Jesuiten 2023-4 (Österreich-Ausgabe)

um. Dazu gehören Initiativen für ökologische Bildung, Programme für nachhaltige Landwirtschaft oder die Einführung erneuerbarer Energielösungen. Als ich 2006 in den Jesuitenorden eingetreten bin, habe ich das Engagement der Jesuiten für Versöhnung kennengelernt. Insbesondere der Aspekt der Versöhnung mit der Schöpfung berührte mich und führte dazu, dass ich die Berufung entdeckte, mich mit ökologischen Fragen zu befassen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Berufung zum Jesuiten. Da ich die Komplexität moderner ökologischer Fragen erkannte, wählte ich einen integrierten Ansatz, der Spiritualität, Sozial- und Naturwissenschaften miteinander verbindet. Ich erkannte, dass ich meinen wissenschaftlichen Hintergrund nutzen konnte, um die größte existenzielle Herausforderung unserer Zeit, den Klimawandel, anzugehen. Ich möchte die ökologischen Prinzipien hinter den Problemen des Klimawandels verstehen, aber auch die Auswirkungen auf gefährdete Bevölkerungsgruppen und die zugrundeliegenden spirituellen Fragen, die der Klimawandel aufwirft. In meiner Doktorarbeit untersuche ich die Auswirkungen zukünftiger Klimabedingungen – steigende Temperaturen, erhöhte CO2-Werte, mehr Trockenheit – auf die phänologischen Veränderungen bei Pflanzen. Unter Phänologie versteht man – vereinfacht gesagt – die verschiedenen Lebensstadien der Pflanzen vom Frühjahr bis zum Herbst. Die durch den Klimawandel bedingten Veränderungen im zeitlichen Ablauf dieser Lebensstadien haben nicht nur Auswirkungen auf die Pflanzen selbst, sondern auf alle Organismen, einschließlich des Menschen. Wenn beispielsweise eine Pflanze, die normalerweise im Mai blüht, ihre Blütezeit aufgrund erhöhter Temperaturen auf Ende März oder April verlegt, kann dies die Nahrungsquellen für Bienen und andere Insekten beeinträchtigen, was sich möglicherweise auf die Bestäubung und damit auf die Nahrungsmittel- und Obstproduktion für Tiere und Menschen auswirkt. AUS DER REGION Diese Verflechtung spiegelt in meinen Augen den göttlichen Plan wider. Als Ökologe wurde mein Glaube an Gott als den Schöpfer immer stärker. Ich bin überzeugt, dass die biologische Erforschung der verschlungenen Schönheit der Schöpfung und der gegenseitigen Abhängigkeit aller Lebewesen eine wissenschaftliche Aufgabe ist, die uns von Gott gegeben wurde. Wir haben alle die Pflicht, Gottes Schöpfung zu schützen und zu bewahren. Eine ökologisch geprägte Spiritualität kann die Grenzen von Religionen, Nationalitäten und gesellschaftlicher Spaltung überwinden. Es gibt keine christliche Luft, kein muslimisches Wasser, keine amerikanische Ozonschicht und keine deutsche Sonne; bei der Bewahrung der Schöpfung Gottes sind wir alle aufgerufen, harmonisch zusammenzuarbeiten. Wir sind aufgerufen, an der Erhaltung des komplizierten Netzes von Verbindungen zwischen allen Geschöpfen Gottes mitzuwirken. Ich benutze die Biologie als Hilfsmittel, um dies zu erreichen. Welche Instrumente benutzen Sie? Pater Lumnesh gehört zur Jesuitenprovinz Karnataka. In Indien gibt es 18 Provinzen mit insgesamt 3.800 Jesuiten. Sieben von ihnen machen aktuell ein Doktoratsstudium in Innsbruck – in den Fächern Theologie, Philosophie, Personalentwicklung und Ökologie. INDIEN Jesuitenprovinz Karnataka 36

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