Jesuiten 2021-4

SCHWERPUNKT 17 Im Erwachen Christus erwarten Was bedeutet es in der heutigen Zeit, wachsam zu sein? Andreas Schalbetter SJ versucht sich an einer spirituellen Antwort. Wachsam zu sein, bedeutet, den gesellschaftlichen Entwicklungen mit wachem Blick zu begegnen: Wohin steuern wir? Wie gelingt es uns, die derzeitigen Herausforderungen wie die schwindende Biodiversität, Migration, den Klimawandel, den Verlust des Glaubens und die weltweite soziale Ungerechtigkeit anzugehen? Erkennen wir die Zeichen der Zeit und suchen gemeinsam nach angemessenen Antworten und Lösungen! Diese Haltung der Wachsamkeit können wir Tag für Tag einüben. Wir gehen derzeit auf die längste Nacht des Jahres zu. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Diese Stimmung hilft, das Licht der Welt wachend zu erwarten: Jesus Christus, der die Finsternis überwindet. Die Nacht ist aus spiritueller Sicht mit dem Tod vergleichbar. Einschlafen und schlafen ist ein Loslassen und gleicht dem Sterben. Das Aufwachen hingegen steht für einen Neubeginn. In der Nacht ist Jesus geboren worden (vgl. Lk 2). Früh morgens hat sich Jesus für das Gebet zurückgezogen: „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten.“ (Mk 1,35) In der Morgendämmerung auferstand Jesus von den Toten und erschien den Jüngern am Ufer des Sees von Tiberias: „Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.“ (Joh 21,4) – Im Schutz der Dämmerung lässt es sich besser meditierend beten. Die letzten Traumbilder der Nacht verfliegen, und ich darf mich ausrichten auf Christus, die aufgehende Sonne. Ein weiterer Gedanke ist der des erwartenden Wachens: „In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“ (Lk 2,8-11) Gerade die Hirten als einfache Menschen sind ganz Ohr für das Geheimnis des unbegreiflichen Gottes, der in einem Kind Mensch wird. — Oder in Getsemani bittet Jesus die Jünger im Zugehen auf seine letzten Stunden: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!“ Als Christinnen und Christen erwarten wir wachsam das endgültige Kommen Christi. Denn er kommt wie „ein Dieb in der Nacht“; er kommt plötzlich wie „die Wehen über eine schwangere Frau.“ (vgl. 1 Thess 5,1-3) Seien wir also wachsam! Gehen wir mit wachem Blick durch die Straßen der Stadt und Welt und setzen, im Vertrauen auf Gott, Zeichen des Hoffens als Antwort auf die Zeichen der Zeit. Andreas Schalbetter SJ 1965 im Wallis geboren und aufgewachsen. Fasziniert von der ignatianischen Spiritualität und den Exerzitien, begleitet er gerne Menschen auf ihrer Suche nach Sinn und Orientierung. Die Liebe zur Natur und zur Musik ist ihm in die Wiege gelegt worden. Er ist derzeit Leiter der katholischen Uni-Gemeinde Basel

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