Jesuiten 2022-1

SCHWERPUNKT 2 You’ll never walk alone Musik stiftet Gemeinschaft und aktuelle Forschungen bestätigen, was Augustinus schon wusste: Wer singt, betet doppelt. Sebastian Maly SJ ist diesem Thema nachgegangen und verrät seinen persönlichen Soundtrack des Glaubens. Champions League Halbfinal-Rückspiel in der Saison 2018/19. Der FC Barcelona hatte das Hinspiel in Barcelona gegen den FC Liverpool mit 3:0 gewonnen. Kaum möglich, dieses Ergebnis gegen eine Spitzenmannschaft zu drehen. Wie vor jedem Heimspiel stimmen die Fans des FC Liverpool ihre Hymne an: „You’ll never walk alone“. Nur vor dem Fernseher haut mich die Wucht des Gesangs schon um. Die „Reds“ mit ihrem Trainer Jürgen Klopp gewinnen das Rückspiel zuhause mit 4:0 und ein paar Wochen später den Pokal. Musik schweißt Menschen zusammen – ob in Fußballstadien oder Kathedralen. Manche Songs brennen sich in unser kollektives Gedächtnis ein. So kann man sich die Bilder vom Mauerfall kaum anschauen, ohne die Scorpions „Wind of Change“ singen zu hören. Und wer sich eine Dokumentation der Terroranschläge vom 11. September 2001 ansieht, wird dazu die Klänge von Enya’s „Only Time“ im Ohr haben. Ein Augenzeuge der Anschläge hatte ein Video mit einer Foto-Collage ins Internet geladen und als begleitende Musik dieses Lied ausgewählt. Wie wichtig das gemeinsame Singen für den eigenen Glauben ist, hat der eine oder die andere vielleicht schmerzlich in der letzten Zeit erlebt, als das Singen in den Kirchen verboten oder nur in sehr begrenzter Form möglich war. Das Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik in Frankfurt am Main hat vor einigen Jahren eine Online-Studie mit 1.600 Katholik*innen aus den deutschsprachigen Ländern Europas durchgeführt. Die Autor*innen der Studie wollten wissen, welche Bedeutung das gemeinschaftliche Singen im Gottesdienst für die spirituelle Erfahrung von Gottesdienstbesucher*innen hat. Man könnte auch sagen: Sie wollten überprüfen, ob sich das Wort von Augustinus empirisch nachweisen lässt: Wer singt, betet doppelt. Die Ergebnisse der Studie sind wohl für die meisten Singbegeisterten wenig überraschend. Das gemeinsame Singen stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl der Gläubigen untereinander, sondern vermittelt auch spirituelle Erfahrungen. Bemerkenswert ist allerdings, dass für diese Wirkungen ausschlaggebend ist, welche persönlichen Einstellungen zum Gottesdienst und zur Bedeutung von Musik im Gottesdienst schon vorher da gewesen sind. Mit anderen Worten: Wer bisher immer gerne im Gottesdienst gesungen hat, für den ist es auch leichter, sich im Gottesdienst immer wieder am gemeinsamen Singen zu erfreuen. Eine Folgerung aus dieser Beobachtung ist für die Autor*innen der Studie, dass in den Gemeinden und an den Kirchorten aktiv vermittelt werden sollte, dass Singen Gebet ist und damit eine hohe Bedeutung für die christliche Spiritualität hat. Dabei kann das Auswendiglernen von Liedern, am besten schon in der Kindheit, eine Rolle spielen. Im Englischen verwendet man für „Auswendiglernen“ den Ausdruck „to learn by heart“. Was ich auf solche Weise im Herzen bewahre, das trällere ich auch einfach mal vor mich hin. Es begleitet als Soundtrack mein Leben oder meinen Glauben – oder ich singe es im Chor mit anderen, mit denen ich teile, © Linda Schwarz

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