Jesuiten 2011-1

14 Jesuiten Schwerpunkt: Die Welt erforschen – Gott finden Schwerpunkt Kontemplation Die Schöpfung – Lehrmeisterin des Betens Es riecht nach Harz,das an Arbeitshandschuhen klebt, nach Wald, Moos und Fichtennadeln. Der Wind rauscht durch die Wipfel der Bäume,die Baumstämme knarren in sanfter Bewegung,irgendwo in der Nähe plätschert ein kleiner silberklarer Bach.Die Sonne bricht durch den Morgennebel und inszeniert ein Spiel von Licht und Schatten. Der Waldboden dampft von der aufsteigenden Feuchtigkeit und duftet.Wir machen Pause und Brotzeit nach Stunden der Waldarbeit, wir lehnen die Axt an einen Stamm und genießen Ruhe,Stille und Erholung nach den Anstrengungen der Arbeit.Wir – das sind mein Vater und ich.Ich denke an unsere gemeinsamen Zeiten im Wald, in denen ich lernte, mit und in der Schöpfung zu beten. Diese Erinnerung aus meiner Kindheit und Jugend kommt mir spontan in den Sinn,wenn es um Schöpfung und Beten geht.Doch wie sind Schöpfung und Gebet eigentlich aufeinander bezogen? Ich bemerke für mich,dass die Natur mich beruhigt,meine Gedanken und Gefühle ordnet,mich für etwas öffnet,das ich in der Natur als gegenwärtig erfahre.Die Natur schafft eine Atmosphäre der Ruhe,sie zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich,bringt uns in Dialog und Kontakt mit uns selbst.Sie weckt Grundhaltungen,die essentiell für unser Beten sind,und fördert diese. Meine eigenen Erfahrungen finde ich in der Bibel und bei Ignatius wieder.Der Schöpfungsbericht der Bibel in Genesis 1 lässt als Refrain erklingen:„Gott sah,dass es gut war“.Die Schöpfung ist uns Hilfe,das Gute und Schöne um uns und dann auch in uns wahrzunehmen,es dankbar anzuerkennen und es schließlich auf den Schöpfer zurückzuführen.So kann eine Grundhaltung mir selbst gegenüber wachsen,die der Psalm 139 mit den Worten ausdrückt: „Ich danke Dir, dass Du mich so wunderbar gestaltet hast.Ich weiß, staunenswert sind Deine Werke.“ Staunen, Lob, Dankbarkeit und Annahme meiner Selbst und der Welt als ganzer können so zu einer betenden Grundhaltung werden.Im Matthäusevangelium (6,25-34) fordert uns Jesus zur Betrachtung der Schöpfung auf,um darin die Fürsorge Gottes für uns zu erkennen.Dieses Erkennen möchte zu einer Haltung des Vertrauens und zu einem Leben im „Hier und Jetzt“ ermutigen.Von Ignatius schließlich heißt es:„Die größte Tröstung, die er empfing, war, den Himmel zu schauen und die Sterne.Dies tat er viele Male und über lange Zeit.“ Im Schauen auf die Ordnung des Kosmos ordnet sich für Ignatius der innere Kosmos der Seele, des Gemütes, der Affekte, der inneren Antriebe und Motive.Für Ignatius war die Schöpfung eine Lehrmeisterin des Gebetes: „Wenn er eine Pflanze,einen Grashalm,ein Blatt,eine Blume,irgendeine Frucht sah oder bei der Betrachtung eines Würmleins oder sonst eines Tierleins….gewann er Lehre und sehr nützliche Hinweise für das geistliche Leben.“ In der Schöpfung möchte der Schöpfer sich mitteilen und für uns transparent werden.Ich bin dankbar,dass mir der Kontakt zur Schöpfung von meiner frühesten Kindheit an einen einfachen Zugang zu Gott und eine natürliche Einkehr in mich selbst eröffnet hat.Es ist für mich als Seelsorger schön zu sehen,dass die Natur für viele Menschen einen ganz einfachen Zugang zu Gott ermöglicht. ■ Joachim Hartmann SJ

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