Jesuiten 2022-1

SCHWERPUNKT 16 Singende Melodien, singendes Gebet Taizé-Gesänge faszinieren nicht nur junge Menschen. In Gesangbüchern findet man unter vielen Liedern Jacques Berthier als Komponisten angegeben. Er selbst hat gar nicht in Taizé gelebt, sondern mit Jesuiten musiziert. „Es ist die Schönheit des Gebets, die uns zur Freude des Glaubens führt. Daher betrachten wir unser gemeinsames Gebet als das Wichtigste, was wir mit den Jugendlichen, die zu uns kommen, teilen können. Und im gemeinsamen Gebet ist der Gesang grundlegend; unser Gebet ist im Kern ein gesungenes Gebet“ sagt Frère Alois, Prior der Gemeinschaft von Taizé, die 1940 von Frère Roger gegründet wurde und heute aus knapp 100 Brüdern besteht. Dreimal am Tag treffen sich die Brüder zum gemeinsamen Gebet und mit ihnen ganz unterschiedliche junge Menschen. Die „Gesänge aus Taizé“ sind kurze, mehrstimmige Refrains, die wie ein Ostinato wiederholt werden. Die Texte stammen aus der Bibel oder aus dem Schatz, den große Zeugen des Glaubens hinterlassen haben. Aus pastoraler Sorge wird und wurde die Liturgie in Taizé stets angepasst. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht ein Prinzip, welches das Zweite Vatikanische Konzil formuliert hat: Es ist wichtig, dass die Jugendlichen, die an den Gebeten teilnehmen, dies als Akteure tun können und nicht nur als Zuschauer. Diese Forderung wurde Anfang der 1970er Jahre besonders dringlich, als die Jugendlichen zahlreich wurden und die Gebetsgemeinschaft keine gemeinsame Sprache mehr hatte. Frère Robert, der sich später vor allem um die Texte und Erprobung der neuen Lieder mit Jugendlichen kümmerte, fasst 1986 die Herausforderung wie folgt zusammen: „Es musste etwas Neues, Solides und Gutes geschaffen werden; für das ‚Volk Gottes‘ bestimmt und in diesem Sinne ‚volkstümlich‘; unter Verwendung kleiner Elemente, mit denen diese ständig erneuerten und wechselnden Gemeinschaften in Taizé schnell in den Gesang einsteigen konnten; einfach also, auch in Rhythmus und Harmonie, aber mit einem umso höheren Anspruch an substanzielle Qualität.“ Nach mehreren Experimenten erwies sich der Kanon Jubilate Deo von Praetorius als geeignet. Seine repetitive Form fördert die Meditation, und sein einfacher Zugang bietet eine gewisse Freude und Spontaneität. Daraufhin wandten sich die Brüder an Jacques Berthier, Organist an der Jesuitenkirche St. Ignace in Paris, den sie durch seine Zusammenarbeit mit dem Jesuiten Gélineau kennengelernt hatten. Gélineau experimentierte in Taizé mit seinen französischen Psalmodien, die bis heute verwendet werden. Berthier war ein formal ausgebildeter Musiker, der aus einer Familie echter Kirchen- oder sogar Pastoralmusiker stammte. Seit seiner frühesten Kindheit begleitete Jacques Berthier die Gottesdienste in der Kathedrale von Auxerre, die „zweite Wohnung“ der Familie Berthier, auf der Orgel seines Vaters, manchmal auch mit eigenen Kompositionen. Berthier erzählt 1994 in einem Interview rückblickend: „In Auxerre sang man natürlich Gregorianik, Palestrina und klassische Musik. Dieser Musikstil war mir gegenwärtig beim © Linda Schwarz

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