Jesuiten 2012-1

tern und die anderen zu Opfern? Warum gibt es so viel Berechnung und so wenig Ehrfurcht? Über diese Fragen grübelt die Menschheit,seit sie denken kann, aber sie findet keine klare Diagnose. Intensiv doktert sie an sich herum; aber sie findet keine wirksame Therapie.Viele Menschen resignieren und ergeben sich dem Schicksal. Einige greifen zur Gewalt, um die Verhältnisse zu bessern. Andere verkünden: Leben undTreiben auf der schiefen Ebene sind eigentlich normal, weil schon immer so. Und dann mischen sich suggestive Fragen ein: Ist die schiefe Ebene wirklich so schief und so gefährlich? Ist es nicht angenehm, locker und sanft bergab zu gehen? Warum widerstehen? Warum die Mühe? Ist das nicht sinnlos? So wird die Misere verharmlost.Aus der Sicht der Weltanschauung Gottes ist das die Ur-Versuchung der beschädigten Menschen: das Beschädigtsein für normal zu halten, sich anzupassen und weiterzumachen wie bisher. Auf der schiefen Bühne aufwärts gehen! Christen sind Menschen, die die Diagnose des dreifaltigen Gottes über den Zustand der Welt und der menschlichen Geschichte annehmen: Die Beschädigung ist tödlich; der Mensch kann sie nicht beheben; er bleibt dem verhängnisvollen Zug nach unten ausgeliefert. Christen sind aber auch Menschen, die die Therapie Gottes annehmen:Sie lassen sich von Jesus Christus ergreifen und festhalten; sie lassen sich von ihm führen; sie gehen mit ihm den Weg aufwärts und widerstehen dem Abwärtstrend. Sie erklären auch öffentlich, dass die schiefe Bühne nicht normal ist. Sie werben dafür, sich an Jesus Christus festzuhalten. Sie weigern sich, Komplizen eines tödlichen Irrtums und einer listigenVerführung zu sein.Mit anderen Worten: Sie wollen nicht verweltlichen.Sie wollen nicht derWelt die Regie über ihr Leben überlassen. Doch was heißt das konkret?Wie gehe ich mit Jesus auf der schiefen Welt- und Lebensbühne bergan? Wie steuere ich gegen den Zug nach unten? Wie macht es die Gemeinschaft der Christen? 1.Wir sind froh und dankbar, in Jesus Christus jemanden an der Seite zu haben, der uns die Welt deutet, das Schicksal mit uns teilt und uns auf demWeg zu Gott führt und begleitet. Keiner ist allein auf dem Weg. 2.Wir überprüfen, wofür wir Zeit haben und wofür nicht.Wenn wir etwas wichtig finden, uns aber keine Zeit dafür nehmen, sind wir schon im Bann der schiefen Ebene und sollten gegensteuern. 3.Wir versuchen, im Kontakt mit der Weltanschauung Gottes zu bleiben. Darum nehmen wir uns am Sonntag Zeit für den Gottesdienst. Denn das ist der Ort, wo sich das Volk Gottes die Geschichte seiner Rettung ins Gedächtnis ruft und das große Dankgebet spricht. 4.Wir bemühen uns,dieWeltanschauung Gottes immer besser zu verstehen und anderen gut zu erklären. Darum nehmen wir uns Zeit, um in der Bibel zu lesen, allein und mit anderen. Wir nehmen uns auch Zeit, um unser Wissen über den christlichen Glauben zu vertiefen. 5.Wir wenden uns den Mitmenschen zu, besonders denen, die in Not sind.Wir geben ihnen von unserer Zeit, gratis. Wir beherzigen, dass jeder Mensch ein Wunschkind Gottes ist, trotz allem, was an ihm schief und störend ist. Solange wir das tun, geschieht Entweltlichung als eine Form von Reinigung, und wir werden nicht verweltlichen. Wendelin Köster SJ März 2012/1 Jesuiten 5

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