Jesuiten 2010-2

Schwerpunkt Religionsfreiheit kontrovers Im Gespräch mit Pater Albert Keller SJ Wie religionsfreiheitlich können wir überhaupt sein, wenn wir den Missionsauftrag ernst nehmen? Viele Christen meinen heutzutage,missionieren heiße,einem Menschen gegen seinenWillen eine Überzeugung aufzudrängen.Und wäre das so,dann wäre Missionieren wirklich ein Übel.Denn kein Glaube taugt etwas,und sei er von noch so edlem Inhalt,wenn er unter Gewalt oder psychischem Zwang anderen aufgenötigt wird.Dagegen steht aber eine richtig verstandene Missionsarbeit.Und diese drückt sich in der Sendung durch Christus selbst aus.Sie besteht darin,mehr durch beispielhaftes Leben als durch Worte einen Menschen dafür zu gewinnen,wohin er selbst - wenn auch vielleicht unbewusst - strebt,nämlich dem Idealbild des Menschen nahezukommen.Christentum ist für mich eine solche Anweisung zum rechten Menschsein für jeden Menschen.Und aus diesem Grund darf man diese Anweisung niemandem vorenthalten.Ein richtig verstandenes Missionieren versucht also nicht,einem Menschen eine ihm fremde Auffassung einzureden,sondern dem ihm eigenen innersten Streben zum Durchbruch zu verhelfen.Deshalb kann auch der Missionsauftrag des Christentums nicht in Konflikt mit Religionsfreiheit geraten.Er setzt diese Freiheit vielmehr voraus. Aber schafft denn Religion,die für Religionsfreiheit plädiert,nicht sich selbst ab? „Religion”ist ein vieldeutiger Begriff.Er kann die Beziehung des Menschen zum Absoluten bzw.Unbedingten bezeichnen,sofern er dieses Unbedingten anerkennt und verehrt.Weil das aber weder zwangsläufig Gott sein noch als Gott erkannt werden muss,gibt es demnach auch pantheistische oder sogar atheistische Religionen.Man bestimmt Religion auch als Verhältnis des Menschen zum Heiligen.In diesem Fall benennt es die unangreifbar höchsten Werte,die allem Profanen bzw.Weltlichem gegenüber stehen. Das Wort „profan“ beinhaltet das Wort „fanum“, den geheiligten Bezirk. Und das „Profane“ ist dann dasjenige,das vor diesem heiligen Bezirk liegt.Diese Unterteilung kann dazu führen, die Welt radikal in Heiliges und Profanes, also Weltliches aufzuteilen. Das Heilige wird dann dem Weltlichen vorgeordnet und selbst die Vernunft ist dann nur noch profan und vom Bereich des Heiligen abzusondern.Das macht dann aber eine Religion fragwürdig.Verantwortlich kann nämlich nur der handeln, der sein Tun vernünftig überprüft.Etwas ungeprüft zu übernehmen,ist verantwortungslos.Noch unannehmbarer ist ein anderer und noch radikalerer Auswuchs von Religion,wenn nur noch das Heilige oder der heilige Bereich Geltung beansprucht.Denn dann werden die Vorkämpfer einer solchen Religion fast zwangsläufig zu „Fanatikern“. Ihnen ist nichts anderes mehr heilig als ihre eigenen religiösen Werte. Gegen eine solche Radikalisierung von Religion ist Religionsfreiheit ein wichtiges Heilmittel,weil sie auf die Freiheit der Beurteilung durch die Vernunft Wert legt.Falls es gelänge,mit der Religionsfreiheit eine fragwürdig fanatisierte Religion abzuschaffen,wäre das nur zu begrüßen.Der evangelische Theologe Karl Barth verweist Juni 2010/2 Jesuiten 5

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