Jesuiten 2011-3

8 Jesuiten Schwerpunkt: Altwerden Schwerpunkt Perspektivwechsel Von der geistlichen Herausforderung, „Nachfolger“ zu sein. Seit zwei Jahren bin ich „der neue Gemmingen“.Im Oktober 2009 habe ich bei RadioVatikan die Nachfolge von Pater Eberhard von Gemmingen, bekannt durch Funk und Fernsehen, angetreten. Und seitdem werde ich immer und immer wieder so vorgestellt.Das liegt wohl daran, dass man sich nicht so richtig vorstellen kann, was das denn ist, Radio Vatikan, und da ist die Einführung über eine Person viel einfacher. Das ist natürlich auf der einen Seite schmeichelhaft: Man wird eingeladen, bekommt Zugang und ist gefragt. Ich reite auf den Leistungen meinesVorgängers. Es hat aber auch eine zweite Seite, die man besonders spürt, wenn das nach zwei Jahren immer noch die gängige Anrede ist. Nach zwei Jahren will ich nicht mehr „der neue Gemmingen“ sein. Erstens bin ich Nachfolger einer Person. Das ist schwierig genug, aber gehört zu jeder Arbeit dazu. Da sind die Erfahrungen und Erwartungen der Mitarbeiter, und generell das, was am Charisma einer Person und seiner Leistung hängt. Das geht aber jedem so, der eine Aufgabe von jemand anderem übernimmt. Und es ehrt Vorgänger wie Nachfolger, wenn es glatt und menschlich vonstatten geht. Zweitens bin ich aber auch Nachfolger einer Rolle, einer Figur. Das ist noch einmal eine eigene Art der Herausforderung. Die Figur bildet sich ja erst allmählich im Zusammenspiel mit der Öffentlichkeit heraus, sie wird erst langsam zu einer Rolle. Im Fall von Radio Vatikan sind es die Medien, die Telefoninterviews, die Talkshows, die Kurzkommentare. Der Name Gemmingen steht für jahrelange Präsenz als „Papsterklärer“, als Kommentator zum Geschehen in Rom. Damit ist die Figur auch eine öffentliche, und gerade die mediale Öffentlichkeit ist eine unbarmherzige Herrscherin: Sie will Rollen besetzt sehen. Es geht weniger um den Menschen, sondern um das, wo er sendbar und fragbar ist.An Gemmingen wusste man, was man hatte. Das hat erstens zur Folge, dass es immer noch Radio-VatikanGemmingen Interviews gibt. Das hat aber auch die noch schwierigere, weil weniger fassbare Folge, dass mir mit ähnlichen Erwartungen begegnet wird. „Der neue Gemmingen“ sein ist immer auch Code für die Frage: „Sie werden doch wohl auch so sein, oder?“ Nein, das werde ich nicht. Das erzeugt Irritation und Kopfschütteln, bei einigen Hörern auch mehr. Aber das muss man aushalten. Das ist eine gute Gelegenheit, klassische Tugenden wiederzuentdecken. Die Demut, nicht gleich selber so bekannt und gefragt zu sein, wie derVorgänger es war, und die Geduld, dass mit der Zeit die eigenen Wegmarken gesetzt werden können. Ab und zu ertappe ich mich bei derVorstellung, wie es denn wohl meinem Nachfolger, wann auch immer das sein wird, gehen wird. Genauso wie mir? Es ist ein Gedankenspiel, und vielleicht sogar eine geistliche Übung:Ich lerne,die Übernahme meiner Rolle und die immer noch sehr präsente Rolle „Gemmingen“ nicht ganz so wichtig zu nehmen. Wenn ich dann in 10 oder 20 Jahren oder wann auch immer selber weggehe und mein dann junger Nachfolger als „der neue Hagenkord“ eingeführt wird und sich bei mir beschwert, dann spätestens werde ich über all das lachen können. Bernd Hagenkord SJ

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