Jesuiten 2010-2

2 Jesuiten Schwerpunkt: Religionsfreiheit Schwerpunkt Universaler Auftrag und Religionsfreiheit – wie geht das zusammen? In Ankara unterbrach einmal ein junger Koranexeget meine Unterrichtsstunde „Islamwissenschaftliches Deutsch“ und blickte mir tief in die Augen:„Felix,du tust das ja alles nur, weil du willst,dass wir Christen werden.“ Ich wusste keine Antwort.Kann ich denn als Zeuge Jesu etwas anderes wünschen,als dass die Menschen, denen ich begegne, die Wahrheit Christi entdecken? Kann ich denn einem Mitmenschen das vorenthalten,was ich selbst als wahrhaft heilend erkannt habe? Ich antwortete damals unverbindlich.Ich wollte meine Arbeit ja nicht wie einen Werbetrick für das Evangelium aussehen lassen. Der junge Türke strahlte aber und sagte:„Natürlich wünschst du dir,dass ich Christ werde.Das ist doch normal! Ich wünsche mir ja auch,dass du Muslim wirst.“ Wir wandten uns damals schmunzelnd wieder unserer Lektüre zu.Seine Frage verdient jedoch genaueres Nachdenken.Handeln wir,damit sich andere zum Christentum bekehren? Eine gute Antwort kann sich erst einmal klar machen:Durch die Kirche will Gott die ganze Welt verwandeln.Die Kirche hat vier verschieden engagierte Verhältnisse zu diesem Geschehen.Wir können sie so bezeichnen: Unterstützung,Vollzüge,Wirkung und Hoffnung.Unterstützungsarbeit ist berechnend;sie darf es in der Kirche nur geben,um ihre eigentliche Aufgabe zu ermöglichen,beispielsweise,um sie effizient zu verwalten und um Geld dafür zu finden.Was wir dagegen die kirchlichen Vollzüge nennen wollen, tut die Kirche,weil es ihre Mission,ihr Auftrag ist:das liturgische, künstlerische, wissenschaftliche und soziale Leben der Kirche. Diese vier Tätigkeiten haben ihre je eigenen Regeln und daher auch ihre eigenen Erfolgsmaßstäbe.Die Kirche feiert Gottesdienst zur Vorfeier der erfüllten Herrlichkeit Gottes.Sie lebt mit der Kunst,weil sie neue Ausdrucksformen sucht. Sie betreibt Wissenschaft, weil sie nach Wahrheit forscht,und sie ist sozial tätig,weil sie Menschen ein glückendes Leben ermöglichen will. Ziel dieser Vollzüge ist weder, dass die Kirche gesellschaftlich besser dasteht,noch dass sie eine Einnahmequelle hat;und auch nicht die Bekehrung von Nichtchristen.Gehört die aber nicht ebenfalls zur Sendung der Kirche? Was ist denn Bekehrung? Bekehrung ist liebende Selbstübereignung an den,den man als seinen ewigen Herrn zu erkennen beginnt. Ein Mensch kann einen andern gar nicht bekehren.Bekehrung kann nur im heiligen Raum der Freiheit entstehen,in dem Gottes Geist mit dem Menschen wirkt;sonst geschieht gar nicht Bekehrung,sondern Manipulation. Aber wenn die Kirche ihrenWesensvollzügen treu ist,handelt Christus in ihnen.Im betenden,im kreativen,im forschenden und lehrenden sowie im karitativen Leben der Kirche wird der Herr selbst gegenwärtig.Wer die Jesusgeschichte kennenlernt,kann einsehen und spüren,was wahres Leben ist.Dass Menschen in diese Geschichte eintreten, die Taufe empfangen,sich vom Geist Gottes ins neue Leben hinein verwandeln lassen,kann die Kirche nicht bewirken.Der Zweck kirchli-

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