Jesuiten 2023-3 (Österreich-Ausgabe)

„Das Schwein … soll euch als unrein gelten“ (Dtn 14,8) Im Judentum und Islam ist der Verzehr von Schweinefleisch verboten. Der Alttestamentler Dieter Böhler SJ wagt sich an eine kurze Kulturgeschichte des Schweins. Die heutigen Hausschweine stammen vom Wildschwein ab und bilden mit diesem bis heute eine ohne weiteres kreuzbare Art. Die Domestikation scheint vor etwa 9000 Jahren an mehreren Stellen Eurasiens begonnen zu haben. Die Wildschweine suchten aktiv die Nähe der menschlichen Siedlungen, weil sie dort Abfälle fanden. Aus dem halbzahmen Schwein wurde allmählich das Hausschwein. Noch im 19. Jahrhundert wurden die Hausschweine zur Mast durch Eichenwälder getrieben, wo die eine oder andere zahme Sau sich mit einem Keiler einließ, so dass die nahe Verwandtschaft immer erhalten blieb. Im alten Ägypten und in Mesopotamien wurden neben Rindern, Schafen und Ziegen auch Schweine gehalten. Als Abgaben für den Staat und die Tempel wurden aber nur erstere eingefordert, weil nur Herdentiere längere Wegstrecken zurücklegen konnten. Schweine sind empfindlich, brauchen Schatten und Wassertümpel. Daher waren sie dafür ungeeignet. Sie dienten der einfachen Bevölkerung vor Ort zur Ernährung. Ab 2000 vor Christus wurde wegen der zunehmenden Ausbreitung der Wüste die Schweinehaltung im Nahen Osten immer schwieriger und ging massiv zurück. Bei (Halb-)Nomaden war sie ganz unmöglich (Abraham, Isaak, Jakob!). Das Schwein galt dort nun immer öfter als unrein, wurde immer weniger gegessen und war vor allem in den Tempeln nicht als Opfertier zugelassen. In der Religion der Griechen und Römer dagegen war das Schwein das bevorzugte Opfertier (Suovetaurilia) und wurde auch viel gegessen. Die Bibel gestattet den Israeliten (bei Warmblütern) generell nur den Verzehr von Wiederkäuern und pflanzenfressenden Vögeln. Fleisch (und damit Blut) fressende Raubtiere und Vögel sind nach Lev 11 und Dtn 14 in Israel tabu. Das Schwein ist als Allesfresser ein Grenzgänger und wird namentlich von der jüdischen Speisekarte ausgeschlossen (Lev 11,7; Dtn 14,8). Dieses Verbot hält auch der Islam fest, da sich Muhammad in der Kontinuität zur Religion der Juden sah. Die jüdischen Speisegesetze dienten immer zur Abgrenzung von heidnischen Lebensweisen (Kaschrut = koschere Ernährung). Wenn man Juden zwangshellenisieren wollte, zwang man sie zum Essen und Opfern von Schweinefleisch (1 Makk 1,47; 2 Makk 6,18, 7,1). In der aus Juden und Heiden entstehenden Kirche galt das Schweinefleischverbot für Heiden noch nie, und für christliche Juden wurde die Kaschrut relativiert, damit sie mit den Christen aus dem Heidentum Tischgemeinschaft haben konnten (Apg 15,28–29; Gal 2,11–14). P. Dieter Böhler SJ ist Professor für Altes Testament an der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt und Konsultor des römischen Dikasteriums für den Gottesdienst. Lieblingsessen: Lamm oder Lachs 4 SCHWERPUNKT

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