Jesuiten 2011-1

18 Jesuiten Schwerpunkt: Die Welt erforschen – Gott finden Schwerpunkt Malerei Den Schöpfer in der eigenen Schöpfung kennen und ehren lernen „Die Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur.“ Der Künstler Cézanne ist ein selbstbewusster „Kollege“ der schöpferischen Natur.Einer Kunst,die sich selbst mit der Rolle des Darstellens und Nachbildens abfindet, gilt zu Recht das abschätzigeVerdikt eines Platon:Sie sei eine Schattenbildnerin,welche das,was sich schattenhaft in der Natur zeige, als Schatten des Schattens abbildet.Was Platon sagt,ist in der Kunst der Jahrhunderte zu beobachten. Oft gerät letztlich hinter derVerehrung des Ideals „Natur“ die Wirklichkeit selbst aus dem Blick.Kunst wird zu „Botschaft“ und Ideologie. Maler wie Lucian Freud,der Menschen malt, welche fett sind wie Gebirge und so weit weg von einem Schönheits-“Ideal“,dass sie gerade darin (an-)sprechende Persönlichkeit gewinnen,wenden sich ab von der Lüge,die Natur sei schön.Die Natur schafft,wie sie auch verletzt und vernichtet.Verlöschen und Verletzen sind in der Natur notwendigTeil desWerdens. Wer die Augen davor verschließt,verniedlicht die gewaltigen Kräfte,in die hinein Fleischwerdung geschieht,und die das Leben gestalten.Er übersieht,wie verletzend die Grenzen von Zeit/Vergänglichkeit und Raum/Begrenzung sind.Er sitzt einfach einer Lüge auf. Schönheit wird verwechselt mit der Flucht vor der Wirklichkeit. OhneWahrheit, auch die der Hässlichkeit und des Schmerzes,der Peinlichkeit und der Angst gibt es keine Schönheit,wenigstens in der greifbaren Welt des Fleisches. Die reinen Gedankenwelten – Ideen ohne Fleisch – bleiben blutleer und arm.Kunst wird zum Joint der Bürger.Dann darf die Kunst,die das Hässliche mitbringt,und der Schmerz,der nicht tragisch-groß,sondern verstörend armselig ist, ebenso wenig über die Schwelle geschützter Wohnidyllen treten,wie die soziale Not,verkörpert durch den Bettler,die aggressive Orientierungslosigkeit junger Menschen oder die verfallende Körperlichkeit von Kranken. Zur Würde der Malerei gehört die Wahrhaftigkeit. Zur Würde der Malerei gehört aber auch die Freiheit,die Schöpfung setzt,statt abzubilden:Farben überlagern sich,gewinnen Gestalt,die sich verdichtet oder vergeht. Gestalt findet sich in derVerletzung, die anderes überdeckt oder durchkreuzt.Sie findet sich in der Grenze,die zu vibrieren beginnt,wo Begegnung stattfindet.Farbe gewinnt Körperlichkeit und Tiefe. Sie wird zum Organismus,Zeichen,das nur noch auf sich selbst verweist.Der Maler ist beides,Schöpfer,der Möglichkeiten durchspielt,und staunender Zeuge einesWachstums, das sich nach eigenen Gesetzen zu entfalten beginnt.Für einen brüchigen und flüchtigen Moment wird der Schöpfer zum Ebenbild des Schöpfers!? Aber Schöpfung bleibt ein belangloses Spiel,wenn der Schöpfer sich nicht selbst an die wachsende Form bindet.Wo er mit all seiner Leidenschaft und Wahrheit eintritt in seine Schöpfung,macht er sich offenbar und verletzlich. Er bindet seine Liebe an die Grenzen einer Materie,die beides ist,berührend – greifbar und Erden-schwer.Schöpfung ohne Inkarnation ist nur das halbe Werk, wenigstens in der Kunst.Das hoffe ich auch für die Natur,die mir Schöpfung des Schöpfers ist. ■ Tobias Zimmermann SJ

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