Jesuiten 2011-4

Dezember 2011/4 Jesuiten 19 Mein Weg auf den Tahrir-Platz Was bedeutet mir der Aufstand des 25. Januars 2011, den die ägyptischen Jugendlichen begonnen haben? In gewisser Weise kann ich sagen, dass er eine lang gehegte Sehnsucht aufnimmt: Schon als ich sehr jung war, träumte ich von einer besseren Welt. 1956, ich war neun Jahre alt, brach der Suez-Krieg aus. Ich wurde Zeuge des erschreckenden Schauspiels, das die Bombardierung des Flughafens von Luxor bot, ganz nahe bei meinem Dorf. Ich glaubte, dass unser Dorf getroffen worden sei. Aufgewühlt durch diese kriegerische Aggression wuchs in mir im Laufe der Jahre ein starkes Gefühl für Patriotismus heran. Bestärkt durch die Lieder, die uns in der Schule von den Jesuiten gelehrt wurden, versprach ich mir selbst, dass mein Kampf der Freiheit, der Gerechtigkeit und der menschlichenWürde gelten sollte. Doch zunächst schlossen sich die Niederlage von 1967 und der Krieg von 1973 an. Für eine Spiritualität der Freiheit Ich bemerkte im Laufe meines Lebens, dass die religiösen Autoritäten – seien es Christen oder Muslime – die Leichtgläubigkeit und die Unwissenheit der Gläubigen missbrauchten. Sie säten Angst, um sich die Gläubigen mit leichten Lösungen und schematischen Antworten gefügig zu machen. Das lehrte mich – selbst sowohl religiöser Mensch als auch Staatsbürger –, mich kritisch zu überprüfen und zu reinigen, um meinen Brüdern, wer sie auch seien, zu dienen. Ich musste mich dabei vom traditionellen Bild der Religion loslösen, das darin bestand, die Messe auf koptisch zu lesen und Riten zu vollziehen, die kein Glaubender mehr verstand. Mir ist es gelungen, mich aus dem Kokon der traditionellen Religion in Ägypten zu befreien, die sich oftmals in das Privatleben der Glaubenden einmischt, anstelle sie zu freien und selbstverantwortlichen Menschen zu machen. Mir ist es gelungen, den Graben zu überbrücken, der sich in Ägypten oftmals zwischen dem religiösen Leben und bürgerlichem Engagement auftut. Es war die Zugehörigkeit zum Jesuitenorden, die mich eine Spiritualität hat entdecken lassen, die die Freiheit des Individuums respektiert. Denn die Exerzitien zielen auf die persönliche Begegnung des Einzelnen mit Gott ab, und so muss sich ein Schüler des Ignatius in eine persönliche Dynamik der Gottessuche hineingeben. Einen neuen Anstoß habe ich dann in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie gefunden. Wie das jüdische Volk ist auch die gesamte Menschheit dazu gerufen, befreit zu werden und im Lichte Gottes ihre Wege zu gehen. Die Revolution des 25. Januar krönt die Mühen der langen und schwierigen Jahre der

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