Jesuiten 2012-1

16 Jesuiten Schwerpunkt: Entweltlichung – Verweltlichung Schwerpunkt Kirchensteuer Weltweit benötigt jede Glaubensgemeinschaft für ihre Zwecke Geld.Auch die Religionsgemeinschaften in Deutschland. Die Sorge für die Gläubigen und ein lebendiges kirchliches Leben, Caritas und solidarische Hilfe im Inneren wie in der Einen Welt gibt es nicht zum Nulltarif. Die deutsche Geschichte hat für die christlichen Kirchen, für die jüdische Gemeinschaft und für möglicherweise eine Reihe weiterer Religionsgemeinschaften ein System der Kirchenfinanzierung hervorgebracht, das als eine Besonderheit gelten darf. Ausgangspunkt der heutigen Kirchensteuer sind die Enteignungen der Kirche am Ende der napoleonischen Zeit. Die weltlichen Herren, denen das Kircheneigentum in die Hände fiel, sollten zur Entschädigung selbst für eine angemessene Ausstattung der Kirche sorgen. Bald begannen kleinere Territorialstaaten, den Kirchen ein Recht zur Steuererhebung einzuräumen. Das war die Geburtsstunde der Kirchensteuer, die dann in derWeimarer Reichsverfassung rechtlich verankert wurde und dies auch im heutigen Grundgesetz noch ist. Alle Bundesländer haben zur Ausführung die nötigen Landesgesetze geschaffen, denen auf kirchlicher Seite Kirchensteuerordnungen entsprechen. Unumstritten ist sie aber keineswegs, die Kirchensteuer. Einige Kritiker haben grundsätzliche Einwände und argumentieren, dass sie der gebotenenTrennung von Kirche und Staat widerspreche. Andere – unter ihnen viele engagierte Kirchenmitglieder – sind zwar durchaus bereit, einen Kirchenbeitrag zu leisten, aber nicht in Gestalt der Steuer, sondern so, dass sie selbst über die Zwecke und Empfänger ihres Geldes entscheiden. Eine Zweckbindung ist nämlich bei der Kirchensteuer – wie auch bei jeder anderen Steuer – nicht möglich. Schließlich findet die Kirchensteuer auch bei denen kaum Akzeptanz, die die Kirchen ohnehin für ein Auslaufmodell halten und deren Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Orientierung und zu einer Kultur der Solidarität und Hilfe für Menschen in Not für überflüssig halten. Die Kirchenverantwortlichen in Deutschland erwidern auf die Kritik, dass die Kirchensteuer die Sphären von Staat und Kirche säuberlich auseinanderhält. Denn es ist die Kirche, die die Steuer erhebt, und zwar als Mitgliedsbeitrag und nur von ihren Gläubigen. Sie setzen sich auch mit dem Argument auseinander, das immer wieder mit großem Pathos vorgetragen wird, dass nämlich in Italien die Dinge vorbildlich seien, weil dort der Steuerpflichtige einen bestimmten Teil seiner Steuerschuld nach freiem Ermessen einer sozialen Organisation seines Vertrauens – besonders auch der katholischen Kirche – zuwenden kann. Die Befürworter der deutschen Kirchensteuer wenden dagegen ein, in Italien handele es sich eben um staatliches Geld, das der Kirche überlassen werde, nicht um Kirchengeld, das zu keinem Zeitpunkt dem Staat zustehe. Die deutsche Kirchensteuer entlastet dabei den Staat in großem Umfang. Alle Gelder, die die Gläubigen mittels ihrer Kirchensteuer ins Bildungswesen und vor allem in soziale und karitative Einrichtungen geben, würden bei Fortfall der Kirchensteuer allgemein vom Steuerzahler aufzubringen sein, was einen spürbaren Mehrbedarf an Finanzmitteln mit sich bringen würde. Denen, die selbst entscheiden wollen, wem der Kirchenbeitrag zufließen soll, halten die

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