Jesuiten 2010-2

Juni 2010/2 Jesuiten 1 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, „Religionsfreiheit“ wird immer dann ein Thema,wenn um sie ganz konkret gerungen wird.Oft sind alle irgendwie dafür,aber trotzdem sind doch viele irgendwie dagegen,dass gerade in ihrem Stadtteil z.B.eine Moschee gebaut wird.Wenn dann das Recht der freien Religionsausübung und der Religionsfreiheit eingefordert wird,wird oftmals auf die eigene Tradition verwiesen.Oder man verweist auf die Lage mangelnder Religionsfreiheit in muslimisch geprägten Ländern.Dann erweist sich Religionsfreiheit plötzlich als ein hart umkämpftes politisches Thema, und es zeigt sich,dass viele Menschen zwar theoretisch für Religionsfreiheit sein können,praktisch sich jedoch – aus guten Gründen? – dagegen sträuben,wenn sie konkret wird. Aber das Thema der Religionsfreiheit scheint schon grundsätzlich im Konflikt mit Religion selbst zu stehen.Oder etwa nicht? Nicht wenige Religionen gehen ja davon aus,die einzig gültige Offenbarung zu besitzen.Und man kann dann fragen,wie ein solcher Exklusivanspruch der eigenen Religion anderen Religionen überhaupt Freiheit zugestehen sollte.Geht es in der Religion nicht immer gleich um alles, um Leben undTod, um Heilige und Häretiker? Auf den ersten Blick scheint Religionsfreiheit eher eine Forderung des säkularen Staates zu sein,die dieser den verschiedenen Religionen auferlegt.Und die Geschichte der Katholischen Kirche zeigt selbst,wie schwer sich eine Glaubensgemeinschaft tun kann,andere Glaubensrichtungen anzuerkennen und ein positives Verhältnis zum Begriff der Religionsfreiheit zu bekommen.Der Katholischen Kirche gelang dies erst in den 1960er Jahren.Auf den zweiten Blick aber kann auch Religionsfreiheit selbst von den Religionen gewollt sein, und viele der Beiträge hier machen diese zweite Alternative deutlich. Die folgenden Artikel thematisieren dabei auch die gerade erwähnten Konflikte.Und es mag sein, dass die Spannungen zumVerhältnis von Missionsauftrag und Religionsfreiheit nicht (immer) auflösbar sind.Aber die Beiträge zeigen,dass man die eigene Offenbarung nicht „verraten“ muss,wenn man das Offenbarungsverhältnis einer anderen Religion zu Gott als wertvoll anerkennt.Der Koranexperte Felix Körner SJ geht in seinem Artikel auf diese Frage ein.Denn als christlicher Islamwissenschaftler musste er sich den Anfragen seiner muslimischen Zuhörer aussetzen,ob er nicht doch letztlich sie indirekt zum Christentum bekehren wolle.Albert Keller SJ thematisiert in seinem Interview den Wert der eigenen Freiheit des Gläubigen gegenüber seinem Glauben.Religionsfreiheit betrifft nicht nur die Religionen untereinander,sondern das Selbstverhältnis des Gläubigen zu seinem eigenen Glauben,den er nur in Freiheit annehmen kann. Neben den Erfahrungen von Schwester Felicitas an einer Berliner Schule und Michael Reders Analyse derWertebildung durch Religionen,versammeln die letzten drei Beiträge Themen,die in der öffentlichen Diskussion oft polemisch behandelt werden.Sie betreffen das Kopftuch von Musliminnen,die Scientology-Kirche (oder Nichtkirche) und die Minarett-Debatte. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre. Dominik Finkelde SJ Martin Stark SJ

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