Jesuiten 2011-4

2 Jesuiten Schwerpunkt: Bewegungen der Seele Schwerpunkt Bewegungen der Seele begleiten Unter unserer alltäglichen Geschäftigkeit bleibt meist die grundlegende Herausforderung des Steuermannes auf offener See verborgen:Wer bin ich und wie halte ich Kurs, wenn ich von verschiedenen Strömungen hin und her gezogen werde, von Idealen und Realitätssinn, vom Druck der Außenwelt und den Träumen meines inneren Menschen. Mensch, wohin steuerst Du eigentlich Dein Leben? Mensch, wer wirst Du vom Ende her gewesen sein? Der Mensch muss sich selbst als Mensch erfinden. Aber kann man sich selbst Maßstab sein? Für Augustinus ist Sünde eine Art struktureller Orientierungslosigkeit. Am Grunde seiner selbst findet der Mensch streng genommen nichts, jedenfalls nichts Gültiges als Maßstab, denn der Mensch ist – christlich gesehen – Schöpfung aus dem Nichts. Wir leben in einer Kultur, die es zur Tugend erklärt, sich einfach nur auf das zu beschränken, was für die eigene, begrenzte Fähigkeit der Ratio zu greifen ist. Die Frage nach der Möglichkeit, die Grenzen der eigenen Perspektive auf das Ganze hin zu überschreiten, gar nicht mehr zu stellen, nennt der Philosoph Rüdiger Safranski die „höhere Dummheit der Realitätstüchtigen“. Mit Klimawandel, globaler Finanzkrise etc. werden wir heute immer öfter mit den Folgen konfrontiert. Müssen wir uns aber damit abfinden, dass wir moralisch aufgefordert sind, in Übereinstimmung mit unserer Vernunft zu handeln, obgleich wir niemals erfahren können, ob der Versuch selbst überhaupt vom Ganzen her Sinn macht? Suchenden ist mit Glaubenssätzen aber nicht geholfen, solange sie „Sätze“ bleiben, ohne Anbindung an eigene Erfahrungen jenseits von Selbstberuhigung und Selbstbetrug. Mein Bewusstsein kann sich nur als abgegrenztes „Ich“ erleben. Und nur Abgegrenztes kann ihm zum Gegenstand werden.Wie erfährt das „Ich“, dass es eingebunden ist in ein Ganzes, bevor der Geist sein Werk des Abgrenzens und der Selbstabgrenzung tun kann? Die Sprache rennt hier gegen eine Grenze an. Im Anrennen aber kann sichtbar werden, dass es sich um die Erfahrungen einer Art „Berührung“ handeln könnte. Es wird kein neues „Etwas“ wahrgenommen.Vielmehr finden die Gegenstände der Erfahrung und das erfahrende „Ich“ selbst durch diese Berührung mit einem Größeren und Ganzen ihren Platz und darin ihre Bedeutsamkeit neu – wie die Erfahrung der Liebe der Erfahrung des Menschen keinen weiteren „Gegenstand“ hinzufügt, sondern die Welt als Ganzes in ein anderes Licht taucht.Wir werden mit der Ahnung einer tieferen Verbundenheit zurückgelassen, die aber schwer noch in Sprache zu fassen ist. Die Neuzeit hat nicht nur die Frage auf die Tagesordnung gesetzt, wie menschliche Auto-

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