Jesuiten 2023-3 (Deutschland-Ausgabe)

Für eine schmackhaftere Welt Der erste Beruf des spanischen Jesuiten Iñigo Merello Terry ist Koch. Was bedeutet es für ihn, für andere zu kochen? Welche Berührungspunkte gibt es zwischen dem Christentum und der Kochkunst? Meine Beziehung zum Essen ist eine Leidenschaft, die ich seit meiner Kindheit pflege und die in meiner Familie in Spanien von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Das Essen und die Tischgemeinschaft stehen auch im Mittelpunkt meiner Berufung als Mensch und Ordensmann. Nach einer Ausbildung beim „Cordon Bleu“, einer Schule der grande cuisine in Paris, habe ich einige Jahre als Koch gearbeitet, ehe ich in die Gesellschaft Jesu eingetreten bin. Ich kann also sagen, dass meine Berufung nicht auf den religiösen oder klerikalen Bereich beschränkt ist. Es geht mir mehr darum, anderen großzügig und in aller Einfachheit zu dienen, wie es in der Eucharistiefeier seinen schönsten Ausdruck findet. Essen ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern auch eine soziale Handlung. Mit wem teile ich meinen Tisch? Wen lade ich ein und warum? Welche Begegnungen bei Tisch begünstige ich? Das gemeinsame Essen ist ein privilegierter Ort der Begegnung mit den Mitmenschen und sogar mit Gott! Ich bin Jesuit und gelernter Koch. Und doch werde ich wohl nie den Auftrag erhalten, als Koch zu arbeiten. In der Kommunität, in der ich lebe, arbeite ich umso lieber mit, wenn ein Festessen vorzubereiten ist. Ein sorgsam vorbereitetes Essen hilft uns, einander anders kennenzulernen. Begegnungen bekommen eine Tiefe, wenn man miteinander kocht und isst, da das Essen unsere persönlichste Identität berührt. Jede Kultur hat bei Geschmack und Essen ihre eigenen Sitten und Gebräuche. Sie bietet einen symbolischen Raum der Kommunikation, in dem soziale Werte und kulturelle Identität geteilt und weitergegeben werden können. Essen ist ein Zugang zur Gesellschaft und ein Mittel, sie zu transformieren. Essen kann die Gesellschaft in Bewegung bringen. Wenn ich im Sommer nach Einbruch der Nacht in Paris oder Madrid spazieren gehen, freue ich mich über die vielen Menschen jeden Alters, die auf den Terrassen der Restaurants sitzen, weil mir das von einem schönen und glücklichen Zusammenleben erzählt. Ist Ihnen aufgefallen, dass das gemeinsame Essen, die Weitergabe von Erfahrungen und die Veränderung von Menschen nicht nur Ziele der Tischkultur, sondern auch der Evangelisierung sind? Denn die Evangelisierung beschränkt sich nicht auf sakramentale Handlungen, sondern versucht, die Gesellschaft zu verändern. Evangelisierung bedeutet heute die Anerkennung der Vielfalt, den Dialog mit den Kulturen und die Förderung der Solidarität. Das lerne ich als Koch und so beteilige ich mich an der Erschaffung einer gerechteren und menschlicheren, einer „schmackhafteren“ Welt. P. Iñigo Merello Terry SJ ist Socius des Novizenmeisters der spanischen Provinz in Bilbao. Kochausbildung „Grand diplôme de cuisine et de pâtisserie de l‘école Cordon Bleu de Paris”. Lieblingsnachtisch: Käsekuchen mit Himbeeren und Blaubeeren Foto: © Hanna Hoffmann 11 SCHWERPUNKT

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