Jesuiten 2012-2

Weg beschritten haben, der die tiefsten Bedürfnisse unseres Herzens zum Ziel hatte. Das ist ein merkwürdiger Befund. Während unserVerstand und auch unser Gemüt noch in der Schreckstarre der Katastrophe verweilen, gibt es da doch etwas in uns, das sich leiten und auf einen Ausweg führen lässt. Der geistliche Mensch wird in diesem stummen Ruf, diesem kaum wahrnehmbaren Locken die Stimme seines Schöpfers erahnen. Er ist es, der uns in jeder Situation eine Zukunft eröffnet und anbietet – selbst im Tode. Wir aber bleiben demgegenüber oft in Unwissen und Unglauben. Der große Jesuitendichter Gerard M. Hopkins beschreibt Gott einmal alsWeber. Ein Mensch tritt an den Webstuhl heran und fragt: „Was webst du da?“ Gott antwortet: „Das Gewebe deines Lebens.“ Der Mensch zweifelt: „Das sieht ja wie ein wildes Durcheinander von Fäden aus!“ Worauf Gott erwidert: „Du siehst es von hinten. Von meiner Seite her kannst du ein schönes Muster sehen.“ Man kann sich denken, dass der Mensch nun schweigsam wurde. Und mit diesem Schweigen drückte er sein Nichtwissen aus. Dies ist aber die Geburtsstätte seinerWeisheit: nämlich der Ahnung, dass Gott immer noch ein „Mehr“ anbietet, auch wo menschliches Planen scheinbar an ein Ende gekommen ist. Darin, dass Menschen selbst in völliger Dunkelheit mit fast traumwandlerischer Sicherheit ihren Weg nicht verlieren, obwohl ihnen alles weglos erscheint, zeigt sich der, der mit uns wie schon mit den Jüngern von Emmaus auf dem Weg ist. Godehard Brüntrup SJ Juni 2012/2 Jesuiten 23

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