Jesuiten 2022-3

SCHWERPUNKT 7 Wir leben in herausfordernden Zeiten: Pandemie, Krieg und Klimakrise bringen Unsicherheit auf allen Ebenen mit sich und gesellschaftliche Herausforderungen, die nur schwer zu meistern scheinen. Meine Tätigkeit als Clown bei ROTE NASEN Deutschland e.V. hat mir in den letzten Jahren immer wieder Hoffnung gegeben. Sie lässt mich den Zauber zwischenmenschlicher Begegnungen jenseits von Herkunft, Religion oder politischer Gesinnung erleben. Häufig werde ich gefragt: Wie kannst du es aushalten, so viel Leid mitansehen zu müssen, wenn du z. B. auf der Onkologie, im Kinderhospiz oder in einem Camp für Geflüchtete in Sierra Leone bist? Macht dich die dort herrschende Hoffnungslosigkeit nicht mutlos? Nein. Der Clown als Wesen ist naiv und unbedarft. Er ist feinfühlig genug, die Not des Gegenübers zu spüren, begegnet dieser aber mit der Unschuld eines Kindes. Und so bin ich als Clown Perdita „Poppy“ Poppers bei meinen Begegnungen mit diesen Menschen oft nicht Zeugin der schweren Momente, sondern kann sie dazu „verführen“, Leichtigkeit und Spiel zuzulassen und ihre Not für den Augenblick zu vergessen. Als ich das erste Mal mit ROTE NASEN in Afrika war, begegneten mir viele Bekannte mit Unverständnis. Was kann ein Clown Menschen geben, die Krieg und Verfolgung erlebt haben? Meine Antwort ist: Im besten Fall einen Moment der Unbeschwertheit auf Augenhöhe, ohne der Bittsteller zu sein. Meines Erachtens ist das für die Seele genauso wichtig wie Wasser, Nahrung, ein Dach über dem Kopf und medizinische Versorgung für den Körper – und das positive Feedback von Betroffenen, Krankenhauspersonal und Hilfsorganisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, bestärkt mich in diesem Glauben. In den vergangenen zwölf Jahren meiner Tätigkeit für ROTE NASEN Deutschland e.V. konnte ich wiederkehrend feststellen, dass gerade die Menschen, die nach unseren Standards bereits alles verloren haben, sich mit größter Freude auf das „Spiel im Moment“ einlassen. Ein Beispiel: Dieses Jahr war ich mit einem internationalen Clown-Team in einem Flüchtlingscamp im Süd-Sudan. Ein Land, das zu den ärmsten und gefährlichsten Ländern weltweit gehört. Bereits bei der Ankunft im Camp wurden wir Zeugen desaströser hygienischer Zustände. An dem Mangel an Wasser und Nahrung für alle können wir als Clowns natürlich nichts ändern. Aber wann immer wir mit unseren Musikinstrumenten, Liedern und Späßen durch das Camp zogen, veränderte sich merklich die Atmosphäre: Kinder kamen von Ferne fröhlich auf uns zugerannt, Männer und Frauen unterbrachen ihr Tagewerk, um uns singend und tanzend durchs Camp zu begleiten. Ihre Fähigkeit zu Ausgelassenheit und Lebendigkeit trotz der schwierigen Lebensumstände gibt mir Hoffnung. Es ist etwas, von dem wir uns in unseren Breitengraden inspirieren lassen sollten. Wenn eine Gruppe von Kindern im Flüchtlingscamp mucksmäuschenstill sein kann, weil klar ist, dass der Moment mit den Clowns gerade dem behinderten Kind gehört, das sonst nicht viel Raum im alltäglichen Leben einnehmen darf, gibt mir das Hoffnung. Wenn syrische, afghanische und sudanesische Kinder friedlich miteinander akrobatische Kunststücke einstudieren und sie dann stolz vor ihren Eltern präsentieren, gibt mir das Hoffnung. Wenn sich ein Kind kurz vor seiner Herz-Operation nochmal ausschüttet vor Lachen und die Angst vergisst, gibt mir das Hoffnung. Es sind diese vermeintlich kleinen Momente der Menschlichkeit, die die Hoffnung, auch in schweren Zeiten, nähren. Florentine Schara Sie studierte darstellende Künste in Liverpool. Ihre Clownfigur Perdita Poppers lernte sie an einer Pariser Clownschule kennen. Seit 2009 ist die in Berlin lebende Schauspielerin als Clown bei ROTE NASEN Deutschland e.V. tätig. ©TUM-Archiv

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