Jesuiten 2011-3

September 2011/3 Jesuiten 9 Schwerpunkt Altwerden im Orden Im Gespräch mit Friedhelm Hengsbach SJ Bedeutet „Ruhestand“ für Dich ein Versprechen oder eine Drohung? Ich lebe eigentlich aus dem, was im Augenblick gerade läuft. Ich habe kein Lebenswerk geschrieben, sondern meistens bloß auf aktuelle Herausforderungen reagiert. Das erschwert natürlich die langfristige Überlegung „Was kommt dann?“ Ich weiß nicht,ob ich das bedauern soll,oder ob das die Form ist,wie ich lebendig bleibe. Was hat sich seit Deinem Umzug von Sankt Georgen ins Heinrich Pesch Haus geändert? Seit der Emeritierung stelle ich mich ganz den Anfragen von außen.Damit habe ich einerseits viel Autonomie gewonnen, andererseits stolpere ich wegen der Zahl der Anfragen auch gleichsam vor mir her. Das ist das, was Du „Kampf um die Zeitautonomie“ nennst. Ja, dann bleiben alle guten Vorsätze liegen. Nach meiner Operation habe ich mir in Frankfurt ein Zimmer eingerichtet, wo Bücher stehen, wo ich Musik hören und persönliche Briefe schreiben kann. Ich versuchte mir dafür den Sonntag freizuhalten – frei von EMails und Dienstverpflichtungen. Das mache ich hier auch – zumindest als Anspruch. Aber der Druck von außen ist noch so groß, dass ich nur selten das tun kann, was ich tun möchte. Du lebst also alles andere als einen „Ruhe“-Stand? Wenn Du auf der Bühne stehst und die Leute das interessiert, was du sagst, bist du natürlich gut drauf.Wenn das mal nicht mehr der Fall ist, wüsste ich nicht, wie ich dann drauf bin. Jetzt träume ich vom Lesen über Astronomie, von Fahrten nach Israel, Andalusien oder der Seidenstraße.Aber ich bin mir sicher, das bleiben Wünsche, die nie realisiert werden. Pater Pfeifer hier im Haus lebt ein ganz anderes Modell von Ruhestand. Mit Abbau von Arbeit, Pflege von Privatkontakten, Freizeit. Hat das für Dich keinen Reiz? Nein, noch nicht! Könnte sein, dass ich mir in seinem Alter mehr Zeit dafür nehme.Aber ich sollte bereits jetzt auf ein weniger aufgeregtes und mehr ausgeglichenes Leben achten. Was verhindert das? Ein Schuss Workaholic-Mentalität. Jesuitenorden, Verzicht auf Partnerschaft passen dazu. Schon die Schule hat mich wenig interessiert. Ich war immer anderswo engagiert:in Jugendgruppen, in der Gemeinde. Ich wollte was tun. Also vita activa. In meiner Generation hat der Orden das relativ schrankenlos zugelassen. Gehst Du mit Dir jetzt anders um als früher? Ja, ein Einschnitt war das Terziat 1984, wo wir drei Monate intensiv Yoga geübt haben. Das war für mich eine Entdeckung.Wichtig ist mir auch die Meditation, die wir hier gemeinsam machen. Kommunitätsmesse, mittags durch die Wiesen laufen, ganz früh fünf Minuten – dies sind Sternzeiten geworden, vor denen ich mich nicht drücken mag. Ich will auch mehr strikte Ruhezeiten. Drei bis vier Wochen Ferien im Jahr in den Bergen, auf dem Radl sind für mich sehr wichtig. Dürfte man Dir sagen, dass Du jung aussiehst? Manche Ältere wollen das ja gar nicht hören. Ach, das stört mich nicht! Ich bin halt relativ gesund. Das ist eine Gabe, für die ich nicht dankbar genug sein kann. Zudem bewege ich mich in häufig wechselnden Milieus.Das kann nerven.Aber es ist auch extrem anregend. Die Fragen stellte Johann Spermann SJ.

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