SCHWERPUNKT Die Gesellschaft spielend verändern Spiel und Gesellschaft haben mehr miteinander zu tun, als man denkt: Das Spiel denkt Gesellschaft voraus und lässt Neues entstehen. Und das Zusammenleben erfordert das Einhalten von Spielregeln. Spielregeln entstehen im Kopf eines GameDesigners. So wie Gesellschaftsregeln sind sie keine Naturgesetze. Es sind künstliche, erfundene Ordnungen. Der Konflikt mit der Wirklichkeit lässt uns kreativ werden, wenn uns die Regeln missfallen. Als 1813 in Altenburg das Kartenspiel Skat erfunden wurde, träumte man in einer aufgeklärten Gesellschaft vom Ende des Feudalismus. Der Bube, der Unter, gibt zukünftig Trumpf an, nicht der König. So wird ein Spiel zum Volkssport. Das Spiel denkt Gesellschaft voraus, startet den Suchprozess, wie das Leben anders und besser sein könnte. Aber trotzdem teilten sich die Adligen 1815 erstmal wieder Europa untereinander auf, als sie auf dem Wiener Kongress tanzten. In der zweiten Schöpfungsgeschichte der Bibel läuft der allwissende Gott durch den Garten Eden und ruft: „Adam, wo bist Du?“ Er spielt mit dem Menschen ein Versteckspiel. Nachdem der ökonomisch produktivere, der Ackermann Kain, seinen Bruder Abel, der als Nomade mit den Tieren umherzieht, erschlagen hat, mahnt Gott andere Gesellschaftsregeln unter uns Menschen an. Daraufhin gründet Kain die Stadt Henoch, in der mit diesen neuen Gesellschaftsregeln eine noch produktivere Arbeitsteilung organsiert wird. Neben dem „Eisenschmied“ kann nun auch der „Flötenspieler“ existieren. Eine nächste, komplexere Kulturform wird mit neuen Spielregeln erreicht. Mit der Sesshaftwerdung und den Stadtgründungen begannen die Religionen ihre Wirkung zu entfalten, und die ersten Brettspiele, wie das Königliche Spiel von Ur in Mesopotamien oder Senet in Ägypten, zeigten ihre vermittelnde Wirkung. Lebensziel und Spielziel war es, neben den Gottheiten im Paradies Platz nehmen zu können. Wenn die gesellschaftlichen Spielregeln nicht zu meinem Weltbild passen, wie kann ich damit umgehen, ohne mein Leben zu gefährden? Michelangelo erhielt 1508 den Auftrag, die Sixtinische Kapelle unter anderem mit dem Bild „Die Erschaffung Adams“ künstlerisch zu gestalten. Er erhielt die Freiheit, fernab vom Bibeltext ein Gemälde anzufertigen. Gott schwebt am Himmel mit Engeln auf einem Samttuch, um mit seinem Finger gleich den Finger Adams zu berühren, der entspannt und fast träumend gen Himmel guckt. Wer erschafft hier eigentlich wen? Michelangelo hatte verbotenerweise Leichen seziert, er wusste, wie ein menschliches Gehirn In der zweiten Schöpfungsgeschichte der Bibel läuft der allwissende Gott durch den Garten Eden und ruft: „Adam, wo bist Du?“ Er spielt mit dem Menschen ein Versteckspiel. 20
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