Jesuiten 2012-1

Gesamtkonzept der Schule eingebettet sein.Eine Kultur der Wertschätzung, der Angstfreiheit und des verantworteten Umgangs mit Fehlern und Schuld entsteht nicht von allein, sondern muss eingeführt und eingeübt werden. Eine Atmosphäre der Offenheit und Klarheit im Kollegium, in der Unsicherheiten formuliert werden können und in der Reflexion sowie Unterstützungsmöglichkeiten angeboten werden, hat unzweifelhaft präventiveWirkung.Ähnlich wirken unser Curriculum „Soziales Lernen – Prävention“,das beispielsweise ein Kommunikationstraining in der 6. Klasse mit den Schwerpunkten ‚Reden, Zuhören, Emotionen benennen und Konflikte austragen‘ vorsieht.Besonders wichtig erscheinen uns die Klassenlehrerstunden in jedem Jahrgang, in denen Beteiligung,Verantwortungsübernahme und Reflexionsfähigkeit praktiziert und eingeübt werden. 5. Ruhe bewahren und Prozesse ermöglichen Nicht übereilt reagieren, sondern die Ruhe bewahren: so lautet eine zentrale Forderung an diejenigen, die von sexualisierter Gewalt erfahren. Das gilt für jeden Einzelfall, wenn ein konsequentes und dem Opfer zugewandtesVerhalten notwendig ist. Das gilt ebenso für die beharrliche, aber eben auch unaufgeregte Entwicklung eines Präventionskonzeptes – gerade auch dann, wenn eine Schule durch das Aufbrechen von Skandalen verständlicherweise erschüttert und hoch emotionalisiert ist. Für diesen Prozess ist die Leitung maßgeblich verantwortlich; sie muss ihn (mit-)initiieren, gegebenenfalls gegen Widerstände einfordern und aktiv unterstützen. Natürlich kann sie ihn dekretieren. Ohne aktive Einbeziehung von Kollegium, Schülerschaft und Elternschaft kann keine wirkungsvolle Prävention betrieben werden.Und dieser Prozess ist nie abgeschlossen.So stehen auch bei uns noch viele weitere Schritte an: die Überarbeitung unseres sexualpädagogischen Konzeptes, die Formulierung der Schülerrechte sowie die Institutionalisierung kollegialer Reflexion und Supervision.Wir können unsere Kinder und Jugendlichen nicht vollständig vor sexualisierter Gewalt in der Familie, im Sportverein, in der Schule, unter Gleichaltrigen schützen.Aber ich hoffe,unser Präventionskonzept trägt schon jetzt dazu bei, dass im Fall von Übergriffigkeiten und sexualisierter Gewalt keine Sprachlosigkeit entsteht, sondern dass schnellstmöglich Hilfe geholt werden kann, die von respektvoller und kompetenter Unterstützung geprägt ist. Was hat sich also getan? Nach einem großen Erschrecken und einer produktiven Verunsicherung,nach Spaltungen im Kollegium und Ängsten um den Arbeitsplatz und den Ruf unserer Schule ist, so meine ich, eine Wachsamkeit entstanden, die unaufgeregt die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen bereit hält,damit Kinder, Jugendliche und Erwachsene in unseren Institutionen,so wie es in den Leitlinien ignatianischer Pädagogik heißt, ihre Würde als Menschen erfahren und lernen,Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Eine Dimension unserer Schule ist noch wenig bedacht: Das Faktum sexualisierter Gewalt hat auch eine geistliche Dimension. Denn es konfrontiert uns ja u.a.mit der bedrängenden Frage, wo Gott war und ist. Diese Frage hat in christlichen Schulen traditionelle Orte: Gebet und Gottesdienst.Auch sie ermöglichen Sprechen – auch in Form der Klage (!) – und eröffnen Handlungsfähigkeit. Gabriele Hüdepohl 32 Jesuiten Vorgestellt

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