Jesuiten 2024-1 (Deutschland-Ausgabe)

Die Szene sich ereignen lassen Ich sehe Maria vor mir – eine junge Frau, ihre Statur und ihre Kleidung. Ich lasse sie auf mich wirken – mit ihrer Ausstrahlung, wie sie sich in ihrem Alltag bewegt und lebt. Welche Gefühle und Gedanken kommen auf, wenn ich sie dort sehe? Dann sehe ich, wie der Engel erscheint, wie er bei ihr eintritt. Ich male mir den Engel aus: Welcher Blick zeichnet sein Gesicht? Was empfinde ich selbst ihm gegenüber? Ich nehme wahr, wie Maria auf sein Erscheinen reagiert – überrascht oder erfreut oder verschüchtert. Ich schaue, wie sich der Ausdruck in ihrem Gesicht, ihre Körperhaltung ihm gegenüber verändert. Was löst das Bild der beiden in mir aus? Vielleicht hat es mich mittlerweile in die Szene hineingezogen – befinde ich mich in unmittelbarer Nähe. Vielleicht nehme ich im Verlauf auch den Blickwinkel einer der Personen ein oder ich bin weiterhin ein Beobachter in der Ferne. Dann höre ich den Engel zu Maria sprechen: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ Wie hört sich seine Stimme für mich an? Ich sehe, wie sie erschrickt bei dieser Anrede, erkenne ihre fragende Haltung, was diese Anrede zu bedeuten habe. „Fürchte dich nicht, Maria“, höre ich den Engel sagen. „Du hast bei Gott Gnade gefunden.“ Ich höre ihn, wie er ihr die Schwangerschaft verkündet und ihr die Geburt des Sohnes Gottes mit dem Namen Jesus verheißt. Ich lasse diese Worte auf mich wirken. Ich nehme die (veränderte) Atmosphäre wahr. Ich schaue, wie Maria darauf reagiert – wie sich ihr Blick und ihre Haltung ändern. Ich höre ihre erstaunte Rückfrage: „Wie soll das geschehen?“ Welche Gefühle kommen in mir auf? Der Engel reagiert ermutigend und vertrauensvoll: „Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Denn für Gott ist nichts unmöglich.“ In welchem Tonfall höre ich den Engel dies sagen – was löst es in mir aus? Und welche Reaktion sehe ich daraufhin in Maria? Mein Blick bleibt bei Maria. Ich spüre eine Spannung in der Szene, dass etwas Wesentliches folgen wird. Dann höre ich Maria sagen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Ich achte wieder auf ihre Körperhaltung, ihren Blick, der vielleicht auch mich kurz streift. Was ruft dies in mir wach? Der Engel verschwindet aus der Szene – mein Blick ruht auf Maria, in dem Moment. Was bewegt mich? Beten – Gespräch mit dem Herrn Was mich berührt oder beschäftigt, erzähle ich mit freien Worten Gott. Ganz ehrlich drücke ich alles aus, was sich in mir regt. Ich danke, frage, zweifle, bitte, klage. Zurückschauen und sich vergewissern Was hat das, was ich geschaut habe, mit meinem Leben und Glauben zu tun? Was habe ich am Anfang erbeten? Was wurde mir geschenkt? Vielleicht halte ich das Erfahrene in einer kurzen Notiz fest. Mirella Teske lebt in Bonn und befindet sich neben ihrer Weiterbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie auch in der Ausbildung zur Geistlichen Begleiterin. Maria ist für sie menschlich-bodenständig und ein gottverbundenes Vorbild. Bild: © Panka Chirer-Geyer: Verbunden 3 SCHWERPUNKT

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