt man damit klar? Ich kenne es nicht anders. Schon immer musste ich mir eine Lupe zur Hand nehmen, wenn ich etwas lesen wollte – oder eben nachfragen. Autofahren ist natürlich auch nicht drin. All das würde ich aber eher als Unannehmlichkeiten, denn als Behinderung, betrachten – ehrlich gesagt. Die größere „Behinderung“ war es für mich schon als Kind gegen die Vorurteile meines Umfeldes anzukämpfen. Von meiner Schule habe ich später erfahren, dass nie jemand gedacht hätte, ich würde ein Abitur schaffen. Wie auch? Der Junge sitzt in der ersten Reihe und kann nicht sehen, was an der Tafel steht. Im Sportunterricht hat mich mein Lehrer mal eine Stunde lang vor einen Basketballkorb gestellt, bis ich den Ball reinbekomme. Dass ich wegen fehlenden räumlichen Sehvermögen gar keine Ahnung hatte, wo der Korb wirklich ist, hat ihn dabei nicht interessiert. Ich will aber nicht jammern, sondern ein wenig inspirieren. Im Nachhinein bin ich für diese Erfahrungen dankbar. Die Welt ist unfair – für jeden. Wenn man aber lernt sich trotz widriger Umstände durchzubeißen, kann man - nach meiner Erfahrung - nicht nur mit den anderen mitziehen, sondern aus einigen Schwächen sogar Stärken machen. Natürlich bin ich nicht unrealistisch. Ich hätte nie Fotograf oder Scharfschütze werden können. Ich habe aber gelernt im Radio zu arbeiten. Mit 13 habe ich damit angefangen und gemerkt, hier geht es um das, was man hört, nicht was man sieht. Ich bin bei weitem nicht der Einzige, der zu diesem Schluss gekommen ist, überdurchschnittlich viele sehbehinderte und blinde Menschen arbeiten im Rundfunk. Ich bin mir sicher, Sie haben auch schon mal einen Blinden im Radio gehört – ohne es überhaupt zu realisieren. 4 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

5 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK In der Schule habe ich die Tafel nicht lesen können, weshalb ich mir sämtliche Notizen vom Erzählen der Lehrer direkt aufschreiben musste. Das war einiges komplizierter als für die anderen Kinder, die einfach am Ende der Stunde in fünf Minuten die Tafel abgeschrieben haben. Aber: Dafür muss ich mir heute, wenn ich Interviews führe oder von Veranstaltungen berichte, keine Notizen machen. Was wichtig ist, bleibt im Kopf, außer den Zahlen, mit denen habe ich es nicht so. Vieles von dieser Lebenshaltung habe ich meinem Vater zu verdanken. Mein Vater ist seit Kindertagen blind. Wenn wir unterwegs waren, war ich immer der, der mehr gesehen hat. Da konnte ich gar nicht in Selbstmitleid verfallen. Wichtiger noch: Mein Vater hat mir beigebracht, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt, auch wenn der Weg dahin länger oder komplizierter ist als bei anderen Leuten. Das habe ich mir als Lebensmotto mitgenommen. Und deshalb schrecke ich auch nicht vor Herausforderungen oder neuen Erfahrungen zurück. Als ich nach der Schule von Zuhause auszog, fragte ich mich: Wie soll das nur werden? Wie komme ich klar, wenn ich weder Schilder noch Pläne lesen kann? Durch die Erfahrung lernt man aber: Man kommt nie in eine ausweglose Situation. Notfalls fragt man halt jemanden, oder verfolgt seine Schritte zurück zum Ausgangspunkt (im übertragenen, wie im wörtlichen Sinn). In Ägypten, im Kosovo, in Israel – selbst in Krisengebieten war ich schon alleine unterwegs. Ich bin gerne im Ausland. Neue Menschen, neue Eindrücke – zum Sehen, Riechen und Hören finde ich eine große Bereicherung. Natürlich ist das Leben im gewohnten Umfeld einfacher. Auf fremden Wegen muss ich oftmals auf jeden Schritt achten, um nicht über Kanten zu stolpern. Trotzdem: Würde ich diesen Mehraufwand nicht eingehen, würde ich im Leben vieles verpassen, und das ist keine Alternative für mich. Ich glaube nicht, dass mein Schicksal etwas Besonderes ist. Ich sehe schlechter, andere können dafür nicht so gut einparken. Jeder von uns hat im Leben mit Situationen zu tun, in denen wir auf unsere Weise an Grenzen stoßen. Meine Botschaft ist: Lernt, wie Ihr aus euren Schwächen das beste machen könnt! Dann wird aus der Schwäche unter Umständen eine Stärke. Renardo Schlegelmilch Mein Ausweis sagt, dass ich nach Definition „hilflos“ bin.

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Schwächen des Pädagogen!? Folgt man einer klassischen Begriffserklärung eines Wörterbuches, was eine Schwäche sei, sind vier Bedeutungsebenen zu unterscheiden: 1. Schwäche als ein Mangel an körperlicher Kraft bzw. fehlende Funktionstüchtigkeit eines körperlichen Organs. 2. Schwäche als charakterlicher Mangel oder Fehler. Wenn wir zum Beispiel sagen: „Jeder Mensch hat seine Schwächen.“, dann steuern wir genau diese Ebene an. 3. Mehr umgangssprachlich meint Schwäche eine Vorliebe oder Zuneigung für Personen oder Gegenstände. „Ich habe eine Schwäche für Menschen mit dunklen Augen und langen Wimpern.“ 4. Schwäche als fachlicher Man- gel oder fehlende Professionalität. Ohne Zweifel erfüllt jede Lehrerin und jeder Lehrer, jede Pädagogin und jeder Pädagoge alle vier Bedeutungsebenen. Während Ebene 1 banal ist und Ebene 3 nur dann zum Tragen kommt, wenn Schülerinnen und Schüler zu Recht oder Unrecht kommentieren, dass diejenige eine Schwäche für Schüler in der ersten Reihe habe oder derjenige die Orchestermusiker eines Mu­

sikkurses bevorzuge, führen die Ebenen 2 und 4 eher auf die richtige Spur. Charakterliche Schwächen wie Ungeduld, Neigung zu Wutausbrüchen oder mangelnde Empathie spielen im schulischen Alltag unbedingt eine Rolle, sind aber schwer zu qualifizieren. Es mag Lehrerinnen und Leh- rer geben, die – was ihre berufliche Profession angeht – keine dieser charakterlichen Schwächen haben. Und die vierte Ebene der fachlichen Profession kann sicherlich im Alltag gelegentlich vorkommen, ist je- doch durch ein jahrelanges Studium und eine sich anschließende Referendariatszeit minimiert. Diese Hinweise über die Begriffserklärung führen meines Erachtens zwar zu nachvollziehbaren Einsichten, bleiben aber doch im Allgemeinen oder fast Nichtssagendem hängen. Stattdessen schlage ich vor, einen anderen Begriff zu verwenden, der besser geeignet ist, die Tiefendimension der Fragestellung aufzudecken: Unfertigkeit. Als ich den Artikel „Unfertig professionell – professionell unfertig“ von Henning Pätzold entdeckte, hielt ich den Begriff „Unfertigkeit“ sofort für weit passender als „Schwäche“. Warum? Ich stehe auf dem Standpunkt, dass das Verhältnis bzw. die professionelle Beziehung von Kind/Jugendlichem zum Pädagogen vom Wesen her asymmetrisch ist. Die Lehrerin oder der Lehrer sind bezüglich fachlicher Kenntnisse, Lebenserfahrung und vor allem Verantwortung und Pflichtbewusstsein nicht in einer „partnerschaftlichen Beziehung“ zum Schüler. Das wäre fatal. Ein altes pädagogisches Urbild spricht vom „erziehungsbedürftigen“, „unfertigen“ Kind und dem „fertigen“ Lehrer. Und diese grundsätzliche Asymmetrie ist nicht zu verwässern. Schaut man aber genauer auf die Komplexität des unterrichtlichen Geschehens, das sich aus einer Dynamik zusammensetzt, die eine inhaltliche Ebene (Aufbereitung von Lerngegenständen, die sich Schüler vor dem Hintergrund individueller Erfahrungen und Kenntnisse anzueignen versuchen) bedient, in einem spezifischen, sozialen Kontext stattfindet und diverse gruppendynamische Prozesse auslöst, dann ist ersichtlich, dass diese nicht einfach auflösbar ist – weder in die eine noch in die andere Richtung. Der Prozess und das Ergebnis jeder einzelnen Unterrichtsstunde, aber auch jedes pädagogisch-erzieherischen Gesprächs ist nicht sicher vorhersehbar und planbar. In diesem Sinne ist jede Lehrerin oder jeder Lehrer „unfertig“. Oder noch allgemeiner: Jeder Mensch ist in dem (teilweise) unverfügbaren Prozess und der nicht planbaren Dynamik des Lernens ein „Unfertiger“. Erst auf Basis dieser Einsicht macht ein Konzept des „Lebenslangen Lernens“ Sinn. Ich sehe zwei Konsequenzen: a) Die Lehrerin oder der Lehrer ist herausgefordert, die eigene Unfertigkeit anzunehmen, zu reflektieren und ggf. professionell zu bearbeiten (Fortbildungen, Supervision). b) Die Einsicht in eine teilweise nicht beherrschbare oder planbare Komplexität z.B. des Unterrichtsgeschehens sollte integraler Bestandteil einer professionellen Grundhaltung des Lehrers oder der Lehrerin sein. „Unfertigkeit“ ist folglich nicht als Manko oder Defizit zu verstehen. Vielmehr eröffnet sie den Raum zum Nachdenken und für kollegiale Gespräche, zum einen selbstbewusst und realistisch, zum andern selbstkritisch und unzufrieden auf das eigene Tun und Wirken zu schauen. „Unfertigkeit“ eröffnet den Raum für individuelle und systemische Veränderungsprozesse. Mathias Molzberger 7 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK © caracterdesign iStock.com

Veränderung ist möglich Das Theater der Unterdrückten nach Augusto Boal Wie erreicht man Veränderung? Einen interessanten Ansatz bietet das „Theater der Unterdrückten“ des brasilianischen Theatermachers Augusto Boal. Ausgangspunkt waren Boals Erfahrungen in den Militärdiktaturen in Brasilien und Argentinien in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. In schwierigen Zeiten entwickelte Boal eine Reihe von spielerischen Formaten, die bis heute in der ästhetischen und politischen Bildung wirksam sind. Im „Bilder- und Statuentheater“ formen die Teilnehmenden Statuen aus ihren Gegenübern oder aus der ganzen Gruppe und entwerfen so Bilder, wie sie bestimmte Aspekte ihres Lebens sehen. Ein solches „Realbild“ zeigt zum Beispiel, wie man sich gerade fühlt, wie man sich beruflich einschätzt oder welchen Blick man auf Familie hat. Das Realbild bildet Subjektivität ab. Gesucht wird nach Verhältnissen, mit denen man nicht einverstanden ist, die man verändern möchte, – Boals Definition von „Unterdrückung“. Im nächsten Schritt ist es erlaubt zu träumen: Geformt werden „Wunschbilder“. Wie würde ich mich gerne fühlen? Wie möchte ich beruflich stehen? Wie erträume ich mir Familie? Dieser Schritt fällt vielen schwer. Oft erlaubt man sich nicht, den Wunsch überhaupt abzubilden. Innere Gedanken wie „das ist unrealistisch“ stehen der Utopie im Weg. In einem dritten Schritt entstehen „Übergangsbilder“, also Schritte zwischen dem Real- und dem Wunschbild. Was müsste man tun, um den Wunsch zu erreichen? Die konkrete körperliche Arbeit lässt hier oft andere Ergebnisse entstehen, als dies bei einem Gespräch der Fall wäre. Dabei ist wichtig, dass niemand die Richtung vorgibt, die Teilnehmenden selbst entscheiden, welche Schritte für sie die richtigen sind. Das Forumtheater geht noch einen Schritt weiter. Zunächst wird eine Szene vor Publikum gespielt, in der eine Hauptfigur an etwas gehindert wird, was sie sich wünscht. Dabei können sowohl reale Personen als auch innere Gedanken auftreten und durch Darsteller*innen verkörpert werden. Danach wird die Szene wiederholt. Jetzt darf jede/r aus dem Publikum die Szene anhalten und selbst in die Rolle des Protagonisten schlüpfen. Die Gegenspieler der Szene können nicht ausgetauscht werden – wie im echten Leben auch. Aber was könnte die Protagonistin in dieser Situation tun? Was dann passiert, ist reine Improvisation. Man probiert Veränderung, sammelt Lösungen, springt in der Szene vor und zurück, kreiert, wenn nötig neue Figuren, erlebt Rückschläge und überraschende Wendungen. Eine Szene handelte zum Beispiel von einem Jungen mit einer arabischen Mutter. Obwohl er gute Noten hat, wird er nach der vierten Klasse auf die Hauptschule ge- 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK © time photocase.com

schickt, während sein deutscher Freund mit einem schlechteren Notenschnitt auf die Realschule gehen darf. Das Forumtheater verlangt unseren ganzen Einsatz. Erst mit Hilfe weiterer Figuren, einem freundlichen Schulrat, unterstützenden Eltern und dem ganzen Mut des Kindes gelingt es uns, bei den hartnäckigen Direktorinnen die Empfehlung für die Realschule zu erreichen. Ob dies in Wirklichkeit möglich gewesen wäre, wissen wir nicht. Aber es ist gut zu erfahren, dass es in der Probe möglich war. Beide Formate Boals handeln von Ressourcen, von dem, was möglich ist, selbst bei starkem Gegenwind. Sie widerlegen den Satz „Da kann man sowieso nichts machen.“ Und setzen auf die Stärken, die wir schon haben, selbst wenn sie uns nicht immer bewusst sind. Im Spiel können wir mehr. Lorenz Hippe 9

Ignatius – seine Verletzlichkeit und Schwäche Wenn wir Ignatius von Loyola um ein Wort des Trostes oder um einen Rat bitten könnten, was würde er uns Frauen und Männern des 21. Jahrhunderts sagen? Was würde er uns mit auf den Weg geben, die wir von einer Mentalität geprägt sind, dass die eigene Verletzlichkeit und Schwäche zu verstecken sind? Was würde uns Ignatius mitteilen, da uns die Pandemie unsere Verletzlichkeit und Schwäche deutlich vor Augen hält? Ignatius gab zu seiner Zeit Regeln wie z.B. „Almosen zu verteilen“ sind oder zu den „Verhaltensweisen beim Essen.“ Würde er uns heute „Regeln für das Verhalten in der Zeit der Verletzlichkeit“ anbieten? Möglich. Ignatius empfahl für viele erdenkliche Situationen auch Übungen. Würde er uns heute eine Übung vorschlagen, um durch die Zeit der Verletzlichkeit hindurch zu kommen? Möglich. JedenfallswürdeerunskeineVorlesungüber die Verletzlichkeit halten. Er war kein Mann großer Vorträge; er bevorzugte einfache Ge- spräche. Wahrscheinlich würde uns Ignatius einfach seine Geschichte von Schwäche und Verletzlichkeit vortragen. Genau dies tat er, als die ersten Gefährten ihn eindringlich um einen schriftlichen Bericht baten, wie es zu seiner Bekehrung gekommen war. Es ist leicht vorstellbar, dass Ignatius erzählen würde, wie mit seiner eigenen Verwundung alles begonnen hatte; nämlich wie während der Schlacht von Pamplona sein Bein von einer Kanonenkugel zerschmettert wurde. Er könnte berichten, wie er sich in den Monaten der Rekonvaleszenz verloren fühlte, als er die üblichen Freuden – das Spiel, die Damen, die Waffen – nicht mehr genießen konnte. Er könnte davon erzählen, wie er zu befürchten hatte, dass er den Rest seines Lebens hinken würde und sein Leben an den Höfen der Adeligen beeinträchtigt wäre. Kurz gesagt, es war nicht nur sein Bein, das zerfetzt worden war, sondern seine ganze Identität. Vielleicht würde Ignatius sogar eingestehen gelegentlich von einer Welle der Verzweiflung überwältigt gewesen zu sein. Wenn sich Ignatius an solche Momente aus seinem Leben erinnerte, nahm er eine ernste Miene an, aber er strahlte zugleich eine große Gelassenheit aus und seine Stimme war ruhig. Für Ignatius war diese Verwundung kein Ende, sondern ein Anfang: Es war genau diese Verwundung, die ihn dazu zwang, andere um Hilfe zu bitten und angebotene Hilfe anzunehmen. Es war diese Verwundung, die ihn dazu zwang, viele Stunden in Stille und Einsamkeit zu verbringen und das Leben Christi und das Leben der Heiligen zu lesen und zu meditieren, da keine anderen Bücher vorhanden waren. Nicht ohne einige Tränen SCHWERPUNKT 10 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

der Rührung würde er sagen: „In meinem Krankenbett in Loyola lernte ich die Worte kennen, die mir das wahre Leben geben. In diesem Bett wurden mir zum ersten Mal die Augen geöffnet, und ich sah: Ich war am Leben! In jenen Tagen spürte ich, wie das Leben in mir aufblühte, und ich habe es nie wieder verloren.“ Eventuell würde Ignatius von weiteren Prüfungen erzählen, in denen seine eigene Verletzlichkeit sichtbar wurde und die zugleich Gelegenheiten waren das erblühte Leben weiter wachsen zu lassen. Am schrecklichsten war die Prüfung der Skrupel, als er von Angst erfüllt war Gott und seiner Liebe nicht zu genügen. War dieses Streben nach Perfektion nicht im Grunde eine subtile Ablehnung der eigenen Schwäche und Verletzlichkeit? Als er dies erkannte, keinen Ausweg fand und zu Gott schrie, öffnete er sich für die Barmherzigkeit Gottes und spürte sie tief in sich. Diese Erfahrung half ihm die eigene Schwäche und Verletzlichkeit sowie die anderer mit den Augen Gottes zu sehen: mit einem Blick der Sanftmut und Gelassenheit. Vermutlich würde Ignatius an diesem Punkt aufhören zu sprechen und weiterhin einen sehr sanftmütigen und gelassenen Blick auf uns richten. Mehr würde er nicht hinzufügen, denn er wusste, dass in Momenten der Verletzlichkeit große Reden nicht helfen; wirklich hilfreich sind die Geschichten derer, die durch eine Krise gegangen sind und berichten können, dass sie lebendig, ja, lebendiger aus der Krise hervorgegangen sind. Die ersten Gefährten wollten eine Geschichte über den Ursprung der Gesellschaft Jesu. Ignatius zeigte, dass dies eine Geschichte der Schwäche und Verletzlichkeit war und was daraus entstehen konnte. Implizit bekräftigte er, dass er aus einer Verwundung heraus neu geboren wurde, ja dass die Gesellschaft Jesu aus einer Verwundung heraus geboren wurde. Vielleicht helfen der heutigen Welt Geschichten, die verdeutlichen, dass wir keine Angst vor der Verletzlichkeit und Schwäche haben müssen, dass wir nicht vor ihr weglaufen müssen. Sie braucht Geschichten, die helfen einen veränderten Blick auf die eigene Schwäche und Verletzlichkeit zu gewinnen, ja auf das Leben selbst, welches aus einer Verwundung erblühen kann. An Geschichten mangelt es nicht, allen voran die von Jesus Christus, dann die von Ignatius und vielen anderen Glaubenszeugen. Wir könnten noch weitere hinzufügen, nämlich unsere: meine, Ihre… Tiziano Ferraroni SJ 11 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

Beichten – Zusammenspiel von Schwäche und Stärke Drei Stunden Gespräche. Drei Stunden Zuhören. Drei Stunden sich einlassen auf die Welt des Gegenübers. Auf das Dunkle und Schwere darin. Und genauso auf das Gelungene und Schöne. Drei Stunden behutsam Trost, Umkehr, Vergebung und Neuanfang vermitteln und zusagen. Nicht einfach drauf lossprechen. Sondern am Ende lossprechen. Im Sakrament der Versöhnung. Das sind drei Stunden im Beichtsprechzimmer der Jesuitenkirche St. Michael in München. In meiner Zeit dort durfte ich diesen Dienst tun. Und war nach drei Stunden jedes Mal erschöpft und müde. Und hatte doch zugleich mehr Energie als vorher. Denn hinter mir lagen drei Stunden voller echter Begegnungen, voller kommunikativer Energie. Als Priester, der die Beichte eines Gläubigen hört, befinde ich mich dabei in einer Situation der Stärke und der Schwäche zugleich. Der Beichtende kommt zu mir, weil ich ihm die Vergebung Gottes durch Jesus Christus verbindlich zusagen kann. Weil ich ihm zusagen kann, dass seine Sünden vergeben sind. Dieses helfende, lösende Wort kann er sich nicht selbst sagen. Wenn ich dem Beichtenden zuhöre, bringt mich das im gleichen Moment auch in Kontakt mit meiner eigenen Schwäche, da ich mich, das ist unvermeidlich, auf die ein oder andere Weise in ihm, seinen Mühen und seinem Scheitern auf dem Weg der Nachfolge Jesu wiedererkenne. Und nur wenn ich das zulasse und davor keine Angst habe, kann ich dem Anderen echt, menschlich begegnen. Dann kann ich empathisch verstehen. So kann ich dem Anderen hoffentlich etwas sagen, das ihm in seiner Situation wirklich hilft. Menschen, die zu einem Priester zum Beichtgespräch kommen, suchen in ihm beides: Sie suchen den, der an der Stelle Christi die Vergebung wirksam zuspricht. Und sie suchen zugleich den ganz menschlichen Gesprächspartner, der ihre Situation versteht, vielleicht sogar selbst kennt, und aus dieser Erfahrung und aus der Weisheit der Kirche heraus eine gute Weisung geben kann, die ihnen beim Weitergehen hilft. Und auch für mich als Priester finden diese beiden Dinge im Sakrament der Beichte auf wunderschöne Weise zusammen. Denn gerade in Situationen von Schwäche und Begrenztheit, von Nicht-Gelingen und Scheitern, auch meines priesterlichen Dienstes, weiß ich mich Christus besonders nahe. Auch er, dessen Lebensvision augenscheinlich erst einmal scheiterte, hat die Erfahrung von Schwäche gemacht. So sagt es uns prägnant der Hebräerbrief: ‚Er ist fähig, mit den Unwissenden und Irrenden mitzufühlen, da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit (Hebr. 5,2). So kann ich als Priester, der in dem Moment der Lossprechung Christus repräsentiert, und als Mensch mit meiner eigenen Geschichte, SCHWERPUNKT © Eliza photocase.com 12 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

13 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Vergebung und Neuanfang authentisch zusagen und vermitteln. In Christus wird Schwäche zur Stärke. Im Grunde braucht es diese Verknüpfung nicht. Denn die Wirkung eines Sakraments ist nicht von der inneren Verfassung des Spenders abhängig. Und doch weiß und spürt jeder Gläubige diesen Zusammenhang intuitiv bei der Begegnung mit einem Priester und dem Empfang eines Sakraments: Das Heilige soll von jemandem überbracht werden, der selbst nach Heiligkeit strebt und mir selbst darin hoffentlich voraus ist. So kann in der Beichte auch der Beichtende eine Erfahrung von Stärke und Schwäche zugleich machen: Er stellt sich seiner eigenen Schwäche und schaut sie mit Gott zusammen an. Die eigene Schwäche nicht zu verdrängen, zu betäuben, zu verstecken oder kleinzureden, sondern sie ehrlich anzuschauen und um Vergebung zu bitten, das ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke. In der Vergebung, die ihm ausdrücklich zugesagt wird, schenkt Gott dem Beichtenden neue Stärke. Gunnar Bauer SJ

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Stärke zulassen auf dem Weg der Musik „Geige? Sowas kann man studieren?!“ – Das bekomme ich oft zu hören, wenn ich nach der eigenen Zukunft gefragt werde; Und ja, man kann! Aber bei genauerer Betrachtung fragt man sich: Was bedeutet das? Wenn jemand sich entschließt, ein Instrument zu studieren, dann ist diese Entscheidung in den meisten Fällen bereits mehrere Jahre vor dem Abitur getroffen worden. Hat man sich also entschieden, fängt man an, die gängigsten Vorkehrungen zu treffen: viel und vor allem gut üben, womöglich ein Jungstudium, sich verschiedensten Professoren vorstellen. Auch ich entschied mich also, Geige studieren zu wollen. Wann genau, kann ich nicht sagen. Dennoch kann ich mich noch klar erinnern, dass ich mit knapp zwölf Jahren meiner damaligen Geigenlehrerin, Volha Hanchar, meinen Entschluss vortrug und mit Erleichterung erfahren durfte, dass sie es für möglich halte. Einfach wurde es dadurch auch nicht, aber zumindest stieg die Hoffnung. Gerade mit seinen persönlichen Stärken und Schwächen setzt man sich auf dem Weg zum Musikstudium und der anschlieenden Laufbahn als professioneller Musiker auseinander. Es liegt nicht nur an der Natur des Geigenspiels, weil ein großer Teil meiner Übungszeit sich mit Fehlern und deren Korrektur beschäftigt, sondern auch an den vielen Meinungen und Bewertungen, denen man sich aussetzt: Beispielsweise habe ich im Herbst 2018 das Probespiel im Bundesjugendorchester mit einer bundesweiten Konkurrenz und niedriger Aufnahmequote bestanden, durfte allerdings wenige Monate später bei einem Wettbewerb mit demselben Vortragsprogramm die Regionalrunde nicht überschreiten. Und so fragt man sich: Wem glaubt man? Am besten sich selbst. Unbeeindruckt davon setzte ich die Verfolgung des Ziels „Musikhochschule“ fort: Ich besuchte Professoren in Köln, Frankfurt, Berlin und Salzburg, um in ihrem Unterricht zu hospitieren, mich vorzustellen und Chancen auf einen Studienplatz zu erwägen. Letztes Jahr also bewarb ich mich für vier Hochschulen und bekam drei Absagen, sowie die eine Zusage meines Erstwunsches: die Hochschule für Musik und Tanz Köln. Natürlich weiß ich, dass meine Laufbahn als professioneller Musiker un- verändert von großer Konkurrenz und dem sogenannten „Haifischbecken“ geprägt sein wird, aber aus eigener Erfahrung weiß ich ebenso, dass so etwas auf der Bühne kaum von Bedeutung ist. Wie mich nämlich meine bisherige Laufbahn gelehrt hat, ist es gerade der Mut und das „Nicht-Aufgeben“, was hilft, seine Stärken zu zeigen und seinen Schwächen zu helfen. Casper Hesprich SCHWERPUNKT 15 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK © Drazen_ iStock.com

SCHWERPUNKT „Projekt Lebensmitte“ „Projekt Lebensmitte“ – was kann ich persönlich am richtigsten zu diesem Phänomen sagen? Auch wenn ich damals alle Mittel aufgewendet habe, um diese Zeit zu verstehen, glaube ich rückblickend, dass es nicht so einfach ist, darüber zu sprechen. Aber ich möchte es versuchen. Die Lebensmitte ist ja zuerst einmal eine Krise. Man sucht sie sich nicht aus. Sie kommt wie von selbst. Sie wirft durcheinander. Sie bringt das Unterste nach oben. Sie macht ratlos und suchend. Was bis gestern erfüllend, tragend und motivierend schien, bewirkt nun das Gegenteil. Plötzlich hat das vertraute „Lebenshaus“ Risse. Man findet sich nicht mehr zurecht. Wie lässt sich das bewältigen? Natürlich greifen wir Menschen dann zu den Hilfsmitteln, die wir kennen und mit denen wir vorher Umbrüche irgendwie überstanden haben. Aber auf einmal hilft das auch nicht mehr. Ich habe es so erlebt. Erst nach und nach entdeckte ich die Wirklichkeit. Ich habe keine besonderen Fehler gemacht und mein Umfeld vielleicht noch weniger. Es wurde mir zugemutet. Ich wurde in diesen Umwälzungsprozess einfach hineingeworfen.DurchdasLeben.Ichkann zwar biologische, körperliche, geistige oder äußere Faktoren benennen, die da einiges in Gang gebracht haben. Aber sie greifen für mich zu kurz. Es war, ist und bleibt das Leben, dem ich mich ausliefern musste. Auch wenn es mit dem Tod zu tun hatte. Meine Mutter war gestorben. Und dann noch ein guter Freund. Nach vielen Jahren konnte ich sagen: Gott hat mir das zugemutet. Aber mitten im „Gedränge“ konnte ich weder die Welt noch Gott verstehen. Erst einmal habe ich das alles erlitten. Eine Wahrnehmungsebene, die ich vorher so nicht kannte. Bis dahin erkundet der Mensch ja die Welt wie ein Kind: Der eigene Radius wird weiter, die Kräfte wachsen, die Möglichkeiten erscheinen nahezu unendlich, mindestens jedoch grenzenlos. Alles lockt zum Erkunden, Probieren, Erobern, Gestalten und Ergreifen. Das ist doch meine Welt, sagte ich mir zufrieden. Aber auf einmal stimmte das alles nicht mehr. Ich wurde an eine Grenze gestoßen. Das Leben ist verflixt endlich, verworren, unbegreiflich. Ich glaube, es nutzt der Leserin und dem Leser wenig, wenn ich jetzt erzähle, was ich gelernt habe. Ich möchte lieber davon sprechen, was mir geholfen hat, das Ganze als einen Prozess zu verstehen. Ich musste aufmerksam werden für die geistigen und geistlichen Erkenntnisse, die mir eine neue Sicht auf die Dinge gaben. Und diese Sicht gibt es, weil auch ich erkennen konnte, dass Gott mich auf eine ganz einzigartige Weise durch diesen Prozess führte. Er zeigte mir seine Begleitung, die ich aber erst einmal entziffern musste. Er schenkte mir sein Wort, das ich plötzlich unter den vielen Angeboten und Impulsen heraushörte. Es wurde 16 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK © cathi fischer photocase.com

wegweisend für mich. Gott machte mich sensibel für das, was er noch alles mit mir vorhatte und wohin er mich führen wollte. Seinen Ruf, sein Locken in der Stille und der Einsamkeit zu vernehmen, das wurde meine Aufgabe. Und während sich dann die auseinandergebrochene Welt langsam wieder zusammenfügte, gab es dabei die schönsten Momente. Ich spürte jenen Frieden, der mir vorher verwehrt geblieben war, und seitdem ist er mir nicht mehr verlorengegangen Christoph Kentrup SJ 17

18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Pensioniert – und was kommt dann? Bis 2014 war ich 38 Jahre lang mit viel Freude Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik. Der Übergang vom Arbeitsleben in die Pension fiel mir nicht leicht. Gaben bis zu diesem Zeitpunkt Unterricht, Korrekturen und Konferenzen weitgehend den Rahmen für das tägliche Leben vor, musste ich nun schlagartig den kompletten Tagesablauf selbst gestalten und ihm eine sinnvolle Struktur geben. Auch meine beiden Söhne hatten das Elternhaus in ihr eigenes Leben verlassen; meine Frau war noch berufstätig. Zusätzlich machte ich die Erfahrung, dass ich mich als Mann stark über den Beruf definiere und daher das Ende des Berufslebens eine besondere Herausforderung an mein Selbstwertgefühl darstellt. Glücklicherweise machte ich mir bereits vor der Pensionierung rechtzeitig Gedanken, wie ich die Pensions-Zeit sinnvoll gestalten könnte, denn ich war mir der Herausforderung bewusst. Ich wollte auf jeden Fall weiter mit jungen Menschen zu tun haben: Nachhilfe geben in Mathematik und mich als Tutor für Theologiestudenten engagieren. In einem gleitenden Übergang begann ich im „Weißen Ring“ Opfer von Straftaten zu betreuen und in der Prävention gegen Jugendkriminalität an Schulen und in Jugendgruppen tätig zu sein. Jeder wird entsprechend seinem Naturell das Berufsende unterschiedlich erleben. Die Unterstützung gerade zu Beginn dieser Umstellungsphase durch andere war dabei eine wichtige Hilfe – für mich auch in der geistlichen Begleitung. Der Wegfall der Fokussierung auf die beruflichen, oft hektischen Abläufe im Schulbetrieb schuf mir auch den Freiraum für einen größeren spirituellen Tiefgang, wozu u.a. die Reflexion über den bisherigen und zukünftigen Lebensweg gehörte: · Wofür bin ich dankbar – in meinem vergangenen Berufsleben, in meiner Familie und was ich an geistiger, körperlicher Rüstigkeit habe? · Wie kann für mich „Sendung“ aussehen – Neues beginnen oder Bewährtes in anderer Form fortführen; offen sein dafür, wo ich in meinem Umfeld gebraucht werde? · Wie lerne ich schrittweise loszulassen von Materiellem („Entrümpeln“) sowie im Laufe der Zeit von körperlichen, geistigen Fähigkeiten? · Wie kann eine realistische, vertrauensvolle Beschäftigung mit den „letzten Dingen“ aussehen, u.a. die Regelung des Nachlasses und das Verfassen von Patientenverfügungen?

Als Richtschnur für meine Zukunft sehe ich die Worte von Piet van Breemen SJ aus seinem Buch „Alt werden als geistlicher Weg“. Dort heißt es: „Das Leben eines jeden Getauften ist eine Sendung, und zwar ebenfalls eine, die das ganze Leben umfasst. Trotz zunehmender Jahresringe steht auch der betagte Christ noch ganz im Dienst für das Reich Gottes, wie immer die konkrete Form dieses Dienstes auch aussehen mag. Auf diese Weise gibt das Evangelium dem Alter einen kostbaren Wert. (…) Es ermutigt uns, die Beschwerden und Zurücksetzungen des Alters in Geduld und ohne Wehleidigkeit anzunehmen, weil sie in einem größeren Zusammenhang aufgenommen werden.“ (S. 15f.) Hubertus Gussone © caracterdesign iStock.com 19 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK

SCHWERPUNKT Eine Zeit der Herausforderung im Krankenhaus Die Zeit der Corona-Pandemie empfinden wir Krankenschwestern als eine anstrengende, ja geradezu herausfordernde Zeit. Wir sind konfrontiert mit einer unbekannten Krankheit, bei deren Behandlung noch auf keine Informationen und Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. Wie ist mit ihr umzugehen? Und wie sollen wir mit Patienten umgehen? Allein das Betreten eines Krankenzimmers mit der Schutzmaske und der Schutzkleidung verängstigt insbesondere alte und verwirrte Menschen. Wie kann da eine Kontaktaufnahme erfolgen? Außerdem darf die Angst und Unsicherheit der Patienten nicht durch uns Krankenschwestern verstärkt werden. Und doch spüren wir – trotz allem Gottvertrauen – selber doch auch die Angst vor einer Infektion. Wir dürfen dies nicht zeigen und fragen uns, wie gelingt es uns dies zu verbergen? Wir, drei Ordensfrauen unserer Gemeinschaft der Herz Jesu Schwestern in Bonn, haben täglich versucht, gestärkt durch unseren Glauben, uns dieser Situation zu stellen und unser Apostolat im Dienst an den Kranken im Geiste unserer Ordensspiritualität zu leben. Für das gesamte Ärzte- und Pflegepersonal ist Corona eine immense Belastung. Neben der Angst vor einer Infektion ist der zusätzliche Arbeitsaufwand durch die Vorsichtsmaßnahmen herausfordernd. Richtig kritisch wurde es schließlich, durch den zunehmenden Ausfall von Kolleginnen und Kollegen, weil sie sich infiziert hatten oder als Kontaktpersonen in Quarantäne gehen mussten. Diese Erfahrung hat uns im Team zusammengeschweißt. Zugleich machten wir auch Grenzerfahrungen, immer wieder lagen dann doch die Nerven blank und Konflikte gilt es zu bewältigen. Besorgt waren wir natürlich auch, uns unbemerkt mit Corona zu infizieren und dann andere zu infizieren, sei es die Mitschwestern in unserer konkreten Hausgemeinschaft oder andere Personen, mit denen man trotz Abstandsregeln doch immer wieder in Kontakt kommen muss und ja vor allem auch Patienten, die noch kein Corona haben. Uns hat gestärkt, dass wir 20 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Diese Erfahrung hat uns im Team zusammengeschweißt. Zugleich machten wir auch Grenzerfahrungen, immer wieder lagen die Nerven blank.

in unserer kleinen Kommunität offen unsere Ängste ins Wort bringen und miteinander darüber reden sowie beten konnten. Und dann ist es trotz aller Vorsicht, Hygiene und Abstand doch passiert: Zwei Schwestern unserer Dreiergemeinschaft haben sich mit Corona infiziert. Gott sei Dank hatten sie nur leichte Symptome, doch die sofort fällige Quarantäne stellte für uns alle eine Herausforderung dar. Einsamkeit, Ängste und Mutlosigkeit waren Empfindungen, die sich unwillkürlich einstellten; wir fühlten uns schwach. Wir haben diese besondere Form der unfreiwilligen, verstärkten Abgeschiedenheit genutzt und viel miteinander und auch persönlich gebetet. Wann immer es möglich war, nahmen wir an Online Gottesdiensten teil. Viele Stellen aus den Psalmen, die wir schon jahrelang beten, bekamen eine neue, intensivere Bedeutung: „Du hast mich erhört an dem Tag, als ich zu dir rief, du gabst meiner Seele große Kraft“ (Ps 138,3). Wir haben Gott unsere hochsteigenden Ängste entgegengehalten, im Vertrauen darauf, „dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28). Rückblickend dürfen wir aus dieser Zeit der Krankheit und der Quarantäne auch positive Erfahrungen mitnehmen. Wir hatten das Glück, von anderen mit dem Lebensnotwendigsten versorgt zu werden, sie erledigten z.B. für uns Einkäufe. Trotzdem haben wir festgestellt, dass wir auch noch einfacher leben können und es keineswegs an etwas mangelt. Wir haben gelernt unsere Gesprächskontakte zu schätzen und anderen besser zuzuhören. Inzwischen sind wir alle genesen und haben unserenDienstimKrankenhauswiederaufgenommen. Durch unsere eigene Erkrankung an Corona können wir besser unsere Patienten verstehen, ihnen Mut machen und zu ihrem Heilungserfolg beitragen. Sr. Merlin Kavumkal, Sr. Resily Ezhaparampil, Sr. Litty Maramattam 21 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Wir haben diese besondere Form der unfreiwilligen, verstärkten Abgeschiedenheit genutzt und viel miteinander und auch persönlich gebetet.

JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Ehrlich bedürftig Jesus scheint das Elend anzuziehen – so beschreiben es die Evangelien vom Beginn seines Wirkens an. Als locke er geradezu aus Menschen all das, was nicht fromm, gut, stark und gesund ist, hervor: Gleich vom Abend des ersten Tages in Kapharnaum wird erzählt, dass alle Kranken und Besessenen der Stadt vor seiner Tür versammelt waren (Lk 4,40). So ergeht es ihm ständig. Die Evangelien bieten nur wenige Berichte über gelehrte Auseinandersetzungen mit jüdischen Intellektuellen. Zu Streitreden mit politischen Autoritäten kommt es eigentlich erst im Laufe der Passion. Um ein Vielfaches mehr lässt Jesus sich auf dem Weg ansprechen und in Beschlag nehmen von Blinden, Aussätzigen und Gelähmten, von Schwachen, Geschlagenen und von Menschen, die eine Verlusterfahrung allein nicht bewältigen können. Wie viel Kraft mag ihn das gekostet haben, immer wieder nur das Elend anzuziehen und ständig existentielle Not und materielle Bedürftigkeit um sich zu sehen? Nein, falsche Frage! Es wird von so vielen Menschen erzählt, die in der Nähe Jesu aufatmen und ihre Bedürftigkeit zeigen konnten – da lautet die Frage eher: Wie viel Liebe, wie viel Zuneigung muss Jesus ausgestrahlt haben, dass Menschen Zutrauen fassen und ihre Unzulänglichkeit zeigen konnten? Der Blick Jesu muss Menschen ermutigt haben, sich als verzweifelt, hilfsbedürftig, schwach oder abhängig zeigen zu können. Und sich nicht länger als gerecht und heil, abgeklärt und diszipliniert darstellen zu müssen. Es ist keine Elitetruppe, die so um ihm entsteht. Es ist vielmehr ein bunter Haufen von Menschen, die auf ihrer Suche nach Hilfe und Trost, Heilung und Orientierung bei Jesus fündig geworden sind. Es sind nicht die Reichen, Schönen und Starken. Die Jüngerschar entsteht aus Hungrigen und Durstigen, nicht durch eine Auswahl aus den vermeintlich Besten. Das Assessmentcenter Jesu hat eigenwillige Kriterien: Das radikale Einge- ständnis der eigenen Schwäche und den Mut, Unzulänglichkeit und Bedürftigkeit zuzugeben. Die Wahrheit heilt und macht frei. Es ist wohl vor diesem Hintergrund, dass Papst Franziskus in einem seiner ersten Interviews von der Kirche als „Feldlazarett nach der Schlacht“ sprach. Aber wer will schon ins Feldlazarett. Bin ich nicht lieber bei Siegern als bei Verlieren: Bist Du nicht auch einer von denen, die ihm nachgelaufen und auf ihn reingefallen sind? Petrus verneint am Kohlenfeuer, und hätte wider besseren Wissens noch ergänzen können: Ich brauche ihn nicht. Ich schaff´s allein. Und dabei hatte ihn Jesus gerade erst vor dem Ertrinken gerettet. Aber ich schaff´s trotzdem allein. Alles selbst im Griff zu haben ist ein besseres Gefühl, als sich begrenzt oder bedürftig zu erleben. Es schmerzt mich, Blöße zu zeigen. Aber es ist eben doch so, dass nicht die Gesunden des Arztes bedürfen, sondern die Kranken (Lk 5,31). Christus ermutigt mich, betend und schweigend alles, was 22 GEISTLICHER IMPULS

nicht heilen und nicht gelingen will, was schmerzt und unversöhnt bleibt, hinzuhalten – ihm und mir. Nichts mehr vortäuschen müssen: Das ist Erlösung. Und wenn ich noch zögere, muss ich noch näher an ihn heran, noch geduldiger ausharren und nach dem Saum seines Gewandes greifen, um seine Zuwendung zu spüren. Vom Abend des ersten Tages in Kapharnaum berichtet das Lukas-Evangelium auch: Er legte jedem Kranken die Hände auf und heilte alle. Wer will da nicht dabei sein? Heilung und Erlösung werden möglich, wenn ich mich als Kranker zu den Kranken stelle. Wenn uns nur unser Stolz und unser Selbstbild nicht davon abhalten. Axel Bödefeld SJ © Joachim Heller iStock.com 23

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Neues aus dem Jesuitenorden Canisiusweg: Per App mit den Jesuiten pilgern Zu einer digitalen Pilgerreise durch Zentraleuropa laden die Jesuiten ein. Eine neue App „Canisius-Pilgerpass“ führt von Vilnius in Litauen bis nach Fribourg in der Schweiz. Das Ziel soll zur Gründung der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten erreicht werden, zu der sich die bisherigen Jesuitenprovinzen Österreich, Deutschland, Litauen-Lettland und der Schweiz zusammenschließen. Die 33 Stationen auf dem Canisusweg führen durch alle Länder der neuen Provinz, zu der auch Standorte in Schweden und in Chicago/USA gehören. „Auf dem Weg gibt es eine große Vielfalt an Geschichten, Formaten und Rätsel zu entdecken“, erklärt Pia Dyckmans, Öffentlichkeitsreferentin der Jesuiten. „Dadurch können die digitalen Pilger in das Leben, die Arbeit und Spiritualität der Jesuiten vor Ort eintauchen und mitvollziehen, wie vielfältig es sein kann, Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden. Die Pilgerreise ist nicht nur ein Weg durch die neue Provinz, sondern kann auch ein Weg zu sich selber und zu Gott sein,“ sagt Dyckmans. Der Pilgerpass ist nicht nur eine Gaming-App, sondern setzt ganz bewusst spirituelle Impulse und beinhaltet zudem eine persönliche Gebetsecke, die sich im Laufe des Pilgerwegs füllen soll. „Gerade auf Grund der Pandemie tut es gut, sich mit dem ‚Canisius-Pilgerpass‘ gemeinsam virtuell auf den Weg zu machen und über spirituelle Impulse Zeit zum Auftanken und Durchatmen zu finden“, weiß P. Martin Stark SJ, Leiter für Kommunikation & Fundraising. Die App ‚Canisius Pilgerpass‘ ist in den App-Stores kostenlos verfügbar. Gleichzeitig ging die Homepage cansius.world online. Die digitale Pilgeraktion findet zudem auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen des Ordens statt. Neues Logo: Der Name Jesu im Zentrum Die Jesuiten in Zentraleuropa bekommen zur Gründung ihrer neuen Provinz ein neues Erscheinungsbild. Mit diesem wollen sie nicht nur den Neuanfang deutlich machen, sondern auch die verschiedenen Traditionen und Strukturen zusammen- © SJ-Bild

führen, eine gemeinsame Identität stiften und Wachstumsräume öffnen. Das neue Logo greift das traditionelle sonnenumstrahlte IHS-Signet des Ordensgründers Ignatius von Loyola auf, das in der universalen Gesellschaft Jesu in verschiedener Form benutzt wird. Die reduzierte und klare Ausführung erinnert an das modern-schlichte Design des bisherigen quadratischen IHS-Logos, das die Zentraleuropäische Assistenz des Ordens seit 1998 benutzt hatte. Im Mittelpunkt eines Strahlenkranzes - Symbol der Sonne und der Erhöhung des gekreuzigten Herrn - stehen die drei Buchstaben „IHS“, das sogenannte Monogramm Jesu, das entstanden ist aus der griechischen Form des Namens Jesu. Bevor Ignatius 1541 zum General gewählt wurde, setzte er es in den Kopf seiner Kandidatenliste, um das eigentliche Haupt der Gesellschaft Jesu deutlich zu machen. Mertes: Schule ist mehr als digitale Angebote Für P. Klaus Mertes wird in der Pandemie deutlich, dass schulische Bildung nicht auf digitale Lernformen reduziert werden darf. „Insgesamt zeigt sich wie unter einem Brennglas, dass Bildung ganz ohne ein analoges Beziehungsgeschehen auf Dauer nicht funktioniert“, sagte Mertes der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“. „Wir sollten unbedingt den Wert von Schule wieder stärker schätzen lernen. Für Bildung im umfassenden Sinn braucht es eben nicht nur das Bereitstellen von Informationen und individualisierten Arbeitsaufträgen“, © SJ-Bild 25 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK Das neue Logo für die Zentraleuropäische Provinz der Jesuiten, die am 27. April 2021 feierlich gegründet wird.

so Mertes. Zur Schule gehöre das „soziale Geschehen, das sich nur im direkten Diskurs ereignen kann: die Öffentlichkeit im Klassenzimmer, das Agieren in Kleingruppen, die nonverbale Kommunikation, ja selbst die gemeinsamen Pausen“. Mertes betonte, die Pandemie präge die Schüler stark. „Es wird eine Generation sein, die sich stärker mit existenziellen Themen befasst: mit Krankheit und Tod, mit Ängsten. Auch Politik, etwa in ihrem Verhältnis zur Wissenschaft, wird eine neue Bedeutung bekommen.“ Keiner soll vergessen sein: Gedenken an Corona-Tote Einen Ort der Trauer für Angehörige von Menschen, die Opfer der Corona-Pandemie geworden sind, gibt es in der Kirche St. Michael in der Neuhauser Str. in München. Im Mittelgang brennt tagsüber die Osterkerze. In einem Buch, das auf einem Pult ausliegt, kann jeder darin den Namen der Person niederschreiben, die er oder sie durch Corona verloren hat und um die er trauert. In allen Gottesdiensten freitags um 18 Uhr wird das Buch an den Altar getragen werden, der Gesang „Zum Paradies mögen Engel dich begleiten“ wird von Kantor oder Kantorin intoniert werden, und in einem Corona-Gebet wird der Toten gedacht werden. „Die Auswirkungen der Pandemie stellen uns vor wachsende Herausforderungen“, so die gemeinsame Initiative der Jesuiten an St. Michael, der Glaubensorientierung der Erzdiözese München und Freising und des Katholikenrates der Stadt und des Landkreises München. Anders als bei einer singulären oder punktuellen Katastrophe könne bei der sich über Monate hinziehenden Pandemie nicht mit einer abschließenden Trauerfeier gedacht werden. Die oftmals in der Anonymität Verstorbenen sollen so ein sichtbares Gedächtnis in der Mitte der Kirche erhalten; ihr Leben wie auch ihr Sterben in Gottes Hand geschrieben sein. Die Einladung zum Gedenken ist offen für Menschen jeder Religion oder Konfession. Hans Langendörfer SJ als DBK-Sekretär verabschiedet Nach 24 Jahren im Amt des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz ist P. Hans 26 JESUITEN n MÄRZ 2021 n SCHWACH STARK © SJ-Bild In der Citykirche St. Michael in München steht zum Gedenken der an Corona-Verstorbenen eine Osterkerze mit einem Kondolenzbuch.

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