Jesuiten 2022-3

Jesuiten Ho nung 2022-3

Diese Druckerzeugnis wurde klimaneutral hergestellt, d.h. die mit der Produktion quantifizierten CO2-Emissionen werden durch Klimaschutzzertifikate kompensiert. ID-Nr. 22123085 Jesuiten 2022-3 1 Editorial Schwerpunkt 2 Apokalyptisch hoffen 4 Mit Leichtigkeit und Mut in der Not helfen 6 GmbH: „Gesellschaft mit begründeter Hoffnung“ 8 Hoffnung in der ökologischen Krise 10 Vernünftig hoffen 12 Hoffen inmitten der Krise? 13 Bleiben, wenn’s am schlimmsten ist 14 Engagierte Hoffnung 17 Was macht mir Hoffnung? 18 Hoffnung bis zuletzt 20 Es hofft der Mensch, solange er lebt Geistlicher Impuls 22 Füreinander beten Was macht eigentlich ...? 24 P. Algimantas Gudaitis SJ Nachrichten 26 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 30 Jubilare 30 Verstorbene Medien/Buch 31 Thomas Steinherr: Was glaubt ein Christ? – Zentrale Fragen des Christentums einfach beantwortet Licht in allen Dingen (Adventskalender) Vorgestellt 32 Das digitale Klassenzimmer 34 Besondere Bitte Standorte der Jesuiten in Zentraleuropa/ Impressum Äpfel und Birnen machen das Bildprogramm dieser Jesuiten-Ausgabe aus. Die Illustrationen stammen aus der Hand des katholischen Pfarrers und Pomologen Korbinian Aigner. In seinen Predigten bezog er Stellung gegen den Nationalsozialismus, bis er 1939 verhaftet wurde, zunächst in das Gefängnis und dann in das Konzentrationslager Dachau kam. Dort, wo das Grauen und Verbrechen an der Tagesordnung waren, ließ er sich die Ho‡nung nicht nehmen: Zwischen den Baracken pŠanzte er Apfelbäume, es gelang ihm sogar die Züchtung neuer Sorten: KZ-1, KZ-2, KZ-3 und KZ-4. Nach dem Krieg begann er, Apfel- und Birnensorten auf Postkarten zu malen, mehr als 950 Illustrationen sind heute im Archiv der TU München erhalten. Als er 1966 an einer Lungenentzündung starb, wurde er im Mantel seiner KZ-Häftlingskleidung begraben, den er noch Jahre getragen hatte. Die Sorte KZ-3 ist bis heute erhalten, sie trägt nun den Namen „Korbiniansapfel“. Stefan Weigand Titelbild ©TUM-Archiv

EDITORIAL 3 Hoffnung suchen wir, nicht Vertröstung Liebe Leserinnen und Leser, woran denken Sie, wenn Sie das Wort Hoffnung hören? Vielleicht an „Die Hoffnung stirbt zuletzt“? Ist es das letzte, woran wir uns halten können, wenn unser Lebensentwurf oder sogar unsere Existenz vor dem Aus steht? Wir Redakteure haben lange darüber diskutiert, was echte Hoffnung ist, und waren uns schnell einig, dass Hoffnung das Gegenteil von Vertröstung sein muss. Wahre Hoffnung hilft uns, neuen Mut zu schöpfen, setzt Energie frei, kurz, sie bringt uns den Sinn des Lebens zurück. Eine Frage an unsere Autor*innen war denn auch, was für sie echte Hoffnung ist. Und sie haben dazu die verschiedensten Antworten gefunden, aus dem biblischen, ökologischen, spirituellen, politischen, medizinischen, sozialen und kirchlichen Umfeld. Dabei sind es durchweg persönliche und konkrete Antworten geworden. Kein oberflächliches Beruhigen, sondern ehrliche Bekenntnisse des Suchens nach Hoffnung, die manchmal an den erstaunlichsten Orten ge- funden wurden. So erinnerte das Essen einer Melone eine ukrainische Studentin daran, dass Hoffnung „süß“ schmeckt, als Gegenteil zur Bitterkeit, die das Leben mit sich bringt. In der Bibel finden sich viele prägnante Stellen. Im Artikel zum Propheten Hesekiel geht die Autorin der Frage nach, wie Hoffnung und persönliche Verantwortung zusammenhängen. Meine Ehrlichkeit ist gefragt, damit neue Hoffnung entstehen kann. Gott sucht die Beziehung zu uns Menschen, und das geht nicht ohne unsere ehrliche und realistische Sicht auf die Welt, in der wir leben. Hoffnung ist keine Schönwetter- Pflanze, sondern entsteht im Gegenwind und mit den Rück- und Schicksalsschlägen des Lebens, das uns immer wieder neu geschenkt wird. Diese Hoffnung des immer wieder neuen Lebens zeigen auch die Apfel-Bilder in diesem Heft. Gemalt von einem KZ-Überlebenden, erinnern sie uns an die Herausforderungen und Missstände, aber auch die Schönheit und Möglichkeiten des Lebens. Für ihre Mitarbeit im Redaktionsteam möchten wir uns bei Pia Dyckmans bedanken, die das Magazin seit 2017 als Chefin vom Dienst begleitet hat. Für ihren weiteren beruflichen und privaten Lebensweg wünschen wir ihr Gottes Segen. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir ebenso spannende Entdeckungen rund um die Geschichten in diesem Heft und Orte, an denen Sie selbst Hoffnung schöpfen können. Viel Freude beim Lesen, Mathias Werfeli SJ Tobias Zimmermann SJ

SCHWERPUNKT 4 Apokalyptisch hoffen Eine Krise folgt derzeit auf die andere. Die Apokalypse scheint nahe. Martin Löwenstein SJ zeigt, warum mit der Apokalypse auch Hoffnung verbunden ist. Wer Hoffnung sucht, sollte sich auf die Apokalypse einstellen, nicht den Kopf in den Sand stecken. Die Vorzeichen sind unübersehbar: Klimawandel, Artensterben, Dürren, Fluten, ver- seuchte Meere, globaler Wassermangel. Krieg in Syrien, Mali, Mexiko, im Jemen und, ja, in Europa. Millionen Menschen, die nur überleben können, wenn sie ihre Heimat verlassen. Inflation, Hungersnöte. Selbst in China schwächelt aufgrund von Corona die Wirtschaft. Die Demokratie ist in ihren Stammlanden Polen, USA und Frankreich durch autoritäre Bewegungen unter Druck. Bleibt die Frage, was das für mich bedeutet. Genauer: Macht mein christlicher Glaube einen Unterschied dabei? Oder sollte er das zumindest? Denn im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet „Apokalypse“ eine schreckliche Aussicht, in der Bibel hingegen ist die Apokalypse Grund für Hoffnung. Das griechische Wort „Apokalypse“ bedeutet „Offenbarung“. Das letzte Buch der Bibel wird so benannt. In geheimnisvollen, doch aus der jüdischen und biblischen Tradition verständ- lichen Bildern wird dort Jesus Christus offenbart: Der Gekreuzigte siegt, nicht die Ungerechtigkeit. Das Lamm, nicht der Löwe, wird herrschen. In Bezug auf Katastrophen ist die Bibel ganz nüchtern: Das ist so. Das war auch absehbar. Schaut, wie die Welt ist und wie ihr lebt: Wundert es euch? Seit Jahren ist Krieg in Syrien, Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. Jetzt die Ukraine. Die Grenzen des Wachstums sind schon lange bekannt. Jetzt spüren wir es aller Orten. Schon das biblische Buch richtete sich an Menschen, die Furchtbares erleiden mussten. Doch inmitten ihrer „Apokalypse“ wird das Lamm offenbart, das geschlachtet ist. Gott selbst hält sich nicht fern, sondern hat sich im Kreuz unter die gestellt, deren Felder vertrocknen, deren Häuser in der Flut fortgeschwemmt werden, deren Familien vom Krieg auseinandergerissen und vertrieben werden. Macht mein christlicher Glaube einen Unterschied? Was geschieht, wenn es mir gelingt, Gott zu vertrauen, ihm zu glauben und seinem Christus? Sogenannte Prepper graben sich Bunker und horten Vorräte. Glaubende Menschen gehen raus, selbst mit leeren Händen. Zuerst ist christliche Hoffnung für mich: Es gelingt, die Situation auszuhalten. Das ist nicht wenig. Ohne Vertrauen lägen Ignoranz („Ist doch nicht so schlimm!“) oder Verzweiflung („Wir sind die letzte Generation!“) nahe. Die Fakten sind jedoch, wie sie sind. Mit Gott auch frage ich nach den am meisten betroffenen Menschen. Wer zahlt den höchsten Preis für die globale Ungerechtigkeit? Wie geht es dem Flüchtling vor meiner Tür? Ich lasse meine Angst nicht über die Aufmerksamkeit für die Anderen siegen. Und dann: Einfach das tun, was ich kann. Auch der kleinste Schritt ist nicht vergebens. Hoffnung bedeutet nicht Selbstüberschätzung, sondern zu wissen, dass immer Gott am Ende der Herr ist. Ob sich diese Verheißung innerhalb unserer Geschichte erfüllt oder jenseits, das weiß ich nicht. Die Bibel hält diese Spannung aus. Gerade weil diese Welt nicht alles ist, setze ich mich für sie ein und vertraue, dass Gott es ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 5 zu einem guten Ende führt. Und bis dahin kann ich viel tun. Den Krieg kann ich nicht beenden, aber Flüchtlinge aufnehmen. Das glo- bale Klima hängt nicht davon ab, dass ich we- niger Fleisch esse, Auto fahre, fliege oder sonst meinen ökologischen Fußabdruck reduziere. Trotzdem ist es sinnvoll. Nicht weil alles von mir abhängt, sondern weil es richtig ist – und ich im Letzten meine Hoffnung auf Gott setze. Martin Löwenstein SJ Er arbeitet am Bonner Aloisiuskolleg, einer der zehn ignatianischen Schulen der Provinz. Zugleich ist er Seelsorger und Prediger, vor Ort und im Internet.

SCHWERPUNKT 6 Mit Leichtigkeit und Mut in der Not helfen Die ROTE NASEN-Clowns besuchen kranke Kinder, alte Menschen sowie Geflüchtete und bringen Abwechslung in deren Alltag. Florentine Schara berichtet, wie sie als Clown „Poppy“ Hoffnungslosigkeit begegnet.

SCHWERPUNKT 7 Wir leben in herausfordernden Zeiten: Pandemie, Krieg und Klimakrise bringen Unsicherheit auf allen Ebenen mit sich und gesellschaftliche Herausforderungen, die nur schwer zu meistern scheinen. Meine Tätigkeit als Clown bei ROTE NASEN Deutschland e.V. hat mir in den letzten Jahren immer wieder Hoffnung gegeben. Sie lässt mich den Zauber zwischenmenschlicher Begegnungen jenseits von Herkunft, Religion oder politischer Gesinnung erleben. Häufig werde ich gefragt: Wie kannst du es aushalten, so viel Leid mitansehen zu müssen, wenn du z. B. auf der Onkologie, im Kinderhospiz oder in einem Camp für Geflüchtete in Sierra Leone bist? Macht dich die dort herrschende Hoffnungslosigkeit nicht mutlos? Nein. Der Clown als Wesen ist naiv und unbedarft. Er ist feinfühlig genug, die Not des Gegenübers zu spüren, begegnet dieser aber mit der Unschuld eines Kindes. Und so bin ich als Clown Perdita „Poppy“ Poppers bei meinen Begegnungen mit diesen Menschen oft nicht Zeugin der schweren Momente, sondern kann sie dazu „verführen“, Leichtigkeit und Spiel zuzulassen und ihre Not für den Augenblick zu vergessen. Als ich das erste Mal mit ROTE NASEN in Afrika war, begegneten mir viele Bekannte mit Unverständnis. Was kann ein Clown Menschen geben, die Krieg und Verfolgung erlebt haben? Meine Antwort ist: Im besten Fall einen Moment der Unbeschwertheit auf Augenhöhe, ohne der Bittsteller zu sein. Meines Erachtens ist das für die Seele genauso wichtig wie Wasser, Nahrung, ein Dach über dem Kopf und medizinische Versorgung für den Körper – und das positive Feedback von Betroffenen, Krankenhauspersonal und Hilfsorganisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, bestärkt mich in diesem Glauben. In den vergangenen zwölf Jahren meiner Tätigkeit für ROTE NASEN Deutschland e.V. konnte ich wiederkehrend feststellen, dass gerade die Menschen, die nach unseren Standards bereits alles verloren haben, sich mit größter Freude auf das „Spiel im Moment“ einlassen. Ein Beispiel: Dieses Jahr war ich mit einem internationalen Clown-Team in einem Flüchtlingscamp im Süd-Sudan. Ein Land, das zu den ärmsten und gefährlichsten Ländern weltweit gehört. Bereits bei der Ankunft im Camp wurden wir Zeugen desaströser hygienischer Zustände. An dem Mangel an Wasser und Nahrung für alle können wir als Clowns natürlich nichts ändern. Aber wann immer wir mit unseren Musikinstrumenten, Liedern und Späßen durch das Camp zogen, veränderte sich merklich die Atmosphäre: Kinder kamen von Ferne fröhlich auf uns zugerannt, Männer und Frauen unterbrachen ihr Tagewerk, um uns singend und tanzend durchs Camp zu begleiten. Ihre Fähigkeit zu Ausgelassenheit und Lebendigkeit trotz der schwierigen Lebensumstände gibt mir Hoffnung. Es ist etwas, von dem wir uns in unseren Breitengraden inspirieren lassen sollten. Wenn eine Gruppe von Kindern im Flüchtlingscamp mucksmäuschenstill sein kann, weil klar ist, dass der Moment mit den Clowns gerade dem behinderten Kind gehört, das sonst nicht viel Raum im alltäglichen Leben einnehmen darf, gibt mir das Hoffnung. Wenn syrische, afghanische und sudanesische Kinder friedlich miteinander akrobatische Kunststücke einstudieren und sie dann stolz vor ihren Eltern präsentieren, gibt mir das Hoffnung. Wenn sich ein Kind kurz vor seiner Herz-Operation nochmal ausschüttet vor Lachen und die Angst vergisst, gibt mir das Hoffnung. Es sind diese vermeintlich kleinen Momente der Menschlichkeit, die die Hoffnung, auch in schweren Zeiten, nähren. Florentine Schara Sie studierte darstellende Künste in Liverpool. Ihre Clownfigur Perdita Poppers lernte sie an einer Pariser Clownschule kennen. Seit 2009 ist die in Berlin lebende Schauspielerin als Clown bei ROTE NASEN Deutschland e.V. tätig. ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 8

SCHWERPUNKT 9 GmbH: „Gesellschaft mit begründeter Hoffnung“ Hoffnung spielt in vielen Bibelstellen eine Rolle. Können sie bei Schicksalsschlägen wirklich helfen? Andreas Batlogg SJ erklärt, warum man Hoffnung nicht mit Optimismus verwechseln sollte. Wenn mich etwas verändert hat nach meiner Krebsdiagnose und -behandlung (Herbst 2017 bis Sommer 2019), dann meine absolute Allergie gegen Floskeln und Phrasen, und seien sie noch so fromm. Im Arsenal immer gültiger Sprüche habe ich selbst oft gestöbert in bald 30 Priesterjahren, weil sie schnell zur Hand sind und immer passen. Das ist ganz praktisch. Vor allem, wenn Unfälle, Schicksalsschläge, Krank- heiten Worte zum Ersticken bringen. In langen Nächten in der Klinik, in denen mir viel durch den Kopf ging, oder bei Schmerzen oder unfeinen Handicaps fragte ich mich: Was hält – wirklich? Was trägt – wirklich? Was tröstet – wirklich? „Wirklich“ heißt: tatsächlich – und wirksam. Nicht eingeredet also oder insinuiert. Wie schnell zitieren wir das Wort von Paulus an die Gemeinde in Rom: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5). Was heißt das – wirklich? Es gibt andere Stellen. Helfen sie? Überzeugen sie? Da ich nicht dabei war, habe ich sie in unserer Mediathek nachgehört, die Predigten von P. Manfred Hösl SJ aus Berlin, die er zum Faschingstriduum in St. Michael in München gehalten hat, im März 2022. Ich stolperte über einen Ausdruck, und er beschäftigt mich seither: Christen seien – es klingt leicht evangelikal, aber es hallte nach – „eine ‚GmbH‘: eine Gesellschaft mit begründeter Hoffnung“. Ihre Botschaft müsse „gut begründet und fröhlich verkündet“ werden. Wer mit einer „Totengräbermiene“ (Papst Franziskus) durchs Leben geht, hat das Evangelium nicht verstanden: Hoffnung ohne Ablaufdatum! Nein, wir Christen sind keine Besserwisser oder naiven Optimisten. Hoffnung ist etwas Anderes als Optimismus. Hoffnung hofft – auch gegen alle Hoffnung. Gegen alle Berechnung. Gegen jedes Kalkül. Und so bekommt die alte Redeweise eine neue Bedeutung: „Dum spiro spero.“ – „Solange ich atme, hoffe ich.“ Manchen glaube ich das. Anderen nicht, weil es zu glatt daherkommt. Aber es gibt Menschen – und Mitbrüder –, denen ich das abnehme. Zu den drei göttlichen Tugenden gehört sie: Glaube – Hoffnung – Liebe. Sehnt es mich danach? Ich bete darum. Hoffnung muss begründet sein. Sie wirkt gegen Verzweiflung. Rechenschaft ablegen über die Hoffnung, die einen erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15): Tue ich das? Von dem Gefängnisseelsorger Don Marco Pozza befragt, welche Hoffnung er in sich trage, sagte Papst Franziskus: „Jesus. Jesus ist meine Hoffnung.“ Das möchte ich auch sagen können! Nicht erst am Ende meines Lebens. Andreas R. Batlogg SJ Er studierte und promovierte in Innsbruck, Israel und Wien. Bis 2017 war er Chefredakteur der „Stimmen der Zeit“ und ist Mitglied des Seelsorgeteams von St. Michael in München. ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 10 Warum die Kirche in den zivilen Widerstand treten sollte Diane Nash, eine bekannte US-amerikanische Bürgerrechtlerin, hat mal gesagt, ziviler Widerstand sei die „beste Innovation des 20. Jahrhunderts“. Weil es einem ermöglicht, ohne Blutvergießen gesellschaftliche Veränderung zu erreichen. Es gibt mir Hoffnung zu sehen, dass immer mehr Menschen es nicht länger hinnehmen, dass unsere Regierung neue Ölbohrungen in der Nordsee und neue fossile Infrastruktur plant. Dagegen leisten wir friedlichen, aber entschlossenen Widerstand. Unser Hungerstreik hat gezeigt, dass wir mit zivilem Widerstand an den Verhandlungstisch kommen können. Die Kirche kann in unserem zivilen Widerstand gegen die zerstörerische Klimapolitik der Regierung eine zentrale Rolle spielen. Sie hat die Macht, aber damit auch die Verantwortung, sich in die aktuelle Wertedebatte einzubringen und unserem Einsatz moralische Legitimität zu verleihen. Als Person im zivilen Widerstand merke ich, wie schwierig es ist, ohne die Kirche im Rücken zu protestieren. Ich werde von den Medien als „Kind der Apokalypse“ belächelt, von den Menschen auf der Straße beschimpft und vom Bundeskanzler als „größenwahnsinnige Fanatikerin“ diskreditiert. Auch verfügt die Kirche über internationale, unabhängige Netzwerke und wertvolle materielle Ressourcen, mit denen sie unseren Widerstand unterstützen kann. Der Beitrag vieler Katholiken und Protestanten in der Bürgerrechtsbewegung zur Wende ist dafür nur eines von vielen Beispielen in unserer Geschichte. Lea Bonasera Sie ist 24 Jahre alt und Mitbegründerin der Gruppe „Letzte Generation“, mit der sie im zivilen Widerstand ist, um sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Hoffnung in der ökologischen Kri In diesem Heft berichten uns zwei junge Klimaaktivisten über ihr Engagement Lea Bonasera sieht hier ganz klar auch die Kirche in der Pflicht – und Vincent Die Kirche hat die Verantwortung, sich in die aktuelle Wertedebatte einzubringen.

SCHWERPUNKT 11 Warum noch Klima-Aktivismus? Die Klimakrise ist eine existentielle Krise – sie bedroht die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit und damit das Fundament unserer Zivilisation. Die Auswirkungen auf Bodenfruchtbarkeit, Trinkwasserverfügbarkeit und Extremwetterereignisse könnten so gewaltig sein, dass zum Ende dieses Jahrhunderts weite Teile unserer Erde unbewohnbar sein werden. Von ernsthaften Anstrengungen hin zu einer tiefgreifenden sozial-ökologischen Transformation sind wir in Deutschland wie auf der ganzen Welt jedoch noch weit entfernt. Es ist also verständlich, dass in meiner Generation, der „Fridays Generation“, Angst, Resignation und Verdrängung als emotionale Reaktionen auf die Klimakrise weit verbreitet sind. Es drängt sich die Frage auf: Was kann im Angesicht einer solchen Krise eigentlich Antrieb geben, zum Handeln motivieren, Hoffnung stiften? Ich selber stelle mir diese Frage häufig – und komme doch immer wieder auf die gleiche Antwort zurück. Denn für mich sind es letztlich die Tausende Menschen, die aus alt eingesessenen Mustern ausbrechen und handeln, die in mir den Glauben an eine erfolgreiche Wende aufrechterhalten. Dazu gehören einerseits die vielen Aktivist*innen in Deutschland, mit denen ich täglich zusammenarbeite. Dazu gehört anderseits aber auch die indigene Gemeinschaft auf den Fidschi-Inseln im Südpazifik, in der ich nach dem Abitur ein Jahr lang gelebt habe – und die täglich gegen die Klimakrise ankämpft, obwohl sie schon seit Jahren unmittelbar von ihr betroffen ist. Wenn so viele Menschen sich schon heute mit unermüdlicher Energie für eine andere Zukunft einsetzen, dann können wir alle ein Teil des Wandels werden und das Ruder herumreißen. Davon bin ich überzeugt. Vincent Gewert Er ist 22 Jahre alt und organisiert seit Sommer 2019 Kampagnen, Bündnisse und Demonstrationen in der „Fridays for Future“-Bewegung. se für Klimagerechtigkeit und sozial-ökologischen Wandel. Gewert setzt auf das Engagement so vieler Menschen wie möglich. Zum Ende dieses Jahrhunderts könnten weite Teile unserer Erde unbewohnbar sein.

SCHWERPUNKT 12 Vernünftig hoffen „Was darf ich hoffen?“ – Für Immanuel Kant fällt die Beantwortung dieser Frage unter die Aufgaben der Philosophie. Die Formulierung mag überraschen. Denn wer sollte uns das Hoffen verbieten können? Dennoch hat Kant das Hilfsverb mit Bedacht gewählt. Es geht ihm nicht um Träume oder Illusionen, sondern um eine Hoffnung, die vor der Vernunft bestehen kann. realitätstauglich Wer hofft, wünscht sich, dass seine Absichten in Erfüllung gehen. Wer wunschlos glücklich wäre, bräuchte auf nichts mehr zu hoffen. Wunschlos glücklich ist, wenn überhaupt, nur Gott. Es ist derselbe Grund, warum wir Menschen Hoffnung brauchen, und warum wir uns keine falschen Hoffnungen machen sollten: Die Wirklichkeit entspricht nicht immer unseren Vorstellungen. Durch noch so große Anstrengungen vermögen wir nicht, alles nach unseren Plänen einzurichten. Vernünftige Hoffnung macht sich nichts vor. Sie weiß, dass wir weder uns selbst noch andere wunschlos glücklich machen können. Trotzdem steckt sie den Kopf nicht in den Sand. verantwortungsbewusst Die kantische Frage nach der Erlaubnis zu hoffen lässt eine zweite Deutung zu. Von manchen Wünschen oder Sehnsüchten wäre es schlicht unanständig zu hoffen, dass sie in Erfüllung gehen. Eine Tennisspielerin, der die Moral nicht egal ist, wird zum Beispiel nicht hoffen ‚dürfen‘, dass ihre Gegnerin plötzlich stolpert und sich verletzt. Aber ‚darf‘ ich vielleicht hoffen, dass eine Partei, die nichts für den sozialen Ausgleich tut, die Wahl verliert? Oder ‚muss‘ ich darauf sogar hoffen? Was jemand erhofft, ist nicht bloß eine Frage des Gefühls oder des Charakters, sondern vernünftiges Hoffen hat mit Moral zu tun. religionsaffin Kant beschäftigt noch eine dritte Schwierigkeit: Was wäre, wenn einerseits die Stimme des Gewissens dazu aufriefe, unseren notleidenden Mitmenschen beizustehen, wenn wir aber andererseits zugeben müssten, dass alles menschliche Mühen die Welt nicht besser macht? Die Hoffnung richtet sich immer auf etwas, wozu wir zwar den Grund legen, das wir aber selbst nicht bewirken können. An dieser Stelle bringt Kant die Religion ins Spiel. Wer einsehen muss, dass er weder die Welt gerecht noch alle Menschen glücklich zu machen vermag, könnte gleichwohl auf jemanden hoffen, in dessen Macht es liegt, Gerechtigkeit und Glück zu verwirklichen. Das Realitätsprinzip verbietet, eine solche Hoffnung in einen menschlichen Akteur zu setzen. Das Verantwortungsbewusstsein fordert, die Hände nicht in den Schoß zu legen, während wir auf bessere Zeiten warten. Die Religion erlaubt, den Blick weg von uns selbst, auf Gott zu richten. Sollte Kant übertrieben oder sich geirrt haben? Georg Sans SJ Er lehrt seit 2014 Religionsphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München. Zuvor war er Professor an der Gregoriana in Rom. ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 13

SCHWERPUNKT 14 Hoffen inmitten der Krise? Der Prophet Hesekiel wirkte 20 Jahre im babylonischen Exil. Was hat er uns zum Thema Hoffnung zu sagen? Prüfungen sind oft gleichbedeutend mit dem Tod, da sie das Versprechen auf Leben zutiefst in Frage stellen. Für das Volk der Bibel ist diese Prüfung das Exil in Babylon: Das Land und der Tempel werden von den Feinden verwüstet, der König und ein Teil des Volkes müssen ins Exil. Die Überwindung der Prüfung ist überlebenswichtig. Wie soll man hoffen und leben, wenn man sich tot glaubt? Eine Antwort darauf finden die Propheten in einer grundlegenden Feststellung: Das Überleben des Volkes hängt vom Bund mit YHWH ab, aber auch davon, ob es sich für das Leben oder den Tod entscheidet. Damit steht auch die Frage im Raum, wie das Volk mit dem Bösen und seiner Mitverantwortung dafür umgeht. Der Exil-Prophet Hesekiel kommt aus seinem tiefen Glauben heraus auf die folgende Erklärung: Die Prüfung des Exils ist das Schlussurteil im Prozess von YHWH gegen sein Volk, das sich seit seiner Befreiung aus Ägypten immer wieder von seinem Gott abwendete und ihn verriet. Eine Möglichkeit, den Dialog wiederaufzunehmen und die zerbrochene Beziehung zu heilen, ist der Weg der Justiz und der Gerechtigkeit. Dazu müsste man dem Anderen und seinen Gründen zuhören, was das Volk jedoch ablehnt. So wird das Exil zuerst zur Strafe, eine schmerzhafte, aber unerlässliche Phase, die letztendlich heilsam sein wird. Die Anwesenheit Hesekiels unter den Exilierten ist schon ein Zeichen der Hoffnung: In ihm ist YHWH gleichsam anwesend, Er, der will, dass das Leben weiterbesteht. Aber zunächst muss der Prophet die kollektive und individuelle Sünde der Ungerechtigkeit und des Götzendienstes entlarven und anklagen. Sich der Anklage zu stellen, ist ein erster Schritt, um aus der unglücklichen Situation herauszukommen. Aus dem Verstehen der eigenen Verantwortung und der Akzeptanz des Urteils entsteht neues Leben. Denn wer sich im Unglück einschließt, sieht keinen Ausweg. Nur das Hören auf YHWH ermöglicht ein positives Handeln inmitten der Krise. Sich im Unglück einzuschließen, ist das stärkste Hindernis der Hoffnung. Hesekiel warnt davor und nennt als Ausweg das Hören auf die Stimme, die auffordert, sich zu erheben und aufrecht zu stehen. Denn dies ermöglicht, die Realität wahrzunehmen, wie sie ist, und sich ihr zu stellen. Allein diese erwachsene, anpassungs- und widerstandsfähige Haltung verhindert, dass man vom Bösen und vom Tod überwältigt wird. Dies ist sicher nicht einfach, aber ein unabdingbares Merkmal des Menschen als echtem Partner von YHWH. Indem er seine Einzigartigkeit und seine Verantwortung annimmt, kann er frei an der Verwirklichung des göttlichen Plans für ein erfülltes Leben für alle, ein wahres Leben im Bund, teilnehmen. „Wie soll man hoffen und leben, wenn man sich tot glaubt?“ Elena Di Pede Sie ist Professorin für Bibelwissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Lothringen (Frankreich). Zuletzt veröffentlichte sie „Hesekiel (Mon ABC de la Bible)“, Paris, Cerf, 2021.

SCHWERPUNKT 15 Bleiben, wenn´s am schlimmsten ist Gerade treten deutschlandweit Hunderttausende aus der Kirche aus. Regina Laudage-Kleeberg hat sich für das Gegenteil entschieden und bleibt. Erfahren Sie hier, warum. Interview: Dr. Anette Konrad Warum bleiben Sie in der Kirche? Ganz einfach – ich bleibe in der Kirche, weil ich katholisch bin. Und noch ist es nicht so weit zu gehen. Was nährt Sie in der Kirche? In der Kirche gibt es vieles, das mich überhaupt nicht nährt, aber in meinem KatholischSein nährt mich ganz viel. Ich bin ganz überzeugt von unserem Menschenbild, das den Menschen ganz groß denkt, und dass jeder Mensch von Gott innig geliebt wird, vor aller Leistung und mit aller Schuld. Was gibt Ihnen persönlich Hoffnung? Ich glaube ganz stark an Veränderung und hoffe auf sie. Und da sich die meisten Dinge verändern können, bin ich ganz überzeugt, dass sich diese Hoffnung lohnt. Welche Menschen begleiten Sie auf Ihrem Weg? Ich bete viel mit meinen Kindern und spreche mit ihnen über Gott. Und zwar mit einem Gottesbild, das fröhlich ist und den Menschen groß denkt. Das macht Spaß und ist mit großer Leichtigkeit verbunden. Und wir feiern manchmal im Treppenhaus mit den Nachbarn Gottesdienste. Außerdem arbeite ich in der Aufarbeitungskommission des Bistums Münster mit ganz tollen und klugen Menschen zusammen, die wie ich wollen, dass sich mit Blick auf sexualisierte Gewalt und den Umgang mit ihr viel ändert. Welche Wege der Veränderung und des Wandels sehen Sie und möchten Sie verstärken? Ich wünsche mir am allermeisten, dass sich Kirche radikal an den Gläubigen und ihren Be- dürfnissen orientiert. Das pastorale Angebot muss sich sehr stark ändern, nicht nur in Gemeinden, sondern es muss außerhalb der normalen Kontexte und in neuen Formaten stattfinden. Das würde vielen Menschen sicher etwas bedeuten. Denn meine Vermutung ist: Das Bedürfnis bzw. die Sehnsucht, sich gehalten und angenommen zu fühlen, ist immer noch in vielen da. Was gibt Ihnen Halt beim Bleiben in der Kirche? Ich habe für mich Prinzipien aufgestellt, um katholisch bleiben zu können, ganz kurz zusammengefasst lauten sie: 1. Tätig bleiben 2. Gesund bleiben 3. Ehrlich bleiben 4. Gläubig bleiben 5. Ungehorsam bleiben 6. Laut bleiben 7. Verbündet bleiben 8. Versprechen halten Regina Laudage-Kleeberg Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Münster, arbeitet mit Begeisterung für das Bistum Essen und schreibt und spricht Texte, u.a. für Kirche im WDR.

SCHWERPUNKT 16 Engagierte Hoffnung Georg Sporschill SJ ist mit seinem Sozialprojekt ELIJAH in Rumänien aktiv. Er nimmt uns mit zu einem Besuch bei Straßenkindern in Bukarest und stellt uns eine „Heldin der Hoffnung“ vor. Wir sind zurück am Nordbahnhof in Bukarest. Mit einem kleinen Team von ELIJAH, unserer Sozialinitiative. Von den Horden der Straßenkinder, die uns am Beginn vor 30 Jahren empfangen haben, ist nichts mehr geblieben. Tausende konnten gerettet werden, viele, zu viele sind gestorben. Ein paar sind noch da. Unvorstellbar, wie sie die Jahre auf der Straße überlebt haben. Die ehemaligen Kinder sind jetzt 40 Jahre alt, ihre Gesichter wirken, als wären sie um ein Vielfaches älter. Sie sind kaputt. Einer von ihnen ist Moise, der Anführer. Kaum ein Tag, an dem er nicht vom Bahnhof aus anruft: „Hier gibt es viele, die Hilfe brauchen. Wann kommt ihr?“ Immer öfter fahren wir in letzter Zeit von Marpod in Siebenbürgen, wo ELIJAH in den Dörfern mit Roma-Siedlungen arbeitet, nach Bukarest. Dort empfängt uns eine Horde mit großem Hallo. Es gibt etwas Warmes zu essen. Nicht immer enden diese Treffen ohne Schlägerei oder Skandal. Die Schwierigsten lassen sich nicht abschütteln. Wie kommen wir wieder weg? Cristina hilft uns. Als Einzige ist sie immer nüchtern, sauber gekleidet, und sie lässt sich von keinem der Männer etwas ge- fallen. Sie schimpft, boxt, stößt die Gewalttätigen weg und zwinkert uns zu. Die Verzweifelten respektieren sie, sogar in ihrer Bewusstlosigkeit. Cristina ist am Bahnhof auf-

SCHWERPUNKT 17 gewachsen. Hier hat sie miterlebt, wie die Eltern zugrunde gingen. Obdachlose Alkoholiker. Ich staune, wie ein Mensch Jahrzehnte auf der Straße leben und sich so gut halten kann. Cristina zeigt uns ihren Schlafplatz unten in der Metro-Station. Hinter einem Eisengitter liegen ihre Decken zusammengerollt, steht ein Karton mit ihren Habseligkeiten. Die Billeteurin hat ihr den Schlüssel zu diesem exklusiven Platz anvertraut. Die Frau im Bahnhofs-WC gibt ihr freien Zugang, so kann sie sich waschen. Dafür hilft Cristina, die Station sauber zu halten, und begleitet ohne jede Angst die Obdachlosen, wenn sie Probleme machen, hinauf ans Tageslicht. Sie ist die beste Security und zugleich Sozialarbeiterin mit Humor. Ich frage, ob sie nicht in unserem Haus am Bahnhof leben möchte. „Nur wenn es einen Fernseher gibt, weil ich Fußball schauen muss“, lautet ihre Bedingung. Was hebt Cristina aus allen anderen heraus? Die meisten am Bahnhof sind verzweifelt, sie aber ist unheimlich stark geworden. Ihr Geheimnis ist wohl der Einsatz für die anderen. Und zwar dort, wo jeder nur noch ums Überleben kämpft und sich betäubt. Hier sind alle Helfer überfordert. In diesem Niemandsland ist sie allein aufgestanden, um sich für die Verlassenen einzusetzen. In ihrem gelegentlichen Augenzwinkern zeigt sie ihre Souveränität, ja sogar ein bisschen Stolz. Sie wird von denen gebraucht, die niemand mehr erreichen kann. Cristina ist eine Heldin der Hoffnung, die nicht vertröstet, sondern verändert. Ich lerne von ihr Streetwork. Aber auch aus meinen persönlichen Nöten reißt sie mich heraus. Wenn mich Freunde verraten, Gegner bedrängen, wenn Angst und Eifersucht hemmen, wenn ich Fehler gemacht habe, wenn ich enttäuscht bin. Dann kommt Cristina zu mir und sagt: Deine Not ist klein und zu bewältigen. Schau, wie es unseren Freunden am Bahnhof geht. Für wen bringst du jetzt, und gerade jetzt, wo du selbst in Not bist, Verständnis auf? Wer ruft dich? Sie öffnet mir die Augen für Menschen, die ich nicht mehr gesehen habe. P. Georg Sporschill SJ Er lebt seit 30 Jahren in Osteuropa und gründete mit Ruth Zenkert die Sozialinitiative ELIJAH und Musikschulen für Roma-Kinder. ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 18

SCHWERPUNKT 19 Was macht mir Hoffnung? Eine sehr persönliche Frage, die wir Menschen vom Schüler bis zum Rentner, ukrainischen Studentinnen und einem Geflüchteten aus Eritrea gestellt haben. Lesen Sie hier ihre Hoffnungssätze: Hoffnung war für mich immer „süß“ und verließ sich auf Gottes Gnade. Aber jetzt ist meine menschliche Natur voller Schmerz und Unverständnis. Ich kann nur auf Gottes Gerechtigkeit hoffen: der einzige Weg, um meinen Zorn und mein Verlangen nach Rache loszulassen. Weil Du, oh Gott, tiefer siehst als alle. Anastasiya, 26 Jahre Von der Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen bin ich getragen und kann so in allen Lagen des Lebens hoffungsvoll in die Zukunft blicken. Markus, 70 Jahre Es macht mir Hoffnung, dass alle Menschen gleich sind und ich in Deutschland – anders als in meiner Heimat Eritrea – machen kann, was ich will. Filmon, 38 Jahre Es gab schon immer Menschen, die Gutes für ihre Mitmenschen und die Natur bewirkten. So wird es auch weiterhin sein. Ich glaube an die Kraft der Liebe. Dies gibt mir Hoffnung für mich persönlich und die Welt. Siglinde, 69 Jahre Hoffnung ist für mich eine Sehnsucht – nach etwas Gutem und Positivem in der Zukunft. Diese Hoffnung kann unrealistisch sein oder Wunschdenken beinhalten, es sind ihr keine Grenzen gesetzt. Marvin, 22 Jahre Die Ukraine erlebt eine ungeheure Situation: Tausende von Menschen werden getötet, gefoltert und vergewaltigt. Da ist es sehr schwierig, über Hoffnung zu sprechen, weil das, was wir täglich sehen und hören, uns leicht die Hoffnung auf überhaupt etwas verlieren lässt. Andererseits finden gläubige Menschen ihre Hoffnung in Gott, wie es im folgenden Bibelvers heißt: „Wir blicken nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig.“ (2. Kor 4, 18) Kvitka, 20 Jahre Wenn ich gerade traurig oder frustriert bin, macht mir der Gedanke, eine tolle Familie, viele und gute Freunde zu haben, Hoffnung. Auch weil ich mit meinen Eltern über alle Probleme reden kann und wenn ich mit meinen Brüdern spielen kann und nicht alleine bin, habe ich Hoffnung. Maximilian, 11 Jahre ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 20 Hoffnung bis zuletzt Haben Menschen mit einer lebensbegrenzenden Diagnose noch Hoffnung? Schwester Hannelore Huesmann teilt mit uns ihre Erfahrungen, wie vielfältig Hoffnung am Lebensende sein kann. Seit mittlerweile über 25 Jahren leite ich einen ambulanten Hospizdienst für Menschen mit AIDS. Wir lernen Menschen kennen, die überraschend oder über einen langen Zeitraum in eine Situation gekommen sind, in der sie sich mit einer lebensbegrenzenden Diagnose konfrontiert sehen. Sind sie das, was manche als „hoffnungslose Fälle“ bezeichnen? Ich erlebe Menschen, die Kraft aus ihrem Glauben beziehen: „Mag sein, dass mein Körper nicht mehr mitmacht, aber ich glaube fest daran, dass mit dem Tod nicht alles aus ist!“ Das schenkt diesen Menschen eine Perspektive und lässt sie allen medizinischen Befunden zum Trotz lächeln. Ebenso gibt es unter den Menschen, die wir begleiten, aber auch diejenigen, die in ihrem Leben nie Zugang zu Glaubensfragen oder eine kirchliche Bindung bekommen haben. Sind sie deshalb hoffnungslos? Ich habe gerade von ihnen gelernt, wie vielschichtig Hoffnung sein kann. Günther* erfüllt angesichts einer fortschreitenden Tumordiagnose die Hoffnung, dass die ihm verbleibende Zeit eine schmerzfreie sein wird. Wilfried*, der seit zwei Jahren nicht mehr sprechen kann, hofft darauf, dass wir ihn regelmäßig besuchen und mit ihm reden – auch wenn er nicht mit Worten antworten kann. Aber durch Kopfschütteln, Nicken oder andere Gesten ist die Kommunikation ja möglich! Werden solche Hoffnungen erfüllt, ist das eine Erfahrung, die Menschen leben lässt – manchmal geradezu aufleben lässt! Diese beiden Beispiele machen vielleicht auch deutlich, dass trotz einer lebensbegrenzenden Diagnose die Hoffnung ihren Platz hat und haben darf. Zugleich möchte ich Menschen keine falschen Hoffnungen machen. Deshalb sind für mich Wahrhaftigkeit und Hoffnung wie zwei Seiten einer Medaille. Beides gehört zusammen. Wahrhaftigkeit meint jedoch nicht, jemandem gnadenlos die Begrenztheiten des Lebens zu präsentieren, sondern zu dem stehen zu können, was man sagt oder tut. Das bewahrt zugleich vor billigen Vertröstungen! Oft frage ich einfach die Menschen, die wir begleiten, was sie sich erhoffen: vom nächsten Tag, von der vor ihnen liegenden Zeit, von den Menschen, denen sie sich verbunden wissen, von uns … Manche überrascht die Frage erst einmal, andere antworten sofort und sehr konkret. Ich stelle diese Frage, weil ich an einen Gott glaube, der für uns alle die Hoffnung hat, „dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10) – und weil ich als Christin eingeladen bin, dieser Hoffnung in meinem Umfeld ein Gesicht, Hände oder Füße zu geben. Sr. M. Hannelore Huesmann Die Krankenschwester und Franziskanerin gehörte 1997 zu den Gründungsmitgliedern des „Hospizdienst TAUWERK e.V.“ in Berlin und letiet diesen seitdem. * Namen geändert ©TUM-Archiv

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SCHWERPUNKT 22 Es hofft der Mensch, solange er lebt Was genau ist eigentlich Hoffnung? Wie prägt sie unser Leben – und was hat sie mit unserem Glauben zu tun? Mit diesen Fragen befasst sich Roman A. Siebenrock. Der Mensch scheint ein höchst seltsames Wesen zu sein. Seine Vorzüge erweisen sich oft als Schwächen. Weil wir mit einem Möglichkeitssinn für alternative Welten ausgestattet sind, scheinen uns in unserer Phantasie keine Grenzen gesetzt zu sein. Das weiteste Feld möglicher Welten heißt Zukunft. Einerseits ist uns die Zukunft auferlegt. Ich wurde nicht gefragt, ob ich leben will, in der Zeit mit allem Elend und aller Schönheit dieser Geschichte konfrontiert, schon in der Geburt auf das Ende hin angelegt. Auf der anderen Seite kann dieser „Zwang“ angenommen und als Möglichkeitsraum gestaltet werden. Die Befähigung, gegen alle Erfahrungen der Geschichte auf ein mögliches gutes Leben für alle zu setzen, auf Gerechtigkeit und Frieden unter Menschen, und sich dafür einzusetzen, das nenne ich Hoffnung. Hoffnung ist mehr als Erwartung und Prognose. Sie prägt eine Lebenshaltung, die sich involvieren lässt. Hoffnung ist nicht Leichtfertigkeit, die gegeben wäre, wenn jemand ernsthaft glauben würde, mit dem Lottospiel seinen Lebensunterhalt bestreiten zu wollen. Hoffnung kennt Gründe, richtet sich an alternativen Lebensmodellen aus, weiß aber auch um die Möglichkeiten unserer Geschichte. Dennoch gibt sie sich mit dem „status quo“ im Blick auf Würde und Freiheit des Menschen, Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen und mit allen Lebewesen nicht zufrieden. Warum nicht? Weil in ihr Herz die subversivste Geschichte der Menschheit eingeschrieben worden ist: Exodus! Zieh weg! Diese biblische Matrix, die uns immer neu dazu provoziert, in eine Zukunft hinein zu leben, die nicht am Menschenmöglichen ihr alleiniges Maß findet, ist für mich mit der Gestalt Jesu Christi verbunden und dem Jubelruf: Der Gekreuzigte lebt! So lautet die christliche Überbietung aller menschlichen Er- wartungen, weil die scheinbar letzte und universale Macht der Geschichte sich als vorläufig herausgestellt hat. Wer aber den Tod nicht mehr fürchtet, über den hat alle Gewalt dieser Welt ihre Macht verloren. Dann taucht eine Ahnung von Freiheit auf, die an keiner uns möglichen Grenze ihr Maß findet. Paulus besingt die Ekstase aller Hoffnung: Tod, wo ist Dein Sieg, Tod, wo ist Dein Stachel? (1 Kor 15,54) Hoffnung, die im Exodus wurzelt, fordert/ fördert unseren Mut. Sie bleibt ein Wagnis, weil sie ohne unsere Freiheit nicht wird. Diese Hoff- nung blinzelt nicht am Tod vorbei und weiß, dass Enttäuschung, Passion und Ratlosigkeit ihr Teil sein wird. Sie weiß aber auch, dass es richtig war und ist, so zu leben. Denn was erwartet uns allerletzten Endes? Die Schrift kennt alle Szenarien und wir kommen heute der Erfahrungswelt der ersten Christgläubigen wieder sehr nahe: Morgen schon kann die Geschichte der Menschheit zu Ende sein. Selbstgemachte Apokalypse. Das letzte Buch der Heiligen Schrift, die Apokalypse des Johannes, ist reich an Bildern ©TUM-Archiv

SCHWERPUNKT 23 des Untergangs, die unsere Vorstellungskraft bis heute tief beeinflussen. Weniger im Bewusstsein aber ist die Grundbotschaft dieses Buches: Was auch immer geschehen mag, selbst wenn Himmel und Hölle losbrechen sollten, die Zukunft haben wir schon erfahren: Christus kommt uns entgegen, die sich selbst schenkende Liebe in Jesus Christus. Darin erkennen wir die letzte Macht der Geschichte, und das ist der einzige Grund christlicher Hoffnung, die bleibt und wirkt, auch wenn wir ohnmächtig und schwankend werden sollten. Unsere Zweifel dürfen sein, aber selbst in diesen erreicht uns die Botschaft: Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt. Roman A. Siebenrock Er ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Innsbruck. Sein besonderes Interesse gilt der Theologie in Treue zum Zweiten Vatikanischen Konzil.

24 Füreinander beten Ist eine Kirche tagsüber geöffnet, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass dort Kerzen brennen. Dieser Trend scheint nicht abzureißen. Unabhängig vom religiösen oder spirituellen Hintergrund ist das Entzünden einer Kerze eine Geste, die verstanden wird: Ich bete für dich. Ich denke an dich. Auch wenn das fürbittende Gebet (theologisch) nicht un- problematisch ist, hilft diese einfache Art zu beten, denn sie öffnet meinen Horizont auf den je Größeren hin. Dieses Gebet kann Ausdruck meiner Hilflosigkeit sein und bedient manchmal auch mein Bedürfnis, etwas tun zu wollen, obwohl mir die Hände gebunden sind – wie beispielsweise angesichts des Kriegs in der Ukraine oder in anderen Teilen der Welt. Das fürbittende Gebet hilft meiner Sprachlosigkeit, Fassungslosigkeit, vielleicht auch Angst. Dieses Gebet kann manchmal aber auch naiv wirken: Braucht es wirklich mein Flehen zu Gott, damit er das Unheil sieht, das gerade geschieht? Das sicher nicht, aber das Gebet führt mich in eine Beziehung, in der Heil entstehen kann; und es steht in Bezug zu meiner eigenen Verwundbarkeit, antwortet auf sie. Die brennende Kerze in der Kirche ist ein Ausdruck dafür. Diese Kerzen werden längst nicht mehr nur in Kirchengebäuden entzündet. Sie lassen sich auch in den sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook oder Instagram entdecken. Dort finden sich unterschiedliche Inhalte, die mit Hashtags wie #LichtfürdenFrieden, #Prayfor… oder ähnlichen Schlagworten gekennzeichnet sind. Wie die Kerze in der Kirche öffnen diese Beiträge auf den je Größeren hin und durchbrechen die horizontale Dimension dieser Netzwerke. Ein „Like“ oder Kommentar kann ein Ausdruck des Mitbetens sein, dabei geht es nicht um deren Anzahl. So wie es für die Kerze in der Kirche unerheblich ist, wie viele Menschen bei ihr stehen bleiben. Es geht um Innehalten und Verbundenheit: füreinander beten. Auch der Papst hat erkannt, dass das Smartphone ein ständiger Alltagsbegleiter ist, und so betreut das Weltweite Gebetsnetzwerk des Papstes eine Gebets-App, die täglich drei Momente zum Innehalten, Vertiefen und Verbundensein bietet – eine Möglichkeit, ein geistliches Leben im Alltag einzuüben und füreinander zu beten. Dag Heinrichowski SJ Er lebt und arbeitet als Jesuit und Priester in seiner Heimatstadt Hamburg. Seit Sommer 2021 ist er Geistlicher Leiter im Jugendverband KSJ, seit Anfang 2022 zusätzlich Koordinator des Weltweiten Gebetsnetzwerkes des Papstes in Deutschland. Geistlicher Impuls Das Gebet führt mich in eine Beziehung, in der Heil entstehen kann. ©TUM-Archiv

GEISTLICHER IMPULS 25

26 P. Algimantas Gudaitis SJ Ich wurde vom Herrn in eine Familie mit sechs Geschwistern ins Leben berufen. Ich kam mit meinem Zwillingsbruder Aldonas auf die Welt. Unsere Eltern überlebten die zehnjährige sibirische Verbannung und arbeiteten in einer Salzgewinnungsfabrik in der Nähe von Irkutsk. Sie haben uns oft erzählt, wie Gott sie im Exil beschützt hat. Dies war bereits der Anfang meiner Berufung zum Priester. 1981, ein Jahr nach dem Schulabschluss, wurde ich mit meinem Bruder in die sowjetische Armee eingezogen. Der Sicherheitsdienst versuchte, uns „umzuerziehen“ und zum Lesen von Schriften Lenins zu bewegen, denn er wusste von unseren Kontakten zu den aktiven Priestern. Dort wurde jedoch meine Berufung noch stärker. Als ich viele ungläubige Soldaten um mich herum sah, fragte ich mich: „Wenn Gott wirklich existiert, warum gibt es dann so viele Ungläubige?“ Die Antwort wurde in meinem Herzen geboren: „Nur wenige erzählen ihnen von Gott. Wenn ich Priester werde, kann ich anderen von Gott erzählen.“ In meiner jetzigen Aufgabe als Schulseelsorger erfüllt sich der Dienst, anderen von Gott zu erzählen, in Fülle. Nach der Rückkehr aus der sowjetischen Armee versuchten mein Bruder und ich in das Priesterseminar in Kaunas einzutreten, jedoch Was macht eigentlich …? © Privat „In meiner Aufgabe als Schulseelsorger erfüllt sich der Dienst, anderen von Gott zu erzählen, in Fülle.“

WAS MACHT EIGENTLICH...? 27 erfolglos. Meinem Bruder gelang der Eintritt beim zweiten Versuch, mir erst beim fünften. In der Zwischenzeit trat ich in das von den Jesui- ten geleitete Priesterseminar im Untergrund und 1986 – heimlich mit meinem Bruder – in den Jesuitenorden ein. Nachdem ich nach mehre- ren gescheiterten Versuchen endlich in das offizielle Priesterseminar in Kaunas aufgenommen wurde, wurde ich 1992 zum Priester geweiht. Vor einigen Jahren wurde meine Berufung bei der Weltversammlung der Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL) in Argentinien gestärkt, an der ich als kirchlicher Assistent der litauischen GCL teilgenommen habe. Ich fragte den Herrn: „Was ist der Name meiner Gnade?“ Im Gebet erinnerte ich mich an die Worte auf dem Bild von meiner Primiz: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt ...“ In meinem Herzen kam folgender Name der Gnade auf: „erwählt und bestimmt“. Das Wort „erwählt“ zeigt, dass Gott meine Berufung initiiert hat. Das Wort „bestimmt“ bekräftigt das jesuitische Gehorsamsgelübde – meinen Auftrag dort zu erfüllen, wohin ich berufen werde. Jedes Mal, wenn ich mich bereit erklärte, einen neuen Auftrag zu übernehmen – im Studium in den USA, als Novizenmeister oder als Seelsorger im Jesuitengymnasium in Vilnius – wurde ich überall vom Herrn begleitet. © Jesuitengymnasium Vilnius Zwillingsbrüder Aldonas und Algimantas, beide Jesuiten P. Algimantas Gudaitis (links) bei einer Weihnachtsfeier im Jesuitengymasium Vilnius © Privat

NACHRICHTEN 28 Neues aus dem Jesuitenorden Papst spricht Volksmissionar Jeningen selig Papst Franziskus hat den Volksmissionar und Jesuiten Philipp Jeningen SJ (1642–1704) seliggesprochen. Er würdigte Jeningen als „unermüdlichen Verkündiger des Evangeliums“. Am 16. Juli verlas der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ in Vertretung des Papstes bei einem Gottesdienst in Ellwangen die Urkunde zur Seligsprechung. Die Verehrung für den „guten Pater Philipp“ ist in der Region um Ellwangen bis heute stark in der Volksfrömmigkeit verankert. Jeningen kümmerte sich in den Jahren nach dem 30-jährigen Krieg (1618–1648) um Bauern, spendete Sakramente und pflegte einen asketischen Lebensstil. In einem Brief an die Gesellschaft Jesu betonte der Generalobere des Jesuitenordens, P. Arturo Sosa SJ, Jeningen habe durch sein Wirken „die Liebe Gottes sichtbar“ gemacht, was Gläubige auch heute inspiriere. Bischof Gebhard Fürst, Apostolischer Nuntius Nikola Eterović und Kardinal Jean-Claude Hollerich (v. r.) bei der Seligsprechung von Pater Philipp Jeningen auf dem Ellwangener Marktplatz © Diözese Rottenburg-Stuttgart / Arkadius Guz

NACHRICHTEN 29 Chefredakteure treffen Papst Franziskus Papst Franziskus hat zehn Chefredakteure der europäischen Kulturzeitschriften der Jesuiten und den Generaloberen der Gesellschaft Jesu, P. Arturo Sosa SJ, empfangen. Der Papst ging in dem fast eineinhalbstündigen Gespräch insbesondere auf den Krieg in der Ukraine und die schwierige Situation, in der sich die Welt befindet, aber auch auf das Leben der Kirche und den derzeitigen Synodalen Prozess der Weltkirche ein. Der Papst ermutigte die Zeitschriften, fortzufahren und ihren wichtigen Dienst für Kirche und Gesellschaft zu erfüllen. Wie bei allem jesuitischen Wirken müsse im Vordergrund stehen, Realität abzubilden und über diese eine gute Unterscheidung (discernimiento) anzustellen, womit er die ignatianische „Unterscheidung der Geister“ meinte. Gut besucht: der Stand der Jesuiten auf dem Katholikentag © SJ-Bild Jesuiten auf dem Katholikentag Mit vier Schwerpunkten haben die Jesuiten und ihre Werke auf dem Katholikentag vom 26. bis 28. Mai 2022 in Stuttgart gezeigt, wie sie dem Motto entsprechend „Leben teilen“ mit den Benachteiligten, mit der Jugend, mit der Umwelt und mit Gott. In den vier Ecken des SJ-Standes wurden die vier „Schwerpunkte“ des Ordens erlebbar ge- macht. Die Ökologie-Ecke zeigte nicht nur, wie die Jesuiten sich für die Welt einsetzen, son- dern wie jeder seinen Beitrag leisten kann, um die Welt ein kleines bisschen heiler zu machen. In der Spiritualitäts-Ecke bekamen Besucher*innen die Chance, die ignatianische

NACHRICHTEN 30 Spiritualität in der Silent Chapel auszuprobieren. In der Gerechtigkeits-Ecke dachten die Besucher*innen bei einem Privilege Walk über die Themen Kirche, Bildung, Globaler Süden oder gesellschaftliche Chancen nach. Viele persönliche Kontakte entstanden in der Junge-Menschen-Ecke bei den Jesuit Volunteers und Schüler*innen vom Kolleg St. Blasien. Zukunftsperspektive für die Hochschule für Philosophie München Mit der gesetzlich verankerten Förderung durch das neue Bayerische Hochschulinnovationsgesetz hat die Hochschule für Philosophie (HFPH) der Jesuiten in München eine solide Basis für ihre weitere nachhaltige Entwicklung erhalten. Sie erhält künftig 50 Prozent ihrer tatsächlichen Personal- und Sachkosten und kann außerdem als kirchliche Hochschule an Förderlinien und Wettbewerben des Freistaats teilnehmen. Neben beträchtlichen Mitteln des Jesuitenordens als Träger der Hochschule hatte die HFPH bisher zwar staatliche Zuschüsse, aber eben keine Regelfinanzierung, sondern Festbeträge erhalten, die die jährlichen Personalkostenstei- gerungen nicht abbildeten. Insgesamt werden die staatlichen Mittel für die Hochschule künftig auf deutlich mehr als eine Million Euro pro Jahr anwachsen. Veränderungen bei verschiedenen Kommunitäten P. Tobias Zimmermann wird zum 1. September Superior der Kommunität in Ludwigshafen, zu der die bisherige Statio umgewandelt wird. Mit diesem Datum wird der Standort in Mannheim aufgelöst. Die Kommunität in Göttingen verändert sich und plant ein Wohnprojekt für junge Menschen, die für eine begrenzte Zeit einen geistlichen Lebensstil einüben wollen. Die PP. Thomas Gertler, Clemens Maaß, Otto Schabowicz und Theo Schneider haben Göttingen verlassen, nach den Sommerferien wechselten die PP. Wolfgang Felber und Martin Müller nach Göttingen. Neuer Superior ist Martin Müller. Die beiden Nürnberger Häuser (CPH und in der Virchowstraße) bilden ab dem 1. Juni eine gemeinsame Kommunität an zwei Standorten. Neuer Superior ist P. Klaus Väthröder. In München sind inzwischen weitere Mitbrüder vom bisherigen Berchmanskolleg in die neue Kommunität „Pater Rupert Mayer“ in der Blumenstraße umgezogen. Diese neue Kommunität besteht nun aus 17 Mitbrüdern. Superior ist P. Jörg Dantscher. Ruhepunkt auf dem Katholikentag: Silent Chapel © SJ-Bild

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