Jesuiten 2011-3

20 Jesuiten Schwerpunkt: Altwerden Schwerpunkt Altes Antlitz – Gesicht des Lebens Die Geschichte der Kunst kennt das individuelle Bildnis seit wenigen Jahrhunderten; erst das bürgerliche Zeitalter erblickt im menschlichen Antlitz den Spiegel der Seele. Sie schärft der Photographie ein besonderes Bewusstsein für das menschliche Individuum ein – und für den indiskreten Blick. Doch je schärfer die Objektive, umso verschlossener geben sich die Menschen vor den Blicken schussbereiter Kameras. Der Mensch von heute will weitgehend selbst das Bild von sich bestimmen. Die Porträtierten haben den Schauspieler in sich entdeckt. Im Zeitalter der photographischen und elektronischen Massenmedien agiert der moderne Zivilisationsmensch daher gerne vor der Kamera wie ein Akteur, der eine eigene Rolle spielt. Babys sind daher die beliebtesten Objekte, weil offen und ohnmächtig. Sie mimen, wozu man sie reizt, und wissen sich nicht zu wehren. Das ist bei Kindern anders. Sie spielen gerne mit, bauen ihre eigenen Welten und Märchen. Im Jugendlichen bricht die Scham auf. Die Jungen verschließen sich, vor allem der Kamera gegenüber. Nun ja, der Erwachsene... Das Eigentliche im menschlichen Porträtieren liegt in den Bildnissen des Älteren. Da kommt Wahrhaftigkeit ins Spiel. Und Gelassenheit. Beides bahnt den Weg ins wahre Antlitz. Es kann zum menschlichen werden, zum plastischen, von Leben beladenen und geformten Antlitz. Oder es kann lebendig in der chirurgischen Plastik sterben. Wie oft das Antlitz des alten Menschen die Kraft in sich birgt, auch das wahre Antlitz zu berühren, bleibt offen. Denn das wahre Antlitz verbirgt sich hinter dem Alter von dreiunddreißig Jahren. Als Gottesantlitz erstarrt es dort.Als Menschenantlitz aber lebt es weiter, in Jedermann und Jederfrau. In Runzeln, in Furchen, Pickeln, in Säcken, in gefaltetem Plasma, in Transformationen, aber eben auch in erzählerischer Weite, in fesselnden Blicken, in vertrauensvoller Tiefe, in Charakteren, freilich auch in erschreckender Starre, in Tiefe, in Spuren, in Weisheit, in Liebevollem. Das alte Antlitz zeigt inmitten aller Linien die Erhabenheit menschlichen Lebens. Manchmal, als wäre es einfach natürlich älter geworden. Als wären nicht nur die alten Geschichten weiter zu erinnern, sondern als erzählten sie sich bildhaft fort, in den unzähligen Gesichtern, die nichts Anderes sind als weiterlaufende Inkarnationen des Menschen mit der „vera ikon“, die eben auch älter wird als dreiunddreißig Jahre. Bis hin zu Philemon und Baucis. Hermann und Clärchen Baus (geb. 1945 bzw. 1943) stehen seit über 40 Jahren auf den Bühnen des deutschsprachigen Theaters und photographieren die Inszenierungen großer Regisseure, von Jürgen Flimm bis RobertWilson. Mit dieser Erfahrung im Hintergrund haben sie stets auch photographische Porträts geschaffen.Was besticht an ihnen so besonders? Nun, ganz einfach: Es ist jene besonders persönliche, vielleicht sogar im vollen Wortsinn liebevolle Aura, die den Bildern gemeinsam ist. Sie sind Dokumente des Respekts, der Bewunderung und der tiefen Begegnung. Sie entspringen einer dialogischen Atmosphäre, die ihrer photographischen Methode zugrunde liegt. Genau das ist es, was sich auf den Betrachter überträgt. Er begegnet menschlicherTiefe und mitten im alten Antlitz wahrem Leben.Auch in diesem Heft. Friedhelm Mennekes SJ

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