Jesuiten 2022-3

24 Füreinander beten Ist eine Kirche tagsüber geöffnet, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass dort Kerzen brennen. Dieser Trend scheint nicht abzureißen. Unabhängig vom religiösen oder spirituellen Hintergrund ist das Entzünden einer Kerze eine Geste, die verstanden wird: Ich bete für dich. Ich denke an dich. Auch wenn das fürbittende Gebet (theologisch) nicht un- problematisch ist, hilft diese einfache Art zu beten, denn sie öffnet meinen Horizont auf den je Größeren hin. Dieses Gebet kann Ausdruck meiner Hilflosigkeit sein und bedient manchmal auch mein Bedürfnis, etwas tun zu wollen, obwohl mir die Hände gebunden sind – wie beispielsweise angesichts des Kriegs in der Ukraine oder in anderen Teilen der Welt. Das fürbittende Gebet hilft meiner Sprachlosigkeit, Fassungslosigkeit, vielleicht auch Angst. Dieses Gebet kann manchmal aber auch naiv wirken: Braucht es wirklich mein Flehen zu Gott, damit er das Unheil sieht, das gerade geschieht? Das sicher nicht, aber das Gebet führt mich in eine Beziehung, in der Heil entstehen kann; und es steht in Bezug zu meiner eigenen Verwundbarkeit, antwortet auf sie. Die brennende Kerze in der Kirche ist ein Ausdruck dafür. Diese Kerzen werden längst nicht mehr nur in Kirchengebäuden entzündet. Sie lassen sich auch in den sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook oder Instagram entdecken. Dort finden sich unterschiedliche Inhalte, die mit Hashtags wie #LichtfürdenFrieden, #Prayfor… oder ähnlichen Schlagworten gekennzeichnet sind. Wie die Kerze in der Kirche öffnen diese Beiträge auf den je Größeren hin und durchbrechen die horizontale Dimension dieser Netzwerke. Ein „Like“ oder Kommentar kann ein Ausdruck des Mitbetens sein, dabei geht es nicht um deren Anzahl. So wie es für die Kerze in der Kirche unerheblich ist, wie viele Menschen bei ihr stehen bleiben. Es geht um Innehalten und Verbundenheit: füreinander beten. Auch der Papst hat erkannt, dass das Smartphone ein ständiger Alltagsbegleiter ist, und so betreut das Weltweite Gebetsnetzwerk des Papstes eine Gebets-App, die täglich drei Momente zum Innehalten, Vertiefen und Verbundensein bietet – eine Möglichkeit, ein geistliches Leben im Alltag einzuüben und füreinander zu beten. Dag Heinrichowski SJ Er lebt und arbeitet als Jesuit und Priester in seiner Heimatstadt Hamburg. Seit Sommer 2021 ist er Geistlicher Leiter im Jugendverband KSJ, seit Anfang 2022 zusätzlich Koordinator des Weltweiten Gebetsnetzwerkes des Papstes in Deutschland. Geistlicher Impuls Das Gebet führt mich in eine Beziehung, in der Heil entstehen kann. ©TUM-Archiv

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