Jesuiten 2010-2

Juni 2010/2 Jesuiten 21 Schwerpunkt Wie viele Minarette sollen wir den Muslimen zugestehen? Nicht mehr als sechs pro Moschee.Denn mehr Minarette zu planen,als die Hauptmoschee in Mekka hat,ist schon Sultan Ahmet I.nicht gut bekommen.Nein,diese Antwort ist nicht ernst gemeint.Sie zeigt aber,dass die Frage einen Haken hat.Um genau zu sein,sie hat zwei:Erstens:Wer ist „wir“? Und zweitens:Was heißt „zugestehen“? Wenn „wir“ „die Christen“ sind und „zugestehen“ die Möglichkeit birgt, dass „wir“ einer anderen Religion ihre Religionsausübung durch direkte oder indirekte Appelle an die staatliche Macht nicht zugestehen wollen,dann kann man nur sagen:Diese Haltung verstößt nicht nur gegen die Erklärung über die Religionsfreiheit des ZweitenVatikanischen Konzils,sondern verrät auch den Kern des christlichen Glaubens.Umgekehrt machen die Konflikte um den Bau von Moscheen,zu denen auch der Bau von Minaretten gehört, die Reichweite des „Jas“ der Katholischen Kirche zur Religionsfreiheit sichtbar.Das „Ja“ heißt:Religion ist keine Privatsache,sondern darf sich öffentlich auch in religiösen Gebäuden ausdrücken. Dieses Recht ist keine Verhandlungssache,es kann nicht durch tagespolitische Überlegungen eingeschränkt werden. Und schließlich:Dieses Recht baut nicht auf Gegenseitigkeit auf.Die Frage,ob das Recht in anderen Ländern gewährt wird,ja,ob das Gegenüber dieses Recht zu schätzen weiß,ist keine Grundlage,ihm dieses Recht zu gewähren oder zu entziehen. In diesem Sinne,so paradox es klingen mag,ist der Bau von Moscheen in Deutschland ein Ausdruck dafür,dass „wir“ Christen in einem Staat leben,den wir auch aus dem Glauben bejahen können.Ein Moscheebauverbot wäre umgekehrt ein deutliches Zeichen dafür,dass „wir“ Christen in Opposition zu dem Staat treten müssten, der auf diese eklatante Weise das Fundament der Religionsfreiheit verlässt. Heißt das nun,dass „wir Christen“ „alles dulden müssen“,wie es oft kritisch gesagt wird? Nein:Es gibt berechtigte Forderungen aus christlicher Sicht.Drei Beispiele:In Hinsicht auf den Planungsprozess können Christen zu Recht auf Transparenz und Einbindung nicht nur der politischen Elite,sondern auch der Nachbarschaft und ziviler Akteure drängen. Im Blick auf den Namen ist es durchaus legitim,die christliche Perspektive – zum Beispiel bei der Benennung von „Fatihmoscheen“ – zu artikulieren. Und im Blick auf dieTrägerschaft dürfen „wir“,gerade bei Unterstützung durch arabische Staaten,an die Rechte der Christen erinnern. „Wir“ dürfen sogar den Moscheebau bejahen – ohne die muslimische Seite in dialogischer Umarmung zu vereinnahmen.Wiederum drei Beispiele:Christen können darauf drängen, dass die Konflikte um Moscheeprojekte offen und nicht verdeckt mit dem Baurecht oder Parkplatzproblemen geführt werden.Christen können sich zweitens dafür einsetzen,dass in den Konflikten eine Diskussionskultur gewahrt wird, die die Würde des Gegenübers, auch als religiöser Person,respektiert.Drittens schließlich empfiehlt es sich,eine deutliche Distanz zur Vereinnahmung durch radikalislamkritische Gruppierungen zu halten,die mit Parolen à la „Abendland in Christenhand“ den christlichen Glauben entstellen.Um es plakativ zu sagen:Wenn in Mannheim ein Minarett neben einer Katholischen Kirche steht, ist dies kein Zeichen für den Untergang des Abendlandes,sondern dafür,dass es seine bestenTraditionen noch lebt.■ Tobias Specker SJ

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