Jesuiten 2022-3

SCHWERPUNKT 22 Es hofft der Mensch, solange er lebt Was genau ist eigentlich Hoffnung? Wie prägt sie unser Leben – und was hat sie mit unserem Glauben zu tun? Mit diesen Fragen befasst sich Roman A. Siebenrock. Der Mensch scheint ein höchst seltsames Wesen zu sein. Seine Vorzüge erweisen sich oft als Schwächen. Weil wir mit einem Möglichkeitssinn für alternative Welten ausgestattet sind, scheinen uns in unserer Phantasie keine Grenzen gesetzt zu sein. Das weiteste Feld möglicher Welten heißt Zukunft. Einerseits ist uns die Zukunft auferlegt. Ich wurde nicht gefragt, ob ich leben will, in der Zeit mit allem Elend und aller Schönheit dieser Geschichte konfrontiert, schon in der Geburt auf das Ende hin angelegt. Auf der anderen Seite kann dieser „Zwang“ angenommen und als Möglichkeitsraum gestaltet werden. Die Befähigung, gegen alle Erfahrungen der Geschichte auf ein mögliches gutes Leben für alle zu setzen, auf Gerechtigkeit und Frieden unter Menschen, und sich dafür einzusetzen, das nenne ich Hoffnung. Hoffnung ist mehr als Erwartung und Prognose. Sie prägt eine Lebenshaltung, die sich involvieren lässt. Hoffnung ist nicht Leichtfertigkeit, die gegeben wäre, wenn jemand ernsthaft glauben würde, mit dem Lottospiel seinen Lebensunterhalt bestreiten zu wollen. Hoffnung kennt Gründe, richtet sich an alternativen Lebensmodellen aus, weiß aber auch um die Möglichkeiten unserer Geschichte. Dennoch gibt sie sich mit dem „status quo“ im Blick auf Würde und Freiheit des Menschen, Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen und mit allen Lebewesen nicht zufrieden. Warum nicht? Weil in ihr Herz die subversivste Geschichte der Menschheit eingeschrieben worden ist: Exodus! Zieh weg! Diese biblische Matrix, die uns immer neu dazu provoziert, in eine Zukunft hinein zu leben, die nicht am Menschenmöglichen ihr alleiniges Maß findet, ist für mich mit der Gestalt Jesu Christi verbunden und dem Jubelruf: Der Gekreuzigte lebt! So lautet die christliche Überbietung aller menschlichen Er- wartungen, weil die scheinbar letzte und universale Macht der Geschichte sich als vorläufig herausgestellt hat. Wer aber den Tod nicht mehr fürchtet, über den hat alle Gewalt dieser Welt ihre Macht verloren. Dann taucht eine Ahnung von Freiheit auf, die an keiner uns möglichen Grenze ihr Maß findet. Paulus besingt die Ekstase aller Hoffnung: Tod, wo ist Dein Sieg, Tod, wo ist Dein Stachel? (1 Kor 15,54) Hoffnung, die im Exodus wurzelt, fordert/ fördert unseren Mut. Sie bleibt ein Wagnis, weil sie ohne unsere Freiheit nicht wird. Diese Hoff- nung blinzelt nicht am Tod vorbei und weiß, dass Enttäuschung, Passion und Ratlosigkeit ihr Teil sein wird. Sie weiß aber auch, dass es richtig war und ist, so zu leben. Denn was erwartet uns allerletzten Endes? Die Schrift kennt alle Szenarien und wir kommen heute der Erfahrungswelt der ersten Christgläubigen wieder sehr nahe: Morgen schon kann die Geschichte der Menschheit zu Ende sein. Selbstgemachte Apokalypse. Das letzte Buch der Heiligen Schrift, die Apokalypse des Johannes, ist reich an Bildern ©TUM-Archiv

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