Jesuiten 2011-4

Dezember 2011/4 Jesuiten 1 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, in seinen Exerzitien lässt Ignatius von Loyola den Beter meditierend das Leben Jesu anschauen, Abschnitt für Abschnitt, in vielen einzelnen Übungen. Die erste dieser Übungen stellt die Frage, warum Gott überhaupt in Jesus Mensch wurde:Was bewegte Gott-Vater dazu, seinen Sohn auf die Erde zu schicken? Warum brauchte es Weihnachten – und dann die 33 Jahre des irdischen Lebens Jesu bis zum Kreuzestod und zur Auferstehung? In dieser Übung betrachtet man zunächst, wie „die drei göttlichen Personen“ – gleichsam vom Himmel herunter – „das ganze Erdenrund“ mit den vielen Völkern und Kulturen anschauen. Was sehen sie? Die einen Menschen sind weiß, die anderen schwarz, die einen sind im Frieden, die anderen im Krieg, die einen lachen, die anderen weinen, sie unterhalten sich, sie schwören und sie lästern, sie schlagen einander und töten sich, und: „alle steigen zur Hölle ab“. Der Befund ist eindeutig: Bei aller interessanten Buntheit ist die Menschheit doch so verdorben, dass sie verloren gehen wird! Die drei göttlichen Personen sind von dieser Einsicht im Inneren bewegt, ja sie sind erregt, erschüttert, aufgewühlt. Und sie beschließen, „dass die zweite Person Mensch werde, um das Menschengeschlecht zu retten“. Nun senden sie den Engel Gabriel zu Maria, um ihr die Geburt Jesu anzukündigen. Neun Monate später wird Gott Mensch; die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem ist das Thema der folgenden Übung. Am Anfang stand die Erschütterung des göttlichen Herzens über die Zustände auf der Erde – aus der inneren Bewegung entsteht die Einsicht des Herzens, und diese Einsicht motiviert zum Handeln. Was in Gott geschah und dadurch weltgeschichtlich bedeutsam wurde, gibt es im Kleinen in jedem von uns: innere Regungen, die nach einem längeren Prozess des Unterscheidens und des Entscheidens uns dazu bringen, dass wir unser Leben in die Hand nehmen, dass wir uns gegen das Böse und für das Gute engagieren – und dass wir so zu Christen werden. Der Schwerpunkt dieser JESUITEN-Ausgabe, verantwortet von Simon Lochbrunner, Johann Spermann,Tobias Specker und Tobias Zimmermann, thematisiert die Bewegungen der Seele: wie wir sie wahrnehmen und unterscheiden, wie wir einander auf diesem Weg helfen und uns begleiten lassen können, wie wir Blockaden und Fehler erkennen und überwinden, wie Regungen uns zu Wegweisern auf der Suche nach Gott und nach dem rechten Leben werden. Wenn Sie Ihren Regungen nachspüren, werden Sie erschrecken über manches Böse in dieser Welt und Staunen über sehr viel Gutes, und Sie werden – das wünsche ich Ihnen zu Weihnachten – Ihr Herz öffnen für das Wunder Gottes, der Mensch wurde aus der inneren Erschütterung der Liebe, um uns aus aller Verstrickung und vor dem Untergang zu retten. Ihnen allen einen friedvollen Advent, ein frohes Weihnachtsfest und ein reich gesegnetes Jahr 2012! Stefan Kiechle SJ Provinzial

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