Jesuiten 2022-3

35 VORGESTELLT Die Schulen des Netzwerkes Ignatianischer Pädagogik, zu dem auch die „Jesuitenschulen“ gehören, beschäftigen sich seit ca. zehn Jahren mit der Umstellung auf eine auf digitale Medien gestützte Pädagogik. Den Rahmen dafür schuf das Projekt „Digital Leadership Education“ des Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP). Der Name des Projektes spielt auf „Ignatian Leadership“ an, eine grundlegende Kategorie jesuitischer Pädagogik weltweit. Sie geht davon aus, dass Menschen lernen müssen, sich selbst zu „führen“, also z. B. sich selbstkritisch mit eigenen Antrieben auseinanderzusetzen, „die Geister zu scheiden“. Erst Selbstreflexion und vernünftige „Selbstführung“ schaffen die Voraussetzungen, sich gesellschaftlich und in der Führung anderer Menschen zu engagieren. So gesehen müssen Lehrende zuallererst lernen, den eigenen Umgang mit digitalen Medien und digital gewonnenen Daten kritisch zu hinterfragen, bevor sie andere unterrichten. So wurden an den Schulstandorten des Netzwerks Grundlagen geschaffen, auf denen dann in der Not der Fernunterricht aufgebaut werden konnte: Digitale Infrastruktur mit Lernplattformen, die Integration geeigneter Lernprogramme in den Fachunterricht, Fortbildungen für Lehrende … Corona und der Fernunterricht werden hoffentlich eine Episode bleiben. Dauerhaft aber wird das digitale Klassenzimmer den Lebens- und Lernort Schule erweitern. Denn der Raum digitaler Medien, in dem sich junge Menschen in ihrer Freizeit seit Jahrzehnten selbstverständlich bewegen, wird endlich in seinen Potentialen für schulisch organisierte Kommunikations- und Lernprozesse genutzt. Und dies schafft, anders als die ewigen Kulturpessimisten behaupten, vor allem neue Chancen für die Förderung von Schülerinnen und Schülern und die Nachhaltigkeit ihres Lernens: Mathematikprogramme eröffnen ihnen die Chance, selbst herauszufinden, welche der Voraussetzungen, um eine Aufgabe lösen zu können, sie nicht erfüllen, um dann ggf. selbst die Lücken zu füllen. Die Erlebnisse einer Klassenreise werden mit selbst gefilmten Beiträgen in Tanz, Gedichten oder in Reportage-Beiträgen reflektiert und unter Wahrung entsprechender Regeln des Datenschutzes der Schulöffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Stoff eines ganzen Schuljahres wird in der ganzen medialen Vielfalt noch einmal rekapituliert und von den Schülerinnen und Schülern selbstkritisch daraufhin reflektiert, was sie eigentlich aus diesem Schuljahr mitnehmen werden. Schlussendlich: Schulisch organisiertes Lernen im digitalen Raum mindert nicht die Autonomie der angeblichen „Digital Natives“, sondern ermöglicht ihnen eine kritische Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Regeln digitaler Kommunikation und Wissensgewinnung. Und erst dies schafft die Voraussetzungen dafür, dass junge Menschen nicht nur Nutzer digitaler Instrumente bleiben, sondern deren Wirkweisen kritisch hinterfragen und zum Wohl der Gesellschaft einzusetzen lernen. Schon diese Blitzlichter beleuchten hoffentlich, wie das sogenannte „digitale Lernen“ der Förderung der ganzen Persönlichkeit von jungen Menschen, mit all ihren Talenten, ihrer Selbstreflexion und ihrem Urteilsvermögen, dienen können. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch die finanzielle Unterstützung vieler großherziger Förderer. Dafür ein herzlicher Dank und die Bitte: Bleiben Sie uns gewogen! Tobias Zimmermann SJ Er ist Priester, Jesuit und Künstler. Im ZIP ist er als Leiter bei Projekten der Schulentwicklung, im Coaching für Leitungskräfte und in der Fortbildung tätig. Seit Oktober 2019 wirkt er auch als Direktor des Heinrich Pesch Hauses.

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