Jesuiten 2012-1

März 2012/1 Jesuiten 7 Schwerpunkt Was fesselt mich? Jemand kommt aus dem Kino und sagt: „Dieser Film hat mich ganz gepackt, richtig gefesselt.“ Es kann großartig sein, von einem Ereignis, einem Musikstück oder auch von einem Menschen ganz hingerissen zu sein. Doch wenn es uns dauerhaft fesselt, werden wir vorsichtig. Denn unsere Freiheit steht auf dem Spiel.Auch Angst und Schrecken können uns fesseln – und nicht mehr loslassen.Wenn wir uns aus der Faszination für eine Sache oder aus dem Schrecken vor einer Macht dieser Welt nicht mehr lösen können, dann ist unsere Seele verkauft. Eine Art von „Götzendienst“ hat begonnen. „Dies alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“ (Mt 4,9). Ignatius von Loyola beginnt seinen „Bericht des Pilgers“ mit folgendem Satz: „Bis zum Alter von sechsundzwanzig Jahren war er den Eitelkeiten der Welt ergeben.“ Seine Bekehrung war ein jahrelanger Kampf, mit Gottes Hilfe diese Fessel der Eitelkeit wieder los zu werden. Die Eitelkeit der Welt kann einen Menschen völlig beherrschen: Wie sehen mich die anderen? Warum beachtet mich keiner? Ich muss im Internet möglichst oft auftauchen. So können Angst und Sorge um den guten Ruf einen Menschen wirklich versklaven. Das Gesetz der Fesselung lautet: Jemand taugt nur so viel, wie er Beachtung findet. Jahre nach seiner Bekehrung beschreibt Ignatius in seinem Exerzitienbuch noch etwas genauer, von welchen irdischen „Mächten“ sich die Menschen am ehesten beherrschen lassen. Er nennt – in guter geistlicher Tradition – diese Mächte „Versucher“ oder „Feind der menschlichen Natur“. Die populärste Strategie desVersuchers ist die Habsucht. Diese verbindet sich leicht mit der schon genannten Eitelkeit. Und dann versteigt sich der Mensch leicht in den Hochmut. In diesen drei Begierden sieht Ignatius die größten Versuchungen des Menschen. Er verliert dadurch seine Freiheit, Gott und den Menschen zu dienen. Diese drei Stufen, sich von weltlichen Dingen beherrschen zu lassen, könnte man nennen: „mehr haben wollen“, „mehr gelten wollen“ und „mehr sein wollen.“ Wer einer irdischen Sache verfallen ist, der verfällt. Zwei große Dramen der deutschen Literaturgeschichte haben dies klassisch inszeniert: Goethes „Faust“ und von Hofmannsthals „Jedermann“. Manche Formen des Verlustes der Freiheit sind unübersehbar. Jeder kennt Suchtkranke und rastlos Getriebene, die aus dem Teufelskreis nicht mehr herausfinden. Neben solch dramatischen Formen der Fesselung gibt es in jedem Leben eine Fülle von „ungeordneten Anhänglichkeiten“, wie Ignatius dies nennt. Wie kommt man ihnen auf die Spur? Das kann ganz gewöhnlich in den Wochen der Fastenzeit geschehen, wo freiwillige Verzichte uns helfen,Anhänglichkeiten aufzuspüren und sich mit Gottes Hilfe von ihnen zu lösen. Die Achtsamkeit auf unsere heftigen Gefühlsreaktionen lässt uns leichter verstehen, woran unser Herz wirklich hängt. Sind es Werte, die Jesus uns lehrt, oder Annehmlichkeiten, die begonnen haben, uns zu beherrschen? Sehr nützlich kann es sein, von Zeit zu Zeit einen Lebensrückblick („révision de vie“) zu halten und diesen eventuell mit einer Beichte zu verbinden. Der Psalmist besingt diese lösende Kraft Gottes: „Du hast meine Fesseln gelöst.“ (Ps 116,16). Franz Meures SJ

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==